Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.fürs Volk zu schreiben, während er sich schämen würde, Indem Autoren und Buchhändler unter einander fuͤrs Volk zu ſchreiben, waͤhrend er ſich ſchaͤmen wuͤrde, Indem Autoren und Buchhaͤndler unter einander <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0082" n="72"/> fuͤrs Volk zu ſchreiben, waͤhrend er ſich ſchaͤmen wuͤrde,<lb/> fuͤr die Gelehrten zu ſchreiben. Das Volk haͤlt jeder<lb/> fuͤr gut genug, ein Auditorium abzugeben, und fuͤr<lb/> ſchlecht genug, um ihm auch das Albernſte vorzutra¬<lb/> gen. Nichts erſcheint ſo leicht, als fuͤr das Volk zu<lb/> ſchreiben, denn je weniger man Kunſt anwendet, deſto<lb/> eher wird man verſtanden; je mehr man ſich gehn<lb/> laͤßt, je gemeiner und alltaͤglicher man ſchreibt, deſto<lb/> mehr harmonirt man mit der Maſſe der Leſer. Je<lb/> tiefer man zu der Beſchraͤnktheit, Brutalitaͤt, den Vor¬<lb/> urtheilen und den unwuͤrdigen Neigungen der Menge<lb/> hinabſteigt, deſto mehr ſchmeichelt man ihr, und wird<lb/> von ihr geſchmeichelt. Fuͤr das Volk ſchlecht zu ſchrei¬<lb/> ben, iſt daher den ſchlechten Schriftſtellern leicht und<lb/> erſprießlich, daher es auch bis zum Frevel getrieben<lb/> wird. Fuͤr das Volk aber gut zu ſchreiben, iſt ſicher<lb/> etwas ſehr Schwieriges und darum geſchieht es ſo ſel¬<lb/> ten. Will man die Maſſe beſſern und veredeln, ſo<lb/> laͤuft man Gefahr ihr zu mißfallen. Will man ſie<lb/> uͤber hoͤhere Dinge belehren, ſo iſt es hoͤchſt ſchwie¬<lb/> rig, den rechten Ton zu treffen. Man hat entweder<lb/> zu einſeitig den Gegenſtand vor Augen, und ſpricht<lb/> daruͤber zu gelehrt und unverſtaͤndlich, oder man be¬<lb/> ruͤckſichtigt eben ſo einſeitig die Menge und entweiht<lb/> den Gegenſtand durch einen allzu trivialen, oft bur¬<lb/> lesken Vortrag. Die Schriftſteller fehlen hierin ſo<lb/> oft, als die Prediger.</p><lb/> <p>Indem Autoren und Buchhaͤndler unter einander<lb/> wetteifern, eine moͤglichſt große Popularitaͤt ihrer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0082]
fuͤrs Volk zu ſchreiben, waͤhrend er ſich ſchaͤmen wuͤrde,
fuͤr die Gelehrten zu ſchreiben. Das Volk haͤlt jeder
fuͤr gut genug, ein Auditorium abzugeben, und fuͤr
ſchlecht genug, um ihm auch das Albernſte vorzutra¬
gen. Nichts erſcheint ſo leicht, als fuͤr das Volk zu
ſchreiben, denn je weniger man Kunſt anwendet, deſto
eher wird man verſtanden; je mehr man ſich gehn
laͤßt, je gemeiner und alltaͤglicher man ſchreibt, deſto
mehr harmonirt man mit der Maſſe der Leſer. Je
tiefer man zu der Beſchraͤnktheit, Brutalitaͤt, den Vor¬
urtheilen und den unwuͤrdigen Neigungen der Menge
hinabſteigt, deſto mehr ſchmeichelt man ihr, und wird
von ihr geſchmeichelt. Fuͤr das Volk ſchlecht zu ſchrei¬
ben, iſt daher den ſchlechten Schriftſtellern leicht und
erſprießlich, daher es auch bis zum Frevel getrieben
wird. Fuͤr das Volk aber gut zu ſchreiben, iſt ſicher
etwas ſehr Schwieriges und darum geſchieht es ſo ſel¬
ten. Will man die Maſſe beſſern und veredeln, ſo
laͤuft man Gefahr ihr zu mißfallen. Will man ſie
uͤber hoͤhere Dinge belehren, ſo iſt es hoͤchſt ſchwie¬
rig, den rechten Ton zu treffen. Man hat entweder
zu einſeitig den Gegenſtand vor Augen, und ſpricht
daruͤber zu gelehrt und unverſtaͤndlich, oder man be¬
ruͤckſichtigt eben ſo einſeitig die Menge und entweiht
den Gegenſtand durch einen allzu trivialen, oft bur¬
lesken Vortrag. Die Schriftſteller fehlen hierin ſo
oft, als die Prediger.
Indem Autoren und Buchhaͤndler unter einander
wetteifern, eine moͤglichſt große Popularitaͤt ihrer
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