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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828.

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Werner suchte diese Erhebung und Veredlung
dadurch zu bewerkstelligen, daß er die Zaubermächte
oder mystischen Gesellschaften, von denen die Leitung
und Prüfung der Uneingeweihten abhängen sollte,
geradezu in Delegirte Gottes verwandelte, und das
ganze Wunderwesen unter die religiösen Ideen der
Vorsehung und Prädestination brachte. Dieser Mann
besaß poetisches und noch mehr leidenschaftliches Feuer,
aber vielleicht ein zu trocknes Gehirn, denn wer mag
läugnen, daß es ihm ein wenig angebrannt war.
Rettung suchend vor der im Innern ihn verzehren¬
den Gluth warf er sich in jenes Meer von Gnade,
wo dergleichen arme Sünder gewöhnlich den irdischen
Menschen ablegen, um den himmlischen anzuziehn.
In seiner tiefen Zerknirschung galt dem Dichter jetzt
der Wahlspruch der Frommen:

Eigene Gerechtigkeit
Ist vor Gott ein scheußlich Keid!
in seiner ganzen Härte. Er erkannte, daß eigene
That und Tugend eitel sey, daß der Mensch willen¬
los und blind den Schluß des Verhängnisses voll¬
ziehe, daß er zu allem seinem Thun und Leiden prä¬
destinirt sey. Alle seine Gedichte verkündigen diese
Lehre. Seine Helden werden am Gängelbande des
Verhängnisses in das helle Reich von "Azur und
Licht" oder in das Dunkle von "Nacht und Gluth"
geführt. Eine mystische Gesellschaft übernimmt die
irdische Leitung, und man kann darin ein Analogon
der hierarchischen Tribunale nicht verkennen. Jene

Werner ſuchte dieſe Erhebung und Veredlung
dadurch zu bewerkſtelligen, daß er die Zaubermaͤchte
oder myſtiſchen Geſellſchaften, von denen die Leitung
und Pruͤfung der Uneingeweihten abhaͤngen ſollte,
geradezu in Delegirte Gottes verwandelte, und das
ganze Wunderweſen unter die religioͤſen Ideen der
Vorſehung und Praͤdeſtination brachte. Dieſer Mann
beſaß poetiſches und noch mehr leidenſchaftliches Feuer,
aber vielleicht ein zu trocknes Gehirn, denn wer mag
laͤugnen, daß es ihm ein wenig angebrannt war.
Rettung ſuchend vor der im Innern ihn verzehren¬
den Gluth warf er ſich in jenes Meer von Gnade,
wo dergleichen arme Suͤnder gewoͤhnlich den irdiſchen
Menſchen ablegen, um den himmliſchen anzuziehn.
In ſeiner tiefen Zerknirſchung galt dem Dichter jetzt
der Wahlſpruch der Frommen:

Eigene Gerechtigkeit
Iſt vor Gott ein ſcheußlich Keid!
in ſeiner ganzen Haͤrte. Er erkannte, daß eigene
That und Tugend eitel ſey, daß der Menſch willen¬
los und blind den Schluß des Verhaͤngniſſes voll¬
ziehe, daß er zu allem ſeinem Thun und Leiden praͤ¬
deſtinirt ſey. Alle ſeine Gedichte verkuͤndigen dieſe
Lehre. Seine Helden werden am Gaͤngelbande des
Verhaͤngniſſes in das helle Reich von «Azur und
Licht» oder in das Dunkle von «Nacht und Gluth»
gefuͤhrt. Eine myſtiſche Geſellſchaft uͤbernimmt die
irdiſche Leitung, und man kann darin ein Analogon
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[103/0113] Werner ſuchte dieſe Erhebung und Veredlung dadurch zu bewerkſtelligen, daß er die Zaubermaͤchte oder myſtiſchen Geſellſchaften, von denen die Leitung und Pruͤfung der Uneingeweihten abhaͤngen ſollte, geradezu in Delegirte Gottes verwandelte, und das ganze Wunderweſen unter die religioͤſen Ideen der Vorſehung und Praͤdeſtination brachte. Dieſer Mann beſaß poetiſches und noch mehr leidenſchaftliches Feuer, aber vielleicht ein zu trocknes Gehirn, denn wer mag laͤugnen, daß es ihm ein wenig angebrannt war. Rettung ſuchend vor der im Innern ihn verzehren¬ den Gluth warf er ſich in jenes Meer von Gnade, wo dergleichen arme Suͤnder gewoͤhnlich den irdiſchen Menſchen ablegen, um den himmliſchen anzuziehn. In ſeiner tiefen Zerknirſchung galt dem Dichter jetzt der Wahlſpruch der Frommen: Eigene Gerechtigkeit Iſt vor Gott ein ſcheußlich Keid! in ſeiner ganzen Haͤrte. Er erkannte, daß eigene That und Tugend eitel ſey, daß der Menſch willen¬ los und blind den Schluß des Verhaͤngniſſes voll¬ ziehe, daß er zu allem ſeinem Thun und Leiden praͤ¬ deſtinirt ſey. Alle ſeine Gedichte verkuͤndigen dieſe Lehre. Seine Helden werden am Gaͤngelbande des Verhaͤngniſſes in das helle Reich von «Azur und Licht» oder in das Dunkle von «Nacht und Gluth» gefuͤhrt. Eine myſtiſche Geſellſchaft uͤbernimmt die irdiſche Leitung, und man kann darin ein Analogon der hierarchiſchen Tribunale nicht verkennen. Jene

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 2. Stuttgart, 1828, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur02_1828/113>, abgerufen am 26.11.2024.