Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

Bild:
<< vorherige Seite

Daher ist nichts so ingeniös, als die Erwerbsarten
in unsrer Zeit, und nichts abgeschmackter und nichts¬
würdiger, als die Weise, des Erworbenen sich zu
erfreuen, die Vergnügungen des Reichthums. Die
Anstrengung, den Fleiß, das Genie der Erwerben¬
den müssen wir bewundern, den Gebrauch, den sie
vom Erworbenen machen, müssen wir meistens nur
belächeln. Übrigens hat dies zum Theil seinen Grund
in dem Umstande, daß wirklich die meisten Menschen
mehr erwerben, um dem Übel der Armuth zu entgehn,
als um das Glück des Reichthums zu genießen. Ihr
Streben ist mehr negativ gegen die Armuth, als po¬
sitiv für den Reichthum berechnet. Es sind verhält¬
nißmäßig nur wenige, die wirklich zum Genuß ge¬
langen, die meisten müssen sich nur des Mangels er¬
wehren, daher ist die Arbeit wichtiger und interessan¬
ter, als der Erfolg.

Daß aber alles menschliche Treiben jetzt auf Er¬
werb ausgeht, ausgehen muß, ist gewiß im Vergleich
mit frühern Zeiten eine sehr traurige Eigenthümlich¬
keit der unsern. Man kann einmal nicht leben ohne
Geld, man muß zu erwerben suchen, um nicht un¬
terzugehn; man muß ein Mehr zu gewinnen suchen,
weil ein Weniger leicht mit dem bürgerlichen Tode
droht. Darum wird von früh auf schon den Kindern
eingeprägt, daß sie in dieser Welt nur dazu berufen
sind, ihr Unterkommen zu suchen, den Erwerb als
das höchste Lebensziel zu betrachten. Schon die Er¬
ziehung drückt ihnen den Stempel eines Lastthieres

Daher iſt nichts ſo ingenioͤs, als die Erwerbsarten
in unſrer Zeit, und nichts abgeſchmackter und nichts¬
wuͤrdiger, als die Weiſe, des Erworbenen ſich zu
erfreuen, die Vergnuͤgungen des Reichthums. Die
Anſtrengung, den Fleiß, das Genie der Erwerben¬
den muͤſſen wir bewundern, den Gebrauch, den ſie
vom Erworbenen machen, muͤſſen wir meiſtens nur
belaͤcheln. Übrigens hat dies zum Theil ſeinen Grund
in dem Umſtande, daß wirklich die meiſten Menſchen
mehr erwerben, um dem Übel der Armuth zu entgehn,
als um das Gluͤck des Reichthums zu genießen. Ihr
Streben iſt mehr negativ gegen die Armuth, als po¬
ſitiv fuͤr den Reichthum berechnet. Es ſind verhaͤlt¬
nißmaͤßig nur wenige, die wirklich zum Genuß ge¬
langen‚ die meiſten muͤſſen ſich nur des Mangels er¬
wehren, daher iſt die Arbeit wichtiger und intereſſan¬
ter, als der Erfolg.

Daß aber alles menſchliche Treiben jetzt auf Er¬
werb ausgeht, ausgehen muß, iſt gewiß im Vergleich
mit fruͤhern Zeiten eine ſehr traurige Eigenthuͤmlich¬
keit der unſern. Man kann einmal nicht leben ohne
Geld, man muß zu erwerben ſuchen, um nicht un¬
terzugehn; man muß ein Mehr zu gewinnen ſuchen,
weil ein Weniger leicht mit dem buͤrgerlichen Tode
droht. Darum wird von fruͤh auf ſchon den Kindern
eingepraͤgt, daß ſie in dieſer Welt nur dazu berufen
ſind, ihr Unterkommen zu ſuchen, den Erwerb als
das hoͤchſte Lebensziel zu betrachten. Schon die Er¬
ziehung druͤckt ihnen den Stempel eines Laſtthieres

