Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.Zweigen der Literatur wird gestritten und jedes neue Durch die Polemik haben die Schriftsteller selbst Das Tadeln entspringt nicht immer blos aus der Zweigen der Literatur wird geſtritten und jedes neue Durch die Polemik haben die Schriftſteller ſelbſt Das Tadeln entſpringt nicht immer blos aus der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0305" n="295"/> Zweigen der Literatur wird geſtritten und jedes neue<lb/> Jahr bringt mit einer neuen Anſicht neue Fehden mit.</p><lb/> <p>Durch die Polemik haben die Schriftſteller ſelbſt<lb/> zu ihrer Herabwuͤrdigung vor dem Publikum das<lb/> Meiſte beigetragen. Nicht nur die Maſſe der Strei¬<lb/> tigkeiten, auch der Haß der Streitenden hat zuge¬<lb/> nommen. Es giebt keine Abſurditaͤt, keine Dummheit<lb/> oder Schlechtigkeit, welche Gelehrte nicht, ich will<lb/> nicht ſagen, begangen, aber doch ſich oͤffentlich vor¬<lb/> geworfen haͤtten. Auf die Laien mußte dieß freilich<lb/> verderblich wirken, es mußte die Wiſſenſchaft in ihren<lb/> Augen herabſetzen, denn die Wuͤrde iſt ſo unzertrenn¬<lb/> lich von der Wiſſenſchaft, daß, wenn jene verletzt<lb/> wird, dieſe ſelbſt und ihre Bekenner es entgelten muͤſ¬<lb/> ſen. Der Schatten, den ein Gelehrter auf den an¬<lb/> dern warf, iſt auf ihn ſelbſt und auf den ganzen<lb/> Stand zuruͤckgefallen, ja noch mehr, die Wiſſenſchaf¬<lb/> ten ſelbſt ſind dem rohen Haufen verdaͤchtig gewor¬<lb/> den, weil er urtheilen mußte: alle dieſe Perfidie<lb/> kommt von den Buͤchern her. Jede Wiſſenſchaft iſt<lb/> anſtaͤndig, wenn auch der eine Gelehrte nur dieſe,<lb/> der andre nur jene als die hoͤchſte achtet, und die<lb/> Wuͤrde der Wiſſenſchaft ſoll auf ihre Bekenner nicht<lb/> minder einfließen, als die Wuͤrde des Goͤttlichen auf<lb/> die Prieſter. Ein grober, verlaͤumderiſcher Gelehr¬<lb/> ter iſt ſo veraͤchtlich, als ein unwuͤrdiger Prieſter.</p><lb/> <p>Das Tadeln entſpringt nicht immer blos aus der<lb/> Parteiung, ſondern oft auch aus einem oͤkonomiſchen<lb/> Intereſſe der Recenſiranſtalt. Man lieſt viel lieber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [295/0305]
Zweigen der Literatur wird geſtritten und jedes neue
Jahr bringt mit einer neuen Anſicht neue Fehden mit.
Durch die Polemik haben die Schriftſteller ſelbſt
zu ihrer Herabwuͤrdigung vor dem Publikum das
Meiſte beigetragen. Nicht nur die Maſſe der Strei¬
tigkeiten, auch der Haß der Streitenden hat zuge¬
nommen. Es giebt keine Abſurditaͤt, keine Dummheit
oder Schlechtigkeit, welche Gelehrte nicht, ich will
nicht ſagen, begangen, aber doch ſich oͤffentlich vor¬
geworfen haͤtten. Auf die Laien mußte dieß freilich
verderblich wirken, es mußte die Wiſſenſchaft in ihren
Augen herabſetzen, denn die Wuͤrde iſt ſo unzertrenn¬
lich von der Wiſſenſchaft, daß, wenn jene verletzt
wird, dieſe ſelbſt und ihre Bekenner es entgelten muͤſ¬
ſen. Der Schatten, den ein Gelehrter auf den an¬
dern warf, iſt auf ihn ſelbſt und auf den ganzen
Stand zuruͤckgefallen, ja noch mehr, die Wiſſenſchaf¬
ten ſelbſt ſind dem rohen Haufen verdaͤchtig gewor¬
den, weil er urtheilen mußte: alle dieſe Perfidie
kommt von den Buͤchern her. Jede Wiſſenſchaft iſt
anſtaͤndig, wenn auch der eine Gelehrte nur dieſe,
der andre nur jene als die hoͤchſte achtet, und die
Wuͤrde der Wiſſenſchaft ſoll auf ihre Bekenner nicht
minder einfließen, als die Wuͤrde des Goͤttlichen auf
die Prieſter. Ein grober, verlaͤumderiſcher Gelehr¬
ter iſt ſo veraͤchtlich, als ein unwuͤrdiger Prieſter.
Das Tadeln entſpringt nicht immer blos aus der
Parteiung, ſondern oft auch aus einem oͤkonomiſchen
Intereſſe der Recenſiranſtalt. Man lieſt viel lieber
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |