Bedeutendere Werke des In- und Auslandes, die man ganz zu haben wünscht, erscheinen in wohl¬ feilen, in beispiellos wohlfeilen Ausgaben. Diese neue Erscheinung im Buchhandel ist gewiß von großer Bedeutung. Sie vollendet erst die segensreiche Wirkung, die in der Erfindung der Buchdruckerkunst vorbereitet wurde, denn es ist nicht genug, daß die besten Schriftwerke auf die leichteste Weise verviel¬ fältigt werden können, das Publikum muß auch in den Stand gesetzt werden, sich dieselben auf die leich¬ teste Weise anzuschaffen. Was hilft es den ärmeren Leser, daß vorzügliche Werke vorhanden sind, wenn sie nicht zum Besitz derselben gelangen können? Offen¬ bar gewinnt das Publikum durch die Wohlfeilheit der besten Geistesprodukte, und auch die Buchhänd¬ ler können dabei nur gewinnen. Der einzige Nach¬ theil, den diese wohlfeilen Ausgaben mit sich brin¬ gen, besteht darin, daß nicht immer die besten Werke, sondern auch mitunter die schlechtesten, wenn sie nur Mode sind, dadurch eine schädliche Verbreitung er¬ langen, und daß die Erscheinung guter neuer Werke durch die Menge der ältern erschwert wird. Der Buchhändler sieht bei seinen wohlfeilen Ausgaben an¬ erkannter Werke einen sichern Vortheil voraus, bei neuern Werken aber nur ein Risico, da die Leser und Käufer der lezten sich in dem Maß verringern müssen, als die der erstern sich vermehren. Es steht zu erwarten, daß die wohlfeile Herausgabe der an¬ erkannten Bücher in ein förmliches System gebracht
Bedeutendere Werke des In- und Auslandes, die man ganz zu haben wuͤnſcht, erſcheinen in wohl¬ feilen, in beiſpiellos wohlfeilen Ausgaben. Dieſe neue Erſcheinung im Buchhandel iſt gewiß von großer Bedeutung. Sie vollendet erſt die ſegensreiche Wirkung, die in der Erfindung der Buchdruckerkunſt vorbereitet wurde, denn es iſt nicht genug, daß die beſten Schriftwerke auf die leichteſte Weiſe verviel¬ faͤltigt werden koͤnnen, das Publikum muß auch in den Stand geſetzt werden, ſich dieſelben auf die leich¬ teſte Weiſe anzuſchaffen. Was hilft es den aͤrmeren Leſer, daß vorzuͤgliche Werke vorhanden ſind, wenn ſie nicht zum Beſitz derſelben gelangen koͤnnen? Offen¬ bar gewinnt das Publikum durch die Wohlfeilheit der beſten Geiſtesprodukte, und auch die Buchhaͤnd¬ ler koͤnnen dabei nur gewinnen. Der einzige Nach¬ theil, den dieſe wohlfeilen Ausgaben mit ſich brin¬ gen, beſteht darin, daß nicht immer die beſten Werke, ſondern auch mitunter die ſchlechteſten, wenn ſie nur Mode ſind, dadurch eine ſchaͤdliche Verbreitung er¬ langen, und daß die Erſcheinung guter neuer Werke durch die Menge der aͤltern erſchwert wird. Der Buchhaͤndler ſieht bei ſeinen wohlfeilen Ausgaben an¬ erkannter Werke einen ſichern Vortheil voraus, bei neuern Werken aber nur ein Riſico, da die Leſer und Kaͤufer der lezten ſich in dem Maß verringern muͤſſen, als die der erſtern ſich vermehren. Es ſteht zu erwarten, daß die wohlfeile Herausgabe der an¬ erkannten Buͤcher in ein foͤrmliches Syſtem gebracht
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0084"n="74"/><p>Bedeutendere Werke des In- und Auslandes,<lb/>
die man ganz zu haben wuͤnſcht, erſcheinen in wohl¬<lb/>
