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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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dings Tieck die stärksten Polemiker gewesen, nicht zu
gedenken der Klopffechtereien in der allgemeinen deut¬
schen Bibliothek, ferner eines Kotzebue und Müllner.

Die trefflichsten polemischen Schriften, wahre
Kunstwerke, sind von Lessing, Fichte, Schelling,
Görres, den Brüdern Schlegel und Tieck; die derb¬
sten von Godsched, Klotz, Voß, Kotzebue, Merkel,
Müllner.

Der allgemeinste Fehler der deutschen Kritik ist
die Kleinigkeitskrämerei in Rücksicht sowohl auf Sa¬
chen als auf Personen. Jeder Kritiker sollte immer
die Nachwelt vor Augen haben, immer nur das schrei¬
ben, was auch der Nachwelt von Interesse seyn könnte.
Die meisten scheinen es aber zu fühlen, daß sie gleich
Eintagsfliegen nur bis zum Sonnenuntergang leben,
darum stechen und beißen sie sich lustig herum, so
lange sie können. Die Gelehrten nagen in ihren Kri¬
tiken auf eine gar erbärmliche Weise an den Buch¬
staben herum, und die Belletristen nicht viel besser.

Die häufigsten Recensionen sind die schlechtesten,
nämlich die, welche nur einzelne Stellen eines Werks
aus dem Zusammenhang des Ganzen reißen und so¬
fort mit einer witzigen Lauge oder mit widerlegenden
Citaten begießen. Das Erste trifft gewöhnlich belle¬
tristische, das Zweite gelehrte Werke. Selten wird
der Geist eines Werks aufgefaßt und charakterisirt,
desto öfter werden einzelne ganz unbedeutende Irrthü¬
mer oder Sprachfehler, ja sogar Druckfehler gerügt.
Dies kommt daher, daß nur wenige Recensenten ein

dings Tieck die ſtaͤrkſten Polemiker geweſen, nicht zu
gedenken der Klopffechtereien in der allgemeinen deut¬
ſchen Bibliothek, ferner eines Kotzebue und Muͤllner.

Die trefflichſten polemiſchen Schriften, wahre
Kunſtwerke, ſind von Leſſing, Fichte, Schelling,
Goͤrres, den Bruͤdern Schlegel und Tieck; die derb¬
ſten von Godſched, Klotz, Voß, Kotzebue, Merkel,
Muͤllner.

Der allgemeinſte Fehler der deutſchen Kritik iſt
die Kleinigkeitskraͤmerei in Ruͤckſicht ſowohl auf Sa¬
chen als auf Perſonen. Jeder Kritiker ſollte immer
die Nachwelt vor Augen haben, immer nur das ſchrei¬
ben, was auch der Nachwelt von Intereſſe ſeyn koͤnnte.
Die meiſten ſcheinen es aber zu fuͤhlen, daß ſie gleich
Eintagsfliegen nur bis zum Sonnenuntergang leben,
darum ſtechen und beißen ſie ſich luſtig herum, ſo
lange ſie koͤnnen. Die Gelehrten nagen in ihren Kri¬
tiken auf eine gar erbaͤrmliche Weiſe an den Buch¬
ſtaben herum, und die Belletriſten nicht viel beſſer.

Die haͤufigſten Recenſionen ſind die ſchlechteſten,
naͤmlich die, welche nur einzelne Stellen eines Werks
aus dem Zuſammenhang des Ganzen reißen und ſo¬
fort mit einer witzigen Lauge oder mit widerlegenden
Citaten begießen. Das Erſte trifft gewoͤhnlich belle¬
triſtiſche, das Zweite gelehrte Werke. Selten wird
der Geiſt eines Werks aufgefaßt und charakteriſirt,
deſto oͤfter werden einzelne ganz unbedeutende Irrthuͤ¬
mer oder Sprachfehler, ja ſogar Druckfehler geruͤgt.
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[299/0309] dings Tieck die ſtaͤrkſten Polemiker geweſen, nicht zu gedenken der Klopffechtereien in der allgemeinen deut¬ ſchen Bibliothek, ferner eines Kotzebue und Muͤllner. Die trefflichſten polemiſchen Schriften, wahre Kunſtwerke, ſind von Leſſing, Fichte, Schelling, Goͤrres, den Bruͤdern Schlegel und Tieck; die derb¬ ſten von Godſched, Klotz, Voß, Kotzebue, Merkel, Muͤllner. Der allgemeinſte Fehler der deutſchen Kritik iſt die Kleinigkeitskraͤmerei in Ruͤckſicht ſowohl auf Sa¬ chen als auf Perſonen. Jeder Kritiker ſollte immer die Nachwelt vor Augen haben, immer nur das ſchrei¬ ben, was auch der Nachwelt von Intereſſe ſeyn koͤnnte. Die meiſten ſcheinen es aber zu fuͤhlen, daß ſie gleich Eintagsfliegen nur bis zum Sonnenuntergang leben, darum ſtechen und beißen ſie ſich luſtig herum, ſo lange ſie koͤnnen. Die Gelehrten nagen in ihren Kri¬ tiken auf eine gar erbaͤrmliche Weiſe an den Buch¬ ſtaben herum, und die Belletriſten nicht viel beſſer. Die haͤufigſten Recenſionen ſind die ſchlechteſten, naͤmlich die, welche nur einzelne Stellen eines Werks aus dem Zuſammenhang des Ganzen reißen und ſo¬ fort mit einer witzigen Lauge oder mit widerlegenden Citaten begießen. Das Erſte trifft gewoͤhnlich belle¬ triſtiſche, das Zweite gelehrte Werke. Selten wird der Geiſt eines Werks aufgefaßt und charakteriſirt, deſto oͤfter werden einzelne ganz unbedeutende Irrthuͤ¬ mer oder Sprachfehler, ja ſogar Druckfehler geruͤgt. Dies kommt daher, daß nur wenige Recenſenten ein

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/309>, abgerufen am 28.11.2024.