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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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dem sie eine Zeit lang zu einer bewunderungswürdi¬
gen Blüthe gelangt war. Das Trauerspiel, das sei¬
nen Gipfelpunkt in Schiller erreicht hat, ist zur Schick¬
salstragödie hinabgesunken. Das Lustspiel, durch Ko¬
tzebue wenn nicht zur Vollkommenheit, doch zur höch¬
sten Popularität gesteigert, ist wieder nach Frank¬
reich abgeirrt und ahmet nur noch französische kleine
Intriguenstücke und Vaudevilles nach. Auch die Rühr¬
spiele, früher durch Iffland zu einer wahren Natio¬
nalangelegenheit der Deutschen gemacht, haben den
Weg nach Frankreich genommen und ahmen die grau¬
samen Melodramen und Delinquentenstücke der Pari¬
ser nach. Sogar die Oper ist seit Mozart wieder
verfallen und theilt alle die Gebrechen, denen alles
Dramatische jetzt unterliegt. Die Tragiker suchen mit
erschöpfter Kraft Originalität zu forciren; die Ko¬
miker aber, die alles, selbst ihren Ruhm leichter
nehmen, begnügen sich von Alten und Fremden zu
borgen, zu sticken und die guten Gedanken andrer
nur ein wenig zu modernisiren. Je mehr aber der
Geist aus dem Drama gewichen ist, desto unver¬
schämter hat das Sinnliche darin sich vorgedrängt.
Wie überhaupt auf den Theatern mehr die Ballette
und großen Prachtopern und Schaustücke mit allem
Glanz der Dekorationen und Maschinen vorherrschen,
so strebt auch wieder der Dichter seinen einzelnen
Producten so viel als möglich äußern Glanz zu ver¬
leihen, um ihnen den Theatereffect zu sichern.

dem ſie eine Zeit lang zu einer bewunderungswuͤrdi¬
gen Bluͤthe gelangt war. Das Trauerſpiel, das ſei¬
nen Gipfelpunkt in Schiller erreicht hat, iſt zur Schick¬
ſalstragoͤdie hinabgeſunken. Das Luſtſpiel, durch Ko¬
tzebue wenn nicht zur Vollkommenheit, doch zur hoͤch¬
ſten Popularitaͤt geſteigert, iſt wieder nach Frank¬
reich abgeirrt und ahmet nur noch franzoͤſiſche kleine
Intriguenſtuͤcke und Vaudevilles nach. Auch die Ruͤhr¬
ſpiele, fruͤher durch Iffland zu einer wahren Natio¬
nalangelegenheit der Deutſchen gemacht, haben den
Weg nach Frankreich genommen und ahmen die grau¬
ſamen Melodramen und Delinquentenſtuͤcke der Pari¬
ſer nach. Sogar die Oper iſt ſeit Mozart wieder
verfallen und theilt alle die Gebrechen, denen alles
Dramatiſche jetzt unterliegt. Die Tragiker ſuchen mit
erſchoͤpfter Kraft Originalitaͤt zu forciren; die Ko¬
miker aber, die alles, ſelbſt ihren Ruhm leichter
nehmen, begnuͤgen ſich von Alten und Fremden zu
borgen, zu ſticken und die guten Gedanken andrer
nur ein wenig zu moderniſiren. Je mehr aber der
Geiſt aus dem Drama gewichen iſt, deſto unver¬
ſchaͤmter hat das Sinnliche darin ſich vorgedraͤngt.
Wie uͤberhaupt auf den Theatern mehr die Ballette
und großen Prachtopern und Schauſtuͤcke mit allem
Glanz der Dekorationen und Maſchinen vorherrſchen,
ſo ſtrebt auch wieder der Dichter ſeinen einzelnen
Producten ſo viel als moͤglich aͤußern Glanz zu ver¬
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[260/0270] dem ſie eine Zeit lang zu einer bewunderungswuͤrdi¬ gen Bluͤthe gelangt war. Das Trauerſpiel, das ſei¬ nen Gipfelpunkt in Schiller erreicht hat, iſt zur Schick¬ ſalstragoͤdie hinabgeſunken. Das Luſtſpiel, durch Ko¬ tzebue wenn nicht zur Vollkommenheit, doch zur hoͤch¬ ſten Popularitaͤt geſteigert, iſt wieder nach Frank¬ reich abgeirrt und ahmet nur noch franzoͤſiſche kleine Intriguenſtuͤcke und Vaudevilles nach. Auch die Ruͤhr¬ ſpiele, fruͤher durch Iffland zu einer wahren Natio¬ nalangelegenheit der Deutſchen gemacht, haben den Weg nach Frankreich genommen und ahmen die grau¬ ſamen Melodramen und Delinquentenſtuͤcke der Pari¬ ſer nach. Sogar die Oper iſt ſeit Mozart wieder verfallen und theilt alle die Gebrechen, denen alles Dramatiſche jetzt unterliegt. Die Tragiker ſuchen mit erſchoͤpfter Kraft Originalitaͤt zu forciren; die Ko¬ miker aber, die alles, ſelbſt ihren Ruhm leichter nehmen, begnuͤgen ſich von Alten und Fremden zu borgen, zu ſticken und die guten Gedanken andrer nur ein wenig zu moderniſiren. Je mehr aber der Geiſt aus dem Drama gewichen iſt, deſto unver¬ ſchaͤmter hat das Sinnliche darin ſich vorgedraͤngt. Wie uͤberhaupt auf den Theatern mehr die Ballette und großen Prachtopern und Schauſtuͤcke mit allem Glanz der Dekorationen und Maſchinen vorherrſchen, ſo ſtrebt auch wieder der Dichter ſeinen einzelnen Producten ſo viel als moͤglich aͤußern Glanz zu ver¬ leihen, um ihnen den Theatereffect zu ſichern.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/270>, abgerufen am 24.11.2024.