feilen, in <hirendition="#g">beiſpiellos wohlfeilen Ausgaben</hi>.<lb/>
Dieſe neue Erſcheinung im Buchhandel iſt gewiß von<lb/>
großer Bedeutung. Sie vollendet erſt die ſegensreiche<lb/>
Wirkung, die in der Erfindung der Buchdruckerkunſt<lb/>
vorbereitet wurde, denn es iſt nicht genug, daß die<lb/>
beſten Schriftwerke auf die leichteſte Weiſe verviel¬<lb/>
faͤltigt werden koͤnnen, das Publikum muß auch in<lb/>
den Stand geſetzt werden, ſich dieſelben auf die leich¬<lb/>
teſte Weiſe anzuſchaffen. Was hilft es den aͤrmeren<lb/>
Leſer, daß vorzuͤgliche Werke vorhanden ſind, wenn<lb/>ſie nicht zum Beſitz derſelben gelangen koͤnnen? Offen¬<lb/>
bar gewinnt das Publikum durch die Wohlfeilheit<lb/>
der beſten Geiſtesprodukte, und auch die Buchhaͤnd¬<lb/>
ler koͤnnen dabei nur gewinnen. Der einzige Nach¬<lb/>
theil, den dieſe wohlfeilen Ausgaben mit ſich brin¬<lb/>
gen, beſteht darin, daß nicht immer die beſten Werke,<lb/>ſondern auch mitunter die ſchlechteſten, wenn ſie nur<lb/>
Mode ſind, dadurch eine ſchaͤdliche Verbreitung er¬<lb/>
langen, und daß die Erſcheinung guter neuer Werke<lb/>
durch die Menge der aͤltern erſchwert wird. Der<lb/>
Buchhaͤndler ſieht bei ſeinen wohlfeilen Ausgaben an¬<lb/>
erkannter Werke einen ſichern Vortheil voraus, bei<lb/>
neuern Werken aber nur ein Riſico, da die Leſer<lb/>
und Kaͤufer der lezten ſich in dem Maß verringern<lb/>
muͤſſen, als die der erſtern ſich vermehren. Es ſteht<lb/>
zu erwarten, daß die wohlfeile Herausgabe der an¬<lb/>
erkannten Buͤcher in ein foͤrmliches Syſtem gebracht<lb/></p></div></body></text></TEI>
[74/0084]
Bedeutendere Werke des In- und Auslandes,
die man ganz zu haben wuͤnſcht, erſcheinen in wohl¬
feilen, in beiſpiellos wohlfeilen Ausgaben.
Dieſe neue Erſcheinung im Buchhandel iſt gewiß von
großer Bedeutung. Sie vollendet erſt die ſegensreiche
Wirkung, die in der Erfindung der Buchdruckerkunſt
vorbereitet wurde, denn es iſt nicht genug, daß die
beſten Schriftwerke auf die leichteſte Weiſe verviel¬
faͤltigt werden koͤnnen, das Publikum muß auch in
den Stand geſetzt werden, ſich dieſelben auf die leich¬
teſte Weiſe anzuſchaffen. Was hilft es den aͤrmeren
Leſer, daß vorzuͤgliche Werke vorhanden ſind, wenn
ſie nicht zum Beſitz derſelben gelangen koͤnnen? Offen¬
bar gewinnt das Publikum durch die Wohlfeilheit
der beſten Geiſtesprodukte, und auch die Buchhaͤnd¬
ler koͤnnen dabei nur gewinnen. Der einzige Nach¬
theil, den dieſe wohlfeilen Ausgaben mit ſich brin¬
gen, beſteht darin, daß nicht immer die beſten Werke,
ſondern auch mitunter die ſchlechteſten, wenn ſie nur
Mode ſind, dadurch eine ſchaͤdliche Verbreitung er¬
langen, und daß die Erſcheinung guter neuer Werke
durch die Menge der aͤltern erſchwert wird. Der
Buchhaͤndler ſieht bei ſeinen wohlfeilen Ausgaben an¬
erkannter Werke einen ſichern Vortheil voraus, bei
neuern Werken aber nur ein Riſico, da die Leſer
und Kaͤufer der lezten ſich in dem Maß verringern
muͤſſen, als die der erſtern ſich vermehren. Es ſteht
zu erwarten, daß die wohlfeile Herausgabe der an¬
erkannten Buͤcher in ein foͤrmliches Syſtem gebracht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/84>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.