ein moralisches Mauthsystem einrichten, ja der Sonne selbst gebieten möchten, nur über Deutschland zu leuchten.
Die Cultur ist so gemeinsam, wie das Licht, und ihr segensreicher Einfluß verbreitet sich unter climatischen Modifikationen doch allwärts auf dem Erdenrund. Nirgends sind unübersteigliche Grenzen gezogen. Der Handel verbindet alle Länder und verbreitet die materiellen Produkte derselben. Die Literatur soll auf gleiche Weise die geistigen Schätze der Völker ausstreuen. Jedes Land soll von dem an¬ dern annehmen, was seine Natur verträgt und was ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geist eines Volkes darf verpflanzt werden, was er verträgt und was ihn edler entwickelt.
Wenn es manches gibt, was nur eine Nation besitzen kann, und wodurch sie eben eigenthümlich wird, so gibt es viel höhere Güter, die keinem aus¬ schließlich zukommen, und Eigenthum des gesammten menschlichen Geschlechts sind. Die Erscheinung des Christenthums allein straft den Puristeneifer. Wir müßten eigentlich die ganze Geschichte zurückschrau¬ ben, um uns von fremden Einflüssen zu reinigen, da unsre ganze neuere Bildung auf der romanischen des Mittelalters beruht. Wir müßten nackt in die Wäl¬ der laufen, wenn wir uns von allem dem entkleiden wollten, was wir von Fremden angenommen. Abge¬ sehn aber von dem nothwendigen, in der Natur be¬ gründeten und in der Geschichte uralten, wechselsei¬
ein moraliſches Mauthſyſtem einrichten, ja der Sonne ſelbſt gebieten moͤchten, nur uͤber Deutſchland zu leuchten.
Die Cultur iſt ſo gemeinſam, wie das Licht, und ihr ſegensreicher Einfluß verbreitet ſich unter climatiſchen Modifikationen doch allwaͤrts auf dem Erdenrund. Nirgends ſind unuͤberſteigliche Grenzen gezogen. Der Handel verbindet alle Laͤnder und verbreitet die materiellen Produkte derſelben. Die Literatur ſoll auf gleiche Weiſe die geiſtigen Schaͤtze der Voͤlker ausſtreuen. Jedes Land ſoll von dem an¬ dern annehmen, was ſeine Natur vertraͤgt und was ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geiſt eines Volkes darf verpflanzt werden, was er vertraͤgt und was ihn edler entwickelt.
Wenn es manches gibt, was nur eine Nation beſitzen kann, und wodurch ſie eben eigenthuͤmlich wird, ſo gibt es viel hoͤhere Guͤter, die keinem aus¬ ſchließlich zukommen, und Eigenthum des geſammten menſchlichen Geſchlechts ſind. Die Erſcheinung des Chriſtenthums allein ſtraft den Puriſteneifer. Wir muͤßten eigentlich die ganze Geſchichte zuruͤckſchrau¬ ben, um uns von fremden Einfluͤſſen zu reinigen, da unſre ganze neuere Bildung auf der romaniſchen des Mittelalters beruht. Wir muͤßten nackt in die Waͤl¬ der laufen, wenn wir uns von allem dem entkleiden wollten, was wir von Fremden angenommen. Abge¬ ſehn aber von dem nothwendigen, in der Natur be¬ gruͤndeten und in der Geſchichte uralten, wechſelſei¬
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ein moraliſches Mauthſyſtem einrichten, ja der Sonne
ſelbſt gebieten moͤchten, nur uͤber Deutſchland zu
leuchten.
Die Cultur iſt ſo gemeinſam, wie das Licht,
und ihr ſegensreicher Einfluß verbreitet ſich unter
climatiſchen Modifikationen doch allwaͤrts auf dem
Erdenrund. Nirgends ſind unuͤberſteigliche Grenzen
gezogen. Der Handel verbindet alle Laͤnder und
verbreitet die materiellen Produkte derſelben. Die
Literatur ſoll auf gleiche Weiſe die geiſtigen Schaͤtze
der Voͤlker ausſtreuen. Jedes Land ſoll von dem an¬
dern annehmen, was ſeine Natur vertraͤgt und was
ihm Gedeihen bringt, und auch in den Geiſt eines
Volkes darf verpflanzt werden, was er vertraͤgt und
was ihn edler entwickelt.
Wenn es manches gibt, was nur eine Nation
beſitzen kann, und wodurch ſie eben eigenthuͤmlich
wird, ſo gibt es viel hoͤhere Guͤter, die keinem aus¬
ſchließlich zukommen, und Eigenthum des geſammten
menſchlichen Geſchlechts ſind. Die Erſcheinung des
Chriſtenthums allein ſtraft den Puriſteneifer. Wir
muͤßten eigentlich die ganze Geſchichte zuruͤckſchrau¬
ben, um uns von fremden Einfluͤſſen zu reinigen, da
unſre ganze neuere Bildung auf der romaniſchen des
Mittelalters beruht. Wir muͤßten nackt in die Waͤl¬
der laufen, wenn wir uns von allem dem entkleiden
wollten, was wir von Fremden angenommen. Abge¬
ſehn aber von dem nothwendigen, in der Natur be¬
gruͤndeten und in der Geſchichte uralten, wechſelſei¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/53>, abgerufen am 16.07.2024.
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