eigenen geistigen Produkte oder doch ihrer Bearbei¬ tung fremder zu erzielen, wetteifert wieder das Pu¬ blikum mit beiden, diese popularen Sachen zu kau¬ fen und zu verschlingen. Das Popularmachen geschieht hauptsächlich auf drei Wegen, durch Zeitschriften, wohlfeile Ausgaben und Auszüge oder Handbücher.
Die periodische Literatur ist theils bloßen Anzeigen, theils Auszügen und einzelnen kleinen Gei¬ stesprodukten gewidmet. In beiden Fällen ist Popu¬ larität ihr erstes und letztes Ziel. Alle Zeitschriften sind Wirthshäuser, die nur der Gäste wegen da sind. Der anzeigende und rezensirende Theil derselben hat sich bei der ungeheuern Zunahme der Bücher selbst so unentbehrlich zu machen gewußt, daß er für eine bedeutende Menschenmenge wirklich an die Stelle der Werke selbst tritt. Man liest statt der Bücher nur deren Rezensionen. Mehrere hundert Zeitschriften für alle literarischen Fächer cirkuliren täglich in Deutsch¬ land, werden täglich von Millionen Lesern gelesen; und die Mehrzahl deutscher Leser liest mehr Zeitun¬ gen als selbstständige Werke. Wer nicht ein Gelehr¬ ter von Fach ist, nimmt kaum etwas anders Ge¬ drucktes in die Hand, als auf Museen und in Lese¬ cirkeln die neusten Blätter. So zerblättert sich die deutsche Literatur, indem sie popular wird. Man kann die vielen in jedem Fach jährlich neu erschei¬ nenden Werke nicht alle lesen, aber man will doch wissen was darin steht, also lechzt man nach Rezen¬ sionen und Auszügen.
Deutsche Literatur. I. 4
eigenen geiſtigen Produkte oder doch ihrer Bearbei¬ tung fremder zu erzielen, wetteifert wieder das Pu¬ blikum mit beiden, dieſe popularen Sachen zu kau¬ fen und zu verſchlingen. Das Popularmachen geſchieht hauptſaͤchlich auf drei Wegen, durch Zeitſchriften, wohlfeile Ausgaben und Auszuͤge oder Handbuͤcher.
Die periodiſche Literatur iſt theils bloßen Anzeigen, theils Auszuͤgen und einzelnen kleinen Gei¬ ſtesprodukten gewidmet. In beiden Faͤllen iſt Popu¬ laritaͤt ihr erſtes und letztes Ziel. Alle Zeitſchriften ſind Wirthshaͤuſer, die nur der Gaͤſte wegen da ſind. Der anzeigende und rezenſirende Theil derſelben hat ſich bei der ungeheuern Zunahme der Buͤcher ſelbſt ſo unentbehrlich zu machen gewußt, daß er fuͤr eine bedeutende Menſchenmenge wirklich an die Stelle der Werke ſelbſt tritt. Man liest ſtatt der Buͤcher nur deren Rezenſionen. Mehrere hundert Zeitſchriften fuͤr alle literariſchen Faͤcher cirkuliren taͤglich in Deutſch¬ land, werden taͤglich von Millionen Leſern geleſen; und die Mehrzahl deutſcher Leſer liest mehr Zeitun¬ gen als ſelbſtſtaͤndige Werke. Wer nicht ein Gelehr¬ ter von Fach iſt, nimmt kaum etwas anders Ge¬ drucktes in die Hand, als auf Muſeen und in Leſe¬ cirkeln die neuſten Blaͤtter. So zerblaͤttert ſich die deutſche Literatur, indem ſie popular wird. Man kann die vielen in jedem Fach jaͤhrlich neu erſchei¬ nenden Werke nicht alle leſen, aber man will doch wiſſen was darin ſteht, alſo lechzt man nach Rezen¬ ſionen und Auszuͤgen.
Deutſche Literatur. I. 4
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eigenen geiſtigen Produkte oder doch ihrer Bearbei¬
tung fremder zu erzielen, wetteifert wieder das Pu¬
blikum mit beiden, dieſe popularen Sachen zu kau¬
fen und zu verſchlingen. Das Popularmachen geſchieht
hauptſaͤchlich auf drei Wegen, durch Zeitſchriften,
wohlfeile Ausgaben und Auszuͤge oder Handbuͤcher.
Die periodiſche Literatur iſt theils bloßen
Anzeigen, theils Auszuͤgen und einzelnen kleinen Gei¬
ſtesprodukten gewidmet. In beiden Faͤllen iſt Popu¬
laritaͤt ihr erſtes und letztes Ziel. Alle Zeitſchriften
ſind Wirthshaͤuſer, die nur der Gaͤſte wegen da ſind.
Der anzeigende und rezenſirende Theil derſelben hat
ſich bei der ungeheuern Zunahme der Buͤcher ſelbſt ſo
unentbehrlich zu machen gewußt, daß er fuͤr eine
bedeutende Menſchenmenge wirklich an die Stelle der
Werke ſelbſt tritt. Man liest ſtatt der Buͤcher nur
deren Rezenſionen. Mehrere hundert Zeitſchriften fuͤr
alle literariſchen Faͤcher cirkuliren taͤglich in Deutſch¬
land, werden taͤglich von Millionen Leſern geleſen;
und die Mehrzahl deutſcher Leſer liest mehr Zeitun¬
gen als ſelbſtſtaͤndige Werke. Wer nicht ein Gelehr¬
ter von Fach iſt, nimmt kaum etwas anders Ge¬
drucktes in die Hand, als auf Muſeen und in Leſe¬
cirkeln die neuſten Blaͤtter. So zerblaͤttert ſich die
deutſche Literatur, indem ſie popular wird. Man
kann die vielen in jedem Fach jaͤhrlich neu erſchei¬
nenden Werke nicht alle leſen, aber man will doch
wiſſen was darin ſteht, alſo lechzt man nach Rezen¬
ſionen und Auszuͤgen.
Deutſche Literatur. I. 4
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/83>, abgerufen am 16.02.2025.
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