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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Zu der melancholischen Gattung müssen auch die
religiösen Lieder gerechnet werden. Wir sind daran
sehr reich, und viele dieser Lieder sind höchst vor¬
trefflich, doch sind die von Novalis die innigsten.
Leider aber finden wir gerade die schönsten frommen
Lieder nur zerstreut in den Sammlungen weltlicher
Gedichte. Die Kirche nimmt keine Notiz davon.
Hier herrschen noch die alten Gesangbücher, die in
einem barbarischen Zeitalter von höchst unpoetischen
Theologen abgefaßt worden, oder schlechte Versifica¬
tionen der Psalmen. Die wenigen guten Ausnahmen
machen diesen Mißbrauch nur noch augenscheinlicher
So entzieht sich denn die protestantische Kirche selbst
die Mittel, wodurch sie die Seelen gewinnen könnte.
Die Philosophie bot sich ihr an, sie hat sie befehdet;
die Poesie bot sich ihr an, sie hat sie gleichgültig
zurückgewiesen.

Die Lieder von der phlegmatischen Gat¬
tung bilden eine niederländische Schule in der Lyrik.
Stillleben ist ihr Wesen und ihr Gegenstand. Zu¬
friedenheit ist die Stimmung, aus der sie hervorgehen,
die idyllische Natur, die Familie, das nüchterne
Glück ihr Gegenstand, Voß, Kosegarten, der Feld¬
prediger Schmidt mit seinen Musen und Grazien in
der Mark waren die Tonangeber. Auch hier ist man
nicht bei der Natur stehn geblieben, sondern hat die
Alten citirt, besonders den Theokrit und Horaz.
Nichts war wohl so lächerlich, als diese gelehrte
Bauernhaftigkeit und bäurische Gelahrtheit.

Zu der melancholiſchen Gattung muͤſſen auch die
religioͤſen Lieder gerechnet werden. Wir ſind daran
ſehr reich, und viele dieſer Lieder ſind hoͤchſt vor¬
trefflich, doch ſind die von Novalis die innigſten.
Leider aber finden wir gerade die ſchoͤnſten frommen
Lieder nur zerſtreut in den Sammlungen weltlicher
Gedichte. Die Kirche nimmt keine Notiz davon.
Hier herrſchen noch die alten Geſangbuͤcher, die in
einem barbariſchen Zeitalter von hoͤchſt unpoetiſchen
Theologen abgefaßt worden, oder ſchlechte Verſifica¬
tionen der Pſalmen. Die wenigen guten Ausnahmen
machen dieſen Mißbrauch nur noch augenſcheinlicher
So entzieht ſich denn die proteſtantiſche Kirche ſelbſt
die Mittel, wodurch ſie die Seelen gewinnen koͤnnte.
Die Philoſophie bot ſich ihr an, ſie hat ſie befehdet;
die Poeſie bot ſich ihr an, ſie hat ſie gleichguͤltig
zuruͤckgewieſen.

Die Lieder von der phlegmatiſchen Gat¬
tung bilden eine niederlaͤndiſche Schule in der Lyrik.
Stillleben iſt ihr Weſen und ihr Gegenſtand. Zu¬
friedenheit iſt die Stimmung, aus der ſie hervorgehen,
die idylliſche Natur, die Familie, das nuͤchterne
Gluͤck ihr Gegenſtand, Voß, Koſegarten, der Feld¬
prediger Schmidt mit ſeinen Muſen und Grazien in
der Mark waren die Tonangeber. Auch hier iſt man
nicht bei der Natur ſtehn geblieben, ſondern hat die
Alten citirt, beſonders den Theokrit und Horaz.
Nichts war wohl ſo laͤcherlich, als dieſe gelehrte
Bauernhaftigkeit und baͤuriſche Gelahrtheit.

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[255/0265] Zu der melancholiſchen Gattung muͤſſen auch die religioͤſen Lieder gerechnet werden. Wir ſind daran ſehr reich, und viele dieſer Lieder ſind hoͤchſt vor¬ trefflich, doch ſind die von Novalis die innigſten. Leider aber finden wir gerade die ſchoͤnſten frommen Lieder nur zerſtreut in den Sammlungen weltlicher Gedichte. Die Kirche nimmt keine Notiz davon. Hier herrſchen noch die alten Geſangbuͤcher, die in einem barbariſchen Zeitalter von hoͤchſt unpoetiſchen Theologen abgefaßt worden, oder ſchlechte Verſifica¬ tionen der Pſalmen. Die wenigen guten Ausnahmen machen dieſen Mißbrauch nur noch augenſcheinlicher So entzieht ſich denn die proteſtantiſche Kirche ſelbſt die Mittel, wodurch ſie die Seelen gewinnen koͤnnte. Die Philoſophie bot ſich ihr an, ſie hat ſie befehdet; die Poeſie bot ſich ihr an, ſie hat ſie gleichguͤltig zuruͤckgewieſen. Die Lieder von der phlegmatiſchen Gat¬ tung bilden eine niederlaͤndiſche Schule in der Lyrik. Stillleben iſt ihr Weſen und ihr Gegenſtand. Zu¬ friedenheit iſt die Stimmung, aus der ſie hervorgehen, die idylliſche Natur, die Familie, das nuͤchterne Gluͤck ihr Gegenſtand, Voß, Koſegarten, der Feld¬ prediger Schmidt mit ſeinen Muſen und Grazien in der Mark waren die Tonangeber. Auch hier iſt man nicht bei der Natur ſtehn geblieben, ſondern hat die Alten citirt, beſonders den Theokrit und Horaz. Nichts war wohl ſo laͤcherlich, als dieſe gelehrte Bauernhaftigkeit und baͤuriſche Gelahrtheit.

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/265>, abgerufen am 24.11.2024.