werde Deutschland befreien, weil sie Sprünge machte. Jetzt darf sie nicht springen, weil sie Deutschland befreien könnte. Es ist aber doch in der That zu verwundern, daß man die Karrikatur von der Sache nicht getrennt, jene vernichtet und diese gerettet hat. Ohne Gymnastik wird die Erziehung ewig unvollkom¬ men bleiben.
Hat man genug über die Gegenstände des Un¬ terrichts gestritten, so ist es zugleich nöthig gewor¬ den, die Mittel und Methoden desselben näher ins Auge zu fassen. Je mehr die Gegenstände verviel¬ fältigt wurden, desto mehr mußten die Mittel ver¬ einfacht werden. Man sah endlich ein, daß der intel¬ lectuelle Unterricht durch eine umfassende Zucht der Jugend unterstützt werden müsse, und dies führte so¬ gar zu der Frage: ob die Erziehung ein Mittel für den Unterricht, oder nicht vielmehr der Unterricht bloßes Mittel für die Erziehung des ganzen Men schen seyn solle? Das alte Herkommen in den Schu¬ len widersetzte sich den neuen Ansichten, dagegen ent¬ stunden zahlreiche Privatinstitute, die Schauplätze für alle möglichen pädagogischen Experimente. Man wollte Menschen bilden und der Naturstand der Kinder schien diesem Bestreben kein Hinderniß in den Weg legen zu können. Ihrem weichen Wachs glaubte man alles einprägen zu können, und man hoffte bereits auf die Ideale, die aus den Philanthropien hervor¬ gehn sollten. Aber man vergaß, daß die Erziehung in Harmonie mit dem gesammten Zustand des Volks
werde Deutſchland befreien, weil ſie Spruͤnge machte. Jetzt darf ſie nicht ſpringen, weil ſie Deutſchland befreien koͤnnte. Es iſt aber doch in der That zu verwundern, daß man die Karrikatur von der Sache nicht getrennt, jene vernichtet und dieſe gerettet hat. Ohne Gymnaſtik wird die Erziehung ewig unvollkom¬ men bleiben.
Hat man genug uͤber die Gegenſtaͤnde des Un¬ terrichts geſtritten, ſo iſt es zugleich noͤthig gewor¬ den, die Mittel und Methoden deſſelben naͤher ins Auge zu faſſen. Je mehr die Gegenſtaͤnde verviel¬ faͤltigt wurden, deſto mehr mußten die Mittel ver¬ einfacht werden. Man ſah endlich ein, daß der intel¬ lectuelle Unterricht durch eine umfaſſende Zucht der Jugend unterſtuͤtzt werden muͤſſe, und dies fuͤhrte ſo¬ gar zu der Frage: ob die Erziehung ein Mittel fuͤr den Unterricht, oder nicht vielmehr der Unterricht bloßes Mittel fuͤr die Erziehung des ganzen Men ſchen ſeyn ſolle? Das alte Herkommen in den Schu¬ len widerſetzte ſich den neuen Anſichten, dagegen ent¬ ſtunden zahlreiche Privatinſtitute, die Schauplaͤtze fuͤr alle moͤglichen paͤdagogiſchen Experimente. Man wollte Menſchen bilden und der Naturſtand der Kinder ſchien dieſem Beſtreben kein Hinderniß in den Weg legen zu koͤnnen. Ihrem weichen Wachs glaubte man alles einpraͤgen zu koͤnnen, und man hoffte bereits auf die Ideale, die aus den Philanthropien hervor¬ gehn ſollten. Aber man vergaß, daß die Erziehung in Harmonie mit dem geſammten Zuſtand des Volks
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werde Deutſchland befreien, weil ſie Spruͤnge machte.
Jetzt darf ſie nicht ſpringen, weil ſie Deutſchland
befreien koͤnnte. Es iſt aber doch in der That zu
verwundern, daß man die Karrikatur von der Sache
nicht getrennt, jene vernichtet und dieſe gerettet hat.
Ohne Gymnaſtik wird die Erziehung ewig unvollkom¬
men bleiben.
Hat man genug uͤber die Gegenſtaͤnde des Un¬
terrichts geſtritten, ſo iſt es zugleich noͤthