Wirkliche fesseln, mit einem feindlichen Auge betrach¬ ten können. Er wird sich mit der Nothwendigkeit versöhnen, und was ihm darin Anfangs hart, drückend, beengend, klein und gemein erschien, wird sich mit neuen Reizen überkleiden. Das Wirkliche, dem er in das Land der Ideale zu entfliehen gesucht, wird ei¬ nen stillen und allmächtigen Zauber für ihn gewinnen. Ahnungsvoll wird er in dem Walten der Natur das Heilige wieder zu finden glauben, was er vielleicht in seinen kühnsten Träumen vergeblich gesucht und aufgegeben. Dieß wird ihn auch bald dahin führen, im großen Garten des Lebens alles nach seiner Art interessant zu finden, besonders aber das Ganze in seinem harmonischen Zusammenhange und in seiner reizenden Mannigfaltigkeit. Eine kleine Blume, die er sonst wohl verachtet hat, wird ihm werth werden durch die Bedeutung, die sie im Ganzen hat. So wird er nun das wirkliche Leben der Gegenwart und Vergangenheit, die Menschen und ihr Treiben, wie es wirklich ist, wunderbar anziehend finden, und die Zukunft und ihre Ideale darüber, wenn nicht ver¬ gessen, doch nicht mehr allein gelten lassen. Dem Dichter wird es nun gelingen, das bisher so Un¬ scheinbare, das man nicht einmal mitleidswürdig ge¬ nug fand, um es in einer Idylle oder in einer Posse brauchen zu können, auf eine neue und dankbare Weise für die Poesie zu gewinnen. Er wird den ge¬ meinen Menschen aus dem Volke herausheben können, bloß weil er zu diesem Volke, zu diesem Stande, in
Wirkliche feſſeln, mit einem feindlichen Auge betrach¬ ten koͤnnen. Er wird ſich mit der Nothwendigkeit verſoͤhnen, und was ihm darin Anfangs hart, druͤckend, beengend, klein und gemein erſchien, wird ſich mit neuen Reizen uͤberkleiden. Das Wirkliche, dem er in das Land der Ideale zu entfliehen geſucht, wird ei¬ nen ſtillen und allmaͤchtigen Zauber fuͤr ihn gewinnen. Ahnungsvoll wird er in dem Walten der Natur das Heilige wieder zu finden glauben, was er vielleicht in ſeinen kuͤhnſten Traͤumen vergeblich geſucht und aufgegeben. Dieß wird ihn auch bald dahin fuͤhren, im großen Garten des Lebens alles nach ſeiner Art intereſſant zu finden, beſonders aber das Ganze in ſeinem harmoniſchen Zuſammenhange und in ſeiner reizenden Mannigfaltigkeit. Eine kleine Blume, die er ſonſt wohl verachtet hat, wird ihm werth werden durch die Bedeutung, die ſie im Ganzen hat. So wird er nun das wirkliche Leben der Gegenwart und Vergangenheit, die Menſchen und ihr Treiben, wie es wirklich iſt, wunderbar anziehend finden, und die Zukunft und ihre Ideale daruͤber, wenn nicht ver¬ geſſen, doch nicht mehr allein gelten laſſen. Dem Dichter wird es nun gelingen, das bisher ſo Un¬ ſcheinbare, das man nicht einmal mitleidswuͤrdig ge¬ nug fand, um es in einer Idylle oder in einer Poſſe brauchen zu koͤnnen, auf eine neue und dankbare Weiſe fuͤr die Poeſie zu gewinnen. Er wird den ge¬ meinen Menſchen aus dem Volke herausheben koͤnnen, bloß weil er zu dieſem Volke, zu dieſem Stande, in
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Wirkliche feſſeln, mit einem feindlichen Auge betrach¬
ten koͤnnen. Er wird ſich mit der Nothwendigkeit
verſoͤhnen, und was ihm darin Anfangs hart, druͤckend,
beengend, klein und gemein erſchien, wird ſich mit
neuen Reizen uͤberkleiden. Das Wirkliche, dem er in
das Land der Ideale zu entfliehen geſucht, wird ei¬
nen ſtillen und allmaͤchtigen Zauber fuͤr ihn gewinnen.
Ahnungsvoll wird er in dem Walten der Natur das
Heilige wieder zu finden glauben, was er vielleicht
in ſeinen kuͤhnſten Traͤumen vergeblich geſucht und
aufgegeben. Dieß wird ihn auch bald dahin fuͤhren,
im großen Garten des Lebens alles nach ſeiner Art
intereſſant zu finden, beſonders aber das Ganze in
ſeinem harmoniſchen Zuſammenhange und in ſeiner
reizenden Mannigfaltigkeit. Eine kleine Blume, die
er ſonſt wohl verachtet hat, wird ihm werth werden
durch die Bedeutung, die ſie im Ganzen hat. So
wird er nun das wirkliche Leben der Gegenwart und
Vergangenheit, die Menſchen und ihr Treiben, wie
es wirklich iſt, wunderbar anziehend finden, und die
Zukunft und ihre Ideale daruͤber, wenn nicht ver¬
geſſen, doch nicht mehr allein gelten laſſen. Dem
Dichter wird es nun gelingen, das bisher ſo Un¬
ſcheinbare, das man nicht einmal mitleidswuͤrdig ge¬
nug fand, um es in einer Idylle oder in einer Poſſe
brauchen zu koͤnnen, auf eine neue und dankbare
Weiſe fuͤr die Poeſie zu gewinnen. Er wird den ge¬
meinen Menſchen aus dem Volke herausheben koͤnnen,
bloß weil er zu dieſem Volke, zu dieſem Stande, in
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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