Müllner bildete nach dem Vorgang Werner's die Schicksalstragödie zu jener furchtbaren Kar¬ rikatur aus, in welcher sie gegenwärtig auf allen Bühnen herumpoltert. Werner's Februar gab den ersten Anstoß, Müllner's Schuld erreichte den Gipfel und andre haben dann diese Manier in der Breite weiter um sich greifen lassen. Sie reiht sich unmit¬ telbar an die schon geschilderte Manier Werner's an, nur daß sie das Schicksal immer ein feindseliges, rä¬ chendes, zerstörendes seyn läßt. Es wird aber nöthig seyn, diese neue Schicksalstragödie von der alten zu unterscheiden.
In der antiken Tragödie war das Schicksal, das eiserne, unerbittliche, wahrhaft erhaben, furchtbar und schön, würdig der Idee, die wir vom unerforsch¬ lichen Verhängniß haben sollen. Es stand als ewige Nothwendigkeit der himmelstürmenden Freiheit entge¬ gen, und das Maaß seiner Erhabenheit lag in der Kraft und Würde des Helden. Je freier, größer, göttlicher der Held, desto mächtiger, tiefer, heiliger die Gewalt, die ihn stille stehn hieß. Kampf des Helden gegen das Schicksal war die Grundidee des Trauerspiels und das Schicksal, das freilich an sich unüberwindlich und ewig sich gleich bleibt, mußte durch die Stärke des Widerstandes und durch den Werth seines Opfers eine relative Größe erhalten, die einzige, die ihm in der Poesie zukommt. Im freien Willen, in der Kraft und im innern Werthe des Helden lag also das Kriterium der Tragödie.
Muͤllner bildete nach dem Vorgang Werner's die Schickſalstragoͤdie zu jener furchtbaren Kar¬ rikatur aus, in welcher ſie gegenwaͤrtig auf allen Buͤhnen herumpoltert. Werner's Februar gab den erſten Anſtoß, Muͤllner's Schuld erreichte den Gipfel und andre haben dann dieſe Manier in der Breite weiter um ſich greifen laſſen. Sie reiht ſich unmit¬ telbar an die ſchon geſchilderte Manier Werner's an, nur daß ſie das Schickſal immer ein feindſeliges, raͤ¬ chendes, zerſtoͤrendes ſeyn laͤßt. Es wird aber noͤthig ſeyn, dieſe neue Schickſalstragoͤdie von der alten zu unterſcheiden.
In der antiken Tragoͤdie war das Schickſal, das eiſerne, unerbittliche, wahrhaft erhaben, furchtbar und ſchoͤn, wuͤrdig der Idee, die wir vom unerforſch¬ lichen Verhaͤngniß haben ſollen. Es ſtand als ewige Nothwendigkeit der himmelſtuͤrmenden Freiheit entge¬ gen, und das Maaß ſeiner Erhabenheit lag in der Kraft und Wuͤrde des Helden. Je freier, groͤßer, goͤttlicher der Held, deſto maͤchtiger, tiefer, heiliger die Gewalt, die ihn ſtille ſtehn hieß. Kampf des Helden gegen das Schickſal war die Grundidee des Trauerſpiels und das Schickſal, das freilich an ſich unuͤberwindlich und ewig ſich gleich bleibt, mußte durch die Staͤrke des Widerſtandes und durch den Werth ſeines Opfers eine relative Groͤße erhalten, die einzige, die ihm in der Poeſie zukommt. Im freien Willen, in der Kraft und im innern Werthe des Helden lag alſo das Kriterium der Tragoͤdie.
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Muͤllner bildete nach dem Vorgang Werner's
die Schickſalstragoͤdie zu jener furchtbaren Kar¬
rikatur aus, in welcher ſie gegenwaͤrtig auf allen
Buͤhnen herumpoltert. Werner's Februar gab den
erſten Anſtoß, Muͤllner's Schuld erreichte den Gipfel
und andre haben dann dieſe Manier in der Breite
weiter um ſich greifen laſſen. Sie reiht ſich unmit¬
telbar an die ſchon geſchilderte Manier Werner's an,
nur daß ſie das Schickſal immer ein feindſeliges, raͤ¬
chendes, zerſtoͤrendes ſeyn laͤßt. Es wird aber noͤthig
ſeyn, dieſe neue Schickſalstragoͤdie von der alten zu
unterſcheiden.
In der antiken Tragoͤdie war das Schickſal, das
eiſerne, unerbittliche, wahrhaft erhaben, furchtbar
und ſchoͤn, wuͤrdig der Idee, die wir vom unerforſch¬
lichen Verhaͤngniß haben ſollen. Es ſtand als ewige
Nothwendigkeit der himmelſtuͤrmenden Freiheit entge¬
gen, und das Maaß ſeiner Erhabenheit lag in der
Kraft und Wuͤrde des Helden. Je freier, groͤßer,
goͤttlicher der Held, deſto maͤchtiger, tiefer, heiliger
die Gewalt, die ihn ſtille ſtehn hieß. Kampf des
Helden gegen das Schickſal war die Grundidee des
Trauerſpiels und das Schickſal, das freilich an ſich
unuͤberwindlich und ewig ſich gleich bleibt, mußte
durch die Staͤrke des Widerſtandes und durch den
Werth ſeines Opfers eine relative Groͤße erhalten,
die einzige, die ihm in der Poeſie zukommt. Im
freien Willen, in der Kraft und im innern Werthe
des Helden lag alſo das Kriterium der Tragoͤdie.
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/117>, abgerufen am 25.11.2024.
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