einem geheimen Bunde und besticht durch die Größe ihrer Unverschämtheit und durch die Menge ihrer Mitschuldigen.
Göthe spielte mit der noch vorhandnen Unschuld des Jahrhunderts, wie sein Faust mit Gretchen, Ko¬ tzebue aber behandelte sie wie eine Kupplerin die No¬ vize und konnte sie nur beflecken, ohne sie zu genießen. Was seiner schmutzigen Leidenschaft unerreichbar war, das riß doch sein Neid herunter.
Den sentimentalen Beschönigungen des modernen Lebens und seiner Schwächen, Mängel, Irrthümer und Laster gegenüber hat sich mit Nothwendigkeit eine ganz entgegengesetzte Gattung von Poesie bilden müs¬ sen, die wir die humoristische zu nennen pflegen. Sie hält jener sentimentalen Poesie die Waage, denn wenn jene die Bejahung des modernen Lebens ist, so ist sie die Verneinung desselben. Dort wird dieses Leben gepriesen, hier wird es beklagt und verspottet. Dort erscheint es als das einzig Natürliche und Ge¬ ziemende, hier als Unnatur und Verkehrtheit.
Der Humor ist das Bewußtseyn um die irdische Unvollkommenheit und seine ästhetische Wirkung das Tragikomische. Das Tragische des Humors geht aus dem schmerzlichen Gefühl hervor, daß wir selbst mit¬ ten in der Unvollkommenheit leben, in die Schranken des Irdischen gebannt sind, selbst an den Krankhei¬ ten der Zeit leiden. Das Komische des Humors ent¬ springt aber aus dem Gefühl, daß wir zugleich auch über dieser Unvollkommenheit und über diesen Schran¬
einem geheimen Bunde und beſticht durch die Groͤße ihrer Unverſchaͤmtheit und durch die Menge ihrer Mitſchuldigen.
Goͤthe ſpielte mit der noch vorhandnen Unſchuld des Jahrhunderts, wie ſein Fauſt mit Gretchen, Ko¬ tzebue aber behandelte ſie wie eine Kupplerin die No¬ vize und konnte ſie nur beflecken, ohne ſie zu genießen. Was ſeiner ſchmutzigen Leidenſchaft unerreichbar war, das riß doch ſein Neid herunter.
Den ſentimentalen Beſchoͤnigungen des modernen Lebens und ſeiner Schwaͤchen, Maͤngel, Irrthuͤmer und Laſter gegenuͤber hat ſich mit Nothwendigkeit eine ganz entgegengeſetzte Gattung von Poeſie bilden muͤſ¬ ſen, die wir die humoriſtiſche zu nennen pflegen. Sie haͤlt jener ſentimentalen Poeſie die Waage, denn wenn jene die Bejahung des modernen Lebens iſt, ſo iſt ſie die Verneinung deſſelben. Dort wird dieſes Leben geprieſen, hier wird es beklagt und verſpottet. Dort erſcheint es als das einzig Natuͤrliche und Ge¬ ziemende, hier als Unnatur und Verkehrtheit.
Der Humor iſt das Bewußtſeyn um die irdiſche Unvollkommenheit und ſeine aͤſthetiſche Wirkung das Tragikomiſche. Das Tragiſche des Humors geht aus dem ſchmerzlichen Gefuͤhl hervor, daß wir ſelbſt mit¬ ten in der Unvollkommenheit leben, in die Schranken des Irdiſchen gebannt ſind, ſelbſt an den Krankhei¬ ten der Zeit leiden. Das Komiſche des Humors ent¬ ſpringt aber aus dem Gefuͤhl, daß wir zugleich auch uͤber dieſer Unvollkommenheit und uͤber dieſen Schran¬
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einem geheimen Bunde und beſticht durch die Groͤße
ihrer Unverſchaͤmtheit und durch die Menge ihrer
Mitſchuldigen.
Goͤthe ſpielte mit der noch vorhandnen Unſchuld
des Jahrhunderts, wie ſein Fauſt mit Gretchen, Ko¬
tzebue aber behandelte ſie wie eine Kupplerin die No¬
vize und konnte ſie nur beflecken, ohne ſie zu genießen.
Was ſeiner ſchmutzigen Leidenſchaft unerreichbar war,
das riß doch ſein Neid herunter.
Den ſentimentalen Beſchoͤnigungen des modernen
Lebens und ſeiner Schwaͤchen, Maͤngel, Irrthuͤmer
und Laſter gegenuͤber hat ſich mit Nothwendigkeit eine
ganz entgegengeſetzte Gattung von Poeſie bilden muͤſ¬
ſen, die wir die humoriſtiſche zu nennen pflegen.
Sie haͤlt jener ſentimentalen Poeſie die Waage, denn
wenn jene die Bejahung des modernen Lebens iſt, ſo
iſt ſie die Verneinung deſſelben. Dort wird dieſes
Leben geprieſen, hier wird es beklagt und verſpottet.
Dort erſcheint es als das einzig Natuͤrliche und Ge¬
ziemende, hier als Unnatur und Verkehrtheit.
Der Humor iſt das Bewußtſeyn um die irdiſche
Unvollkommenheit und ſeine aͤſthetiſche Wirkung das
Tragikomiſche. Das Tragiſche des Humors geht aus
dem ſchmerzlichen Gefuͤhl hervor, daß wir ſelbſt mit¬
ten in der Unvollkommenheit leben, in die Schranken
des Irdiſchen gebannt ſind, ſelbſt an den Krankhei¬
ten der Zeit leiden. Das Komiſche des Humors ent¬
ſpringt aber aus dem Gefuͤhl, daß wir zugleich auch
uͤber dieſer Unvollkommenheit und uͤber dieſen Schran¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/242>, abgerufen am 15.08.2024.
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