Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.selbst und man nennt uns mit Recht Bücherwürmer, Dies ist indeß nur die Schattenseite, über die ſelbſt und man nennt uns mit Recht Buͤcherwuͤrmer, Dies iſt indeß nur die Schattenſeite, uͤber die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0033" n="23"/> ſelbſt und man nennt uns mit Recht Buͤcherwuͤrmer,<lb/> Pedanten.</p><lb/> <p>Dies iſt indeß nur die Schattenſeite, uͤber die<lb/> wir uns allerdings nicht taͤuſchen wollen. Ihr gegen¬<lb/> uͤber behauptet unſer ſinniges literariſches Treiben<lb/> auch eine lichte Seite, die von den Fremden weit<lb/> weniger gewuͤrdigt wird. Wir ſtreben nach allſeiti¬<lb/> ger Bildung des Geiſtes und bringen derſelben nicht<lb/> umſonſt unſre Thatkraft und unſern Nationalſtolz zum<lb/> Opfer. Die Erkenntniſſe, die wir gewinnen, duͤrf¬<lb/> ten dem menſchlichen Geſchlecht leicht heilſamer ſeyn,<lb/> als noch einige ſogenannte große Thaten, und die<lb/> Luſt, von den Fremden zu lernen, duͤrfte uns mehr<lb/> Ehre machen, als ein Sieg uͤber dieſelben. In unſ¬<lb/> rem Nationalcharakter liegt ein ganz eigener Zug zur<lb/> Humanitaͤt. Wir wollen alle menſchlichen Dinge recht<lb/> im Mittelpunkt ergreifen und in der unendlichen Man¬<lb/> nigfaltigkeit des Lebens das Raͤthſel der verborgnen<lb/> Einheit loͤſen. Darum faſſen wir das große Werk<lb/> der Erkenntniß von allen Seiten an; die Natur ver¬<lb/> leiht uns Sinn fuͤr alles und unſer Geiſt ſammelt<lb/> aus der groͤßten Weite die Gegenſtaͤnde ſeiner Wi߬<lb/> begierde und dringt in die innerſte Tiefe aller Myſte¬<lb/> rien der Natur, des Lebens, der Seele. Es gibt<lb/> keine Nation von ſo univerſellem Geiſt als die deut¬<lb/> ſche, und was dem Individuum nicht gelingt, wird<lb/> in der Mannigfaltigkeit derſelben erreicht. An die<lb/> Maſſe ſind die zahlreichen Organe vertheilt, durch<lb/> welche die Erkenntniß allen vermittelt wird.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [23/0033]
ſelbſt und man nennt uns mit Recht Buͤcherwuͤrmer,
Pedanten.
Dies iſt indeß nur die Schattenſeite, uͤber die
wir uns allerdings nicht taͤuſchen wollen. Ihr gegen¬
uͤber behauptet unſer ſinniges literariſches Treiben
auch eine lichte Seite, die von den Fremden weit
weniger gewuͤrdigt wird. Wir ſtreben nach allſeiti¬
ger Bildung des Geiſtes und bringen derſelben nicht
umſonſt unſre Thatkraft und unſern Nationalſtolz zum
Opfer. Die Erkenntniſſe, die wir gewinnen, duͤrf¬
ten dem menſchlichen Geſchlecht leicht heilſamer ſeyn,
als noch einige ſogenannte große Thaten, und die
Luſt, von den Fremden zu lernen, duͤrfte uns mehr
Ehre machen, als ein Sieg uͤber dieſelben. In unſ¬
rem Nationalcharakter liegt ein ganz eigener Zug zur
Humanitaͤt. Wir wollen alle menſchlichen Dinge recht
im Mittelpunkt ergreifen und in der unendlichen Man¬
nigfaltigkeit des Lebens das Raͤthſel der verborgnen
Einheit loͤſen. Darum faſſen wir das große Werk
der Erkenntniß von allen Seiten an; die Natur ver¬
leiht uns Sinn fuͤr alles und unſer Geiſt ſammelt
aus der groͤßten Weite die Gegenſtaͤnde ſeiner Wi߬
begierde und dringt in die innerſte Tiefe aller Myſte¬
rien der Natur, des Lebens, der Seele. Es gibt
keine Nation von ſo univerſellem Geiſt als die deut¬
ſche, und was dem Individuum nicht gelingt, wird
in der Mannigfaltigkeit derſelben erreicht. An die
Maſſe ſind die zahlreichen Organe vertheilt, durch
welche die Erkenntniß allen vermittelt wird.
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