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0052" n="42"/>
        <p>Daher i&#x017F;t nichts &#x017F;o ingenio&#x0364;s, als die Erwerbsarten<lb/>
in un&#x017F;rer Zeit, und nichts abge&#x017F;chmackter und nichts¬<lb/>
wu&#x0364;rdiger, als die Wei&#x017F;e, des Erworbenen &#x017F;ich zu<lb/>
erfreuen, die Vergnu&#x0364;gungen des Reichthums. Die<lb/>
An&#x017F;trengung, den Fleiß, das Genie der Erwerben¬<lb/>
den mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir bewundern, den Gebrauch, den &#x017F;ie<lb/>
vom Erworbenen machen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir mei&#x017F;tens nur<lb/>
bela&#x0364;cheln. Übrigens hat dies zum Theil &#x017F;einen Grund<lb/>
in dem Um&#x017F;tande, daß wirklich die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen<lb/>
mehr erwerben, um dem Übel der Armuth zu entgehn,<lb/>
als um das Glu&#x0364;ck des Reichthums zu genießen. Ihr<lb/>
Streben i&#x017F;t mehr negativ gegen die Armuth, als po¬<lb/>
&#x017F;itiv fu&#x0364;r den Reichthum berechnet. Es &#x017F;ind verha&#x0364;lt¬<lb/>
nißma&#x0364;ßig nur wenige, die wirklich zum Genuß ge¬<lb/>
langen&#x201A; die mei&#x017F;ten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich nur des Mangels er¬<lb/>
wehren, daher i&#x017F;t die Arbeit wichtiger und intere&#x017F;&#x017F;an¬<lb/>
ter, als der Erfolg.</p><lb/>
        <p>Daß aber alles men&#x017F;chliche Treiben jetzt auf Er¬<lb/>
werb ausgeht, ausgehen muß, i&#x017F;t gewiß im Vergleich<lb/>
mit fru&#x0364;hern Zeiten eine &#x017F;ehr traurige Eigenthu&#x0364;mlich¬<lb/>
keit der un&#x017F;ern. Man kann einmal nicht leben ohne<lb/>
Geld, man muß zu erwerben &#x017F;uchen, um nicht un¬<lb/>
terzugehn; man muß ein Mehr zu gewinnen &#x017F;uchen,<lb/>
weil ein Weniger leicht mit dem bu&#x0364;rgerlichen Tode<lb/>
droht. Darum wird von fru&#x0364;h auf &#x017F;chon den Kindern<lb/>
eingepra&#x0364;gt, daß &#x017F;ie in die&#x017F;er Welt nur dazu berufen<lb/>
&#x017F;ind, ihr Unterkommen zu &#x017F;uchen, den Erwerb als<lb/>
das ho&#x0364;ch&#x017F;te Lebensziel zu betrachten. Schon die Er¬<lb/>
ziehung dru&#x0364;ckt ihnen den Stempel eines La&#x017F;tthieres<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0052] Daher iſt nichts ſo ingenioͤs, als die Erwerbsarten in unſrer Zeit, und nichts abgeſchmackter und nichts¬ wuͤrdiger, als die Weiſe, des Erworbenen ſich zu erfreuen, die Vergnuͤgungen des Reichthums. Die Anſtrengung, den Fleiß, das Genie der Erwerben¬ den muͤſſen wir bewundern, den Gebrauch, den ſie vom Erworbenen machen, muͤſſen wir meiſtens nur belaͤcheln. Übrigens hat dies zum Theil ſeinen Grund in dem Umſtande, daß wirklich die meiſten Menſchen mehr erwerben, um dem Übel der Armuth zu entgehn, als um das Gluͤck des Reichthums zu genießen. Ihr Streben iſt mehr negativ gegen die Armuth, als po¬ ſitiv fuͤr den Reichthum berechnet. Es ſind verhaͤlt¬ nißmaͤßig nur wenige, die wirklich zum Genuß ge¬ langen‚ die meiſten muͤſſen ſich nur des Mangels er¬ wehren, daher iſt die Arbeit wichtiger und intereſſan¬ ter, als der Erfolg. Daß aber alles menſchliche Treiben jetzt auf Er¬ werb ausgeht, ausgehen muß, iſt gewiß im Vergleich mit fruͤhern Zeiten eine ſehr traurige Eigenthuͤmlich¬ keit der unſern. Man kann einmal nicht leben ohne Geld, man muß zu erwerben ſuchen, um nicht un¬ terzugehn; man muß ein Mehr zu gewinnen ſuchen, weil ein Weniger leicht mit dem buͤrgerlichen Tode droht. Darum wird von fruͤh auf ſchon den Kindern eingepraͤgt, daß ſie in dieſer Welt nur dazu berufen ſind, ihr Unterkommen zu ſuchen, den Erwerb als das hoͤchſte Lebensziel zu betrachten. Schon die Er¬ ziehung druͤckt ihnen den Stempel eines Laſtthieres

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/52
Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/52>, abgerufen am 25.11.2024.