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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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eigentlich jener Adel der Natur sey, wohlan, habt
nur erst Kraft, dann werdet ihr es wissen. Führt
euch alle Tugenden vor, wenn ihr jene Kraft nicht
habt, seyd ihr wie Tantalus und bleibt ewig arme
Sünder. Daß ihr euch mit allen Tugenden zu über¬
laden trachtet, selbst mit denen, die der stärkste nicht
alle zugleich tragen könnte, das eben beweist, wie
sehr es euch an der Kraft fehlt. Nur ein Schwäch¬
ling traut sich alles zu.

Man hat den Liebesromanen oft vorgeworfen,
sie gäben ein böses Beispiel. Das thun sie allerdings,
aber man braucht ja nicht jedes Beispiel zu befolgen.
Eine natürliche, gesunde, kräftige Jugend wird von
selbst vor so schmählicher Speise sich eckeln. Wer
wie Werther sich erschießt, war höchstens werth, zu
ersaufen. Wer Liebesbriefe aus Romanen copirt, oder
überhaupt bei denselben in die Schule der Liebe geht,
wer Liebe lernen muß aus Büchern, dessen Herz ist
wohl schon von Natur aus papier mache und nicht
aus Blut gemacht. Schlechte Beispiele werden nur
von denen befolgt, die das bessere nicht befolgen wür¬
den. Wer keine natürliche Antipathie gegen das
Schwächliche, Gemeine, Unklare, Lügenhafte hat, was
ist an ihm zu verschlimmern? Man lasse nur jeden
Frosch in den Sumpf, wohin er gehört.

Wenn die echte heroische Liebe unsern Roman¬
schreibern fast niemals gelungen ist, so haben sie da¬
gegen eine große Stärke in den Familiengemälden
bewiesen. Für die italienische Schule zu prosaisch

eigentlich jener Adel der Natur ſey, wohlan, habt
nur erſt Kraft, dann werdet ihr es wiſſen. Fuͤhrt
euch alle Tugenden vor, wenn ihr jene Kraft nicht
habt, ſeyd ihr wie Tantalus und bleibt ewig arme
Suͤnder. Daß ihr euch mit allen Tugenden zu uͤber¬
laden trachtet, ſelbſt mit denen, die der ſtaͤrkſte nicht
alle zugleich tragen koͤnnte, das eben beweist, wie
ſehr es euch an der Kraft fehlt. Nur ein Schwaͤch¬
ling traut ſich alles zu.

Man hat den Liebesromanen oft vorgeworfen,
ſie gaͤben ein boͤſes Beiſpiel. Das thun ſie allerdings,
aber man braucht ja nicht jedes Beiſpiel zu befolgen.
Eine natuͤrliche, geſunde, kraͤftige Jugend wird von
ſelbſt vor ſo ſchmaͤhlicher Speiſe ſich eckeln. Wer
wie Werther ſich erſchießt, war hoͤchſtens werth, zu
erſaufen. Wer Liebesbriefe aus Romanen copirt, oder
uͤberhaupt bei denſelben in die Schule der Liebe geht,
wer Liebe lernen muß aus Buͤchern, deſſen Herz iſt
wohl ſchon von Natur aus papier maché und nicht
aus Blut gemacht. Schlechte Beiſpiele werden nur
von denen befolgt, die das beſſere nicht befolgen wuͤr¬
den. Wer keine natuͤrliche Antipathie gegen das
Schwaͤchliche, Gemeine, Unklare, Luͤgenhafte hat, was
iſt an ihm zu verſchlimmern? Man laſſe nur jeden
Froſch in den Sumpf, wohin er gehoͤrt.

Wenn die echte heroiſche Liebe unſern Roman¬
ſchreibern faſt niemals gelungen iſt, ſo haben ſie da¬
gegen eine große Staͤrke in den Familiengemaͤlden
bewieſen. Fuͤr die italieniſche Schule zu proſaiſch

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[278/0288] eigentlich jener Adel der Natur ſey, wohlan, habt nur erſt Kraft, dann werdet ihr es wiſſen. Fuͤhrt euch alle Tugenden vor, wenn ihr jene Kraft nicht habt, ſeyd ihr wie Tantalus und bleibt ewig arme Suͤnder. Daß ihr euch mit allen Tugenden zu uͤber¬ laden trachtet, ſelbſt mit denen, die der ſtaͤrkſte nicht alle zugleich tragen koͤnnte, das eben beweist, wie ſehr es euch an der Kraft fehlt. Nur ein Schwaͤch¬ ling traut ſich alles zu. Man hat den Liebesromanen oft vorgeworfen, ſie gaͤben ein boͤſes Beiſpiel. Das thun ſie allerdings, aber man braucht ja nicht jedes Beiſpiel zu befolgen. Eine natuͤrliche, geſunde, kraͤftige Jugend wird von ſelbſt vor ſo ſchmaͤhlicher Speiſe ſich eckeln. Wer wie Werther ſich erſchießt, war hoͤchſtens werth, zu erſaufen. Wer Liebesbriefe aus Romanen copirt, oder uͤberhaupt bei denſelben in die Schule der Liebe geht, wer Liebe lernen muß aus Buͤchern, deſſen Herz iſt wohl ſchon von Natur aus papier maché und nicht aus Blut gemacht. Schlechte Beiſpiele werden nur von denen befolgt, die das beſſere nicht befolgen wuͤr¬ den. Wer keine natuͤrliche Antipathie gegen das Schwaͤchliche, Gemeine, Unklare, Luͤgenhafte hat, was iſt an ihm zu verſchlimmern? Man laſſe nur jeden Froſch in den Sumpf, wohin er gehoͤrt. Wenn die echte heroiſche Liebe unſern Roman¬ ſchreibern faſt niemals gelungen iſt, ſo haben ſie da¬ gegen eine große Staͤrke in den Familiengemaͤlden bewieſen. Fuͤr die italieniſche Schule zu proſaiſch

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/288>, abgerufen am 26.11.2024.