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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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wirklich überall eine gränzenlose Werthschätzung und
Vorliebe gefolgt. Nur einzelne Männer haben diesem
Strome der Begeisterung sich widersetzt, die große
Masse des Publikums ist überall davon fortgerissen
worden, und mit Erstaunen sehn wir zum ersten Mal
alle noch so verschiedenen Völker in ein und demselben
Geschmack übereinstimmen. Noch wichtiger ist der
Umstand, daß seine Manier überall nachgeahmt wird,
und daß er der Vater einer neuen, die halbe Welt
überschwemmenden Literatur geworden ist. Nachahmer
hat es immer gegeben, aber so zu Hunderten sind sie
doch nie aus allen Winkeln der Erde hervorgeschossen,
und noch nie hat ein Dichter oder eine Dichtungsart
sich so auffallend vervielfältigt. Man muß bei die¬
sem Romanenkraut, das so leicht in jedem Boden
Wurzel faßt und um sich wuchert, unwillkürlich an
die Kartoffeln denken, die sich einst aus demselben
Lande und auf dieselbe Weise über ganz Europa ver¬
breiteten. Alles baut jetzt die wohlfeile Frucht, und
die literarische Ökonomie erlebt eine der größten Ka¬
tastrophen. Das neue Nahrungsmittel für die See¬
len führt zugleich im Geschmack, und ich möchte sa¬
gen, in der ganzen Constitution derselben eine eben
so große Katastrophe herbei. Kaum hat ein Mensch
davon gekostet, so muß er immer wieder kosten, und
die verschiedensten Nationen sitzen ohne Neid und
Eckel brüderlich an einer Schüssel, und eben so brü¬
derlich der Ladendiener, der die Neunkreuzerausgabe
nur mit der Elle messen kann, und der tiefsinnigste

wirklich uͤberall eine graͤnzenloſe Werthſchaͤtzung und
Vorliebe gefolgt. Nur einzelne Maͤnner haben dieſem
Strome der Begeiſterung ſich widerſetzt, die große
Maſſe des Publikums iſt uͤberall davon fortgeriſſen
worden, und mit Erſtaunen ſehn wir zum erſten Mal
alle noch ſo verſchiedenen Voͤlker in ein und demſelben
Geſchmack uͤbereinſtimmen. Noch wichtiger iſt der
Umſtand, daß ſeine Manier uͤberall nachgeahmt wird,
und daß er der Vater einer neuen, die halbe Welt
uͤberſchwemmenden Literatur geworden iſt. Nachahmer
hat es immer gegeben, aber ſo zu Hunderten ſind ſie
doch nie aus allen Winkeln der Erde hervorgeſchoſſen,
und noch nie hat ein Dichter oder eine Dichtungsart
ſich ſo auffallend vervielfaͤltigt. Man muß bei die¬
ſem Romanenkraut, das ſo leicht in jedem Boden
Wurzel faßt und um ſich wuchert, unwillkuͤrlich an
die Kartoffeln denken, die ſich einſt aus demſelben
Lande und auf dieſelbe Weiſe uͤber ganz Europa ver¬
breiteten. Alles baut jetzt die wohlfeile Frucht, und
die literariſche Ökonomie erlebt eine der groͤßten Ka¬
taſtrophen. Das neue Nahrungsmittel fuͤr die See¬
len fuͤhrt zugleich im Geſchmack, und ich moͤchte ſa¬
gen, in der ganzen Conſtitution derſelben eine eben
ſo große Kataſtrophe herbei. Kaum hat ein Menſch
davon gekoſtet, ſo muß er immer wieder koſten, und
die verſchiedenſten Nationen ſitzen ohne Neid und
Eckel bruͤderlich an einer Schuͤſſel, und eben ſo bruͤ¬
derlich der Ladendiener, der die Neunkreuzerausgabe
nur mit der Elle meſſen kann, und der tiefſinnigſte

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[165/0175] wirklich uͤberall eine graͤnzenloſe Werthſchaͤtzung und Vorliebe gefolgt. Nur einzelne Maͤnner haben dieſem Strome der Begeiſterung ſich widerſetzt, die große Maſſe des Publikums iſt uͤberall davon fortgeriſſen worden, und mit Erſtaunen ſehn wir zum erſten Mal alle noch ſo verſchiedenen Voͤlker in ein und demſelben Geſchmack uͤbereinſtimmen. Noch wichtiger iſt der Umſtand, daß ſeine Manier uͤberall nachgeahmt wird, und daß er der Vater einer neuen, die halbe Welt uͤberſchwemmenden Literatur geworden iſt. Nachahmer hat es immer gegeben, aber ſo zu Hunderten ſind ſie doch nie aus allen Winkeln der Erde hervorgeſchoſſen, und noch nie hat ein Dichter oder eine Dichtungsart ſich ſo auffallend vervielfaͤltigt. Man muß bei die¬ ſem Romanenkraut, das ſo leicht in jedem Boden Wurzel faßt und um ſich wuchert, unwillkuͤrlich an die Kartoffeln denken, die ſich einſt aus demſelben Lande und auf dieſelbe Weiſe uͤber ganz Europa ver¬ breiteten. Alles baut jetzt die wohlfeile Frucht, und die literariſche Ökonomie erlebt eine der groͤßten Ka¬ taſtrophen. Das neue Nahrungsmittel fuͤr die See¬ len fuͤhrt zugleich im Geſchmack, und ich moͤchte ſa¬ gen, in der ganzen Conſtitution derſelben eine eben ſo große Kataſtrophe herbei. Kaum hat ein Menſch davon gekoſtet, ſo muß er immer wieder koſten, und die verſchiedenſten Nationen ſitzen ohne Neid und Eckel bruͤderlich an einer Schuͤſſel, und eben ſo bruͤ¬ derlich der Ladendiener, der die Neunkreuzerausgabe nur mit der Elle meſſen kann, und der tiefſinnigſte

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/175>, abgerufen am 24.11.2024.