terthum, Bd. 2. S. 182. das Resultat einer glück¬ lichen Behandlung ist das Schöne.
Das Talent ist an sich universell, und muß sich als solches in der größten Vielseitigkeit der Anwen¬ dung erproben. Es giebt nichts in der Welt, dem nicht das Talent einen poetischen Anstrich geben könnte. Wie jener Tonkünstler mit Recht behauptete, es ließe sich alles in Musik setzen, selbst ein Thor¬ zettel, so kann ein talentvoller Dichter mit der Sprache nicht weniger Wunder thun. Daher war auch Göthe so vielseitig. Er konnte alles, auch das Geringste und Gemeinste durch den Zauber seiner Darstellung reizend machen.
Das Talent gefällt sich in der Vielseitigkeit. Je¬ der Virtuose strebt so viel als möglich allseitig zu seyn, sein Talent auf alle mögliche Weise ins Licht zu setzen, durch den Reichthum der Anwendung durch die Herrschaft über die reichste Claviatur und ihre Schlüssel, durch den kühnen und gewandten Wechsel der Tonarten, und durch die Fertigkeit des Tausend¬ künstlers, der auf einem Bein stehend zwölf Instru¬ mente zugleich spielt, in Erstaunen zu setzen. Diese Neigung wohnt dem Talente deßhalb bei, weil es charakterlos, von einer festen dauernden Bestimmung unabhängig ist. Der Künstler, in welchem das Ta¬ lent ausschließlich vorherrscht, wird weder durch eine bestimmte Richtung der Empfindung, noch durch ei¬ nen bestimmten Gegenstand ausschließlich gefesselt. Es treibt ihn nicht, sein volles Herz auszuströmen,
terthum, Bd. 2. S. 182. das Reſultat einer gluͤck¬ lichen Behandlung iſt das Schoͤne.
Das Talent iſt an ſich univerſell, und muß ſich als ſolches in der groͤßten Vielſeitigkeit der Anwen¬ dung erproben. Es giebt nichts in der Welt, dem nicht das Talent einen poetiſchen Anſtrich geben koͤnnte. Wie jener Tonkuͤnſtler mit Recht behauptete, es ließe ſich alles in Muſik ſetzen, ſelbſt ein Thor¬ zettel, ſo kann ein talentvoller Dichter mit der Sprache nicht weniger Wunder thun. Daher war auch Goͤthe ſo vielſeitig. Er konnte alles, auch das Geringſte und Gemeinſte durch den Zauber ſeiner Darſtellung reizend machen.
Das Talent gefaͤllt ſich in der Vielſeitigkeit. Je¬ der Virtuoſe ſtrebt ſo viel als moͤglich allſeitig zu ſeyn, ſein Talent auf alle moͤgliche Weiſe ins Licht zu ſetzen, durch den Reichthum der Anwendung durch die Herrſchaft uͤber die reichſte Claviatur und ihre Schluͤſſel, durch den kuͤhnen und gewandten Wechſel der Tonarten, und durch die Fertigkeit des Tauſend¬ kuͤnſtlers, der auf einem Bein ſtehend zwoͤlf Inſtru¬ mente zugleich ſpielt, in Erſtaunen zu ſetzen. Dieſe Neigung wohnt dem Talente deßhalb bei, weil es charakterlos, von einer feſten dauernden Beſtimmung unabhaͤngig iſt. Der Kuͤnſtler, in welchem das Ta¬ lent ausſchließlich vorherrſcht, wird weder durch eine beſtimmte Richtung der Empfindung, noch durch ei¬ nen beſtimmten Gegenſtand ausſchließlich gefeſſelt. Es treibt ihn nicht, ſein volles Herz auszuſtroͤmen,
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terthum, Bd. 2. S. 182. das Reſultat einer gluͤck¬
lichen Behandlung iſt das Schoͤne.
Das Talent iſt an ſich univerſell, und muß ſich
als ſolches in der groͤßten Vielſeitigkeit der Anwen¬
dung erproben. Es giebt nichts in der Welt, dem
nicht das Talent einen poetiſchen Anſtrich geben
koͤnnte. Wie jener Tonkuͤnſtler mit Recht behauptete,
es ließe ſich alles in Muſik ſetzen, ſelbſt ein Thor¬
zettel, ſo kann ein talentvoller Dichter mit der
Sprache nicht weniger Wunder thun. Daher war
auch Goͤthe ſo vielſeitig. Er konnte alles, auch das
Geringſte und Gemeinſte durch den Zauber ſeiner
Darſtellung reizend machen.
Das Talent gefaͤllt ſich in der Vielſeitigkeit. Je¬
der Virtuoſe ſtrebt ſo viel als moͤglich allſeitig zu
ſeyn, ſein Talent auf alle moͤgliche Weiſe ins Licht
zu ſetzen, durch den Reichthum der Anwendung durch
die Herrſchaft uͤber die reichſte Claviatur und ihre
Schluͤſſel, durch den kuͤhnen und gewandten Wechſel
der Tonarten, und durch die Fertigkeit des Tauſend¬
kuͤnſtlers, der auf einem Bein ſtehend zwoͤlf Inſtru¬
mente zugleich ſpielt, in Erſtaunen zu ſetzen. Dieſe
Neigung wohnt dem Talente deßhalb bei, weil es
charakterlos, von einer feſten dauernden Beſtimmung
unabhaͤngig iſt. Der Kuͤnſtler, in welchem das Ta¬
lent ausſchließlich vorherrſcht, wird weder durch eine
beſtimmte Richtung der Empfindung, noch durch ei¬
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Es treibt ihn nicht, ſein volles Herz auszuſtroͤmen,
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/222>, abgerufen am 16.02.2025.
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