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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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schichte still waltenden Naturgeist, schwebt nicht über
dem Leben, sondern ist das Leben selbst, wirkt keine
Wunder von oben, die sich unterscheiden von dem
gemeinen Leben unten, sondern sie wirkt alles nur
von innen, und alles, was sie hervorbringt, oder
nichts ist ein Wunder. In diesem Sinne kehrt die
Poesie gewissermaßen zum ältesten Pantheismus und
Elementardienst zurück, und ahnet das Heilige nur
in allem, was ist, bildet sich aber keine Götter mehr
ausser und über den übrigen Dingen. Bisher war
die Poesie der Vielgötterei oder dem Monotheismus
zugethan, sofern sie immer nur gewisse Gruppen von
ausgezeichneten Menschen und Familien oder auch
nur einen einzigen Helden in den Vordergrund stellte.
Dagegen ist nun die neue Manier, statt jener Hel¬
den ganze Völker, statt einzelner Charaktere die Phy¬
siognomie, den Geist und Ton, die Sitten und Ei¬
genthümlichkeiten ganzer Länder und Zeiten, statt
einzelner Thaten den Lebensprozeß ganzer Genera¬
tionen zu schildern, allerdings ein poetischer Pan¬
theismus zu nennen. Man kann diese Poesie aus den¬
selben Gründen auch durch den Charakter des De¬
mokratischen bezeichnen. Der Held im Vordergrunde
ist immer der poetische Monarch, und ganze Grup¬
pen im Vordergrunde bilden eine natürliche Aristo¬
kratie. Wirklich ist auch das Volk im Hintergrunde
immer zu einer sehr erbärmlichen Statistenrolle her¬
abgewürdigt worden. In dem neuen historischen Ro¬
man aber herrscht eben dieses Volk, und was davon

ſchichte ſtill waltenden Naturgeiſt, ſchwebt nicht uͤber
dem Leben, ſondern iſt das Leben ſelbſt, wirkt keine
Wunder von oben, die ſich unterſcheiden von dem
gemeinen Leben unten, ſondern ſie wirkt alles nur
von innen, und alles, was ſie hervorbringt, oder
nichts iſt ein Wunder. In dieſem Sinne kehrt die
Poeſie gewiſſermaßen zum aͤlteſten Pantheismus und
Elementardienſt zuruͤck, und ahnet das Heilige nur
in allem, was iſt, bildet ſich aber keine Goͤtter mehr
auſſer und uͤber den uͤbrigen Dingen. Bisher war
die Poeſie der Vielgoͤtterei oder dem Monotheismus
zugethan, ſofern ſie immer nur gewiſſe Gruppen von
ausgezeichneten Menſchen und Familien oder auch
nur einen einzigen Helden in den Vordergrund ſtellte.
Dagegen iſt nun die neue Manier, ſtatt jener Hel¬
den ganze Voͤlker, ſtatt einzelner Charaktere die Phy¬
ſiognomie, den Geiſt und Ton, die Sitten und Ei¬
genthuͤmlichkeiten ganzer Laͤnder und Zeiten, ſtatt
einzelner Thaten den Lebensprozeß ganzer Genera¬
tionen zu ſchildern, allerdings ein poetiſcher Pan¬
theismus zu nennen. Man kann dieſe Poeſie aus den¬
ſelben Gruͤnden auch durch den Charakter des De¬
mokratiſchen bezeichnen. Der Held im Vordergrunde
iſt immer der poetiſche Monarch, und ganze Grup¬
pen im Vordergrunde bilden eine natuͤrliche Ariſto¬
kratie. Wirklich iſt auch das Volk im Hintergrunde
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[170/0180] ſchichte ſtill waltenden Naturgeiſt, ſchwebt nicht uͤber dem Leben, ſondern iſt das Leben ſelbſt, wirkt keine Wunder von oben, die ſich unterſcheiden von dem gemeinen Leben unten, ſondern ſie wirkt alles nur von innen, und alles, was ſie hervorbringt, oder nichts iſt ein Wunder. In dieſem Sinne kehrt die Poeſie gewiſſermaßen zum aͤlteſten Pantheismus und Elementardienſt zuruͤck, und ahnet das Heilige nur in allem, was iſt, bildet ſich aber keine Goͤtter mehr auſſer und uͤber den uͤbrigen Dingen. Bisher war die Poeſie der Vielgoͤtterei oder dem Monotheismus zugethan, ſofern ſie immer nur gewiſſe Gruppen von ausgezeichneten Menſchen und Familien oder auch nur einen einzigen Helden in den Vordergrund ſtellte. Dagegen iſt nun die neue Manier, ſtatt jener Hel¬ den ganze Voͤlker, ſtatt einzelner Charaktere die Phy¬ ſiognomie, den Geiſt und Ton, die Sitten und Ei¬ genthuͤmlichkeiten ganzer Laͤnder und Zeiten, ſtatt einzelner Thaten den Lebensprozeß ganzer Genera¬ tionen zu ſchildern, allerdings ein poetiſcher Pan¬ theismus zu nennen. Man kann dieſe Poeſie aus den¬ ſelben Gruͤnden auch durch den Charakter des De¬ mokratiſchen bezeichnen. Der Held im Vordergrunde iſt immer der poetiſche Monarch, und ganze Grup¬ pen im Vordergrunde bilden eine natuͤrliche Ariſto¬ kratie. Wirklich iſt auch das Volk im Hintergrunde immer zu einer ſehr erbaͤrmlichen Statiſtenrolle her¬ abgewuͤrdigt worden. In dem neuen hiſtoriſchen Ro¬ man aber herrſcht eben dieſes Volk, und was davon

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/180>, abgerufen am 24.11.2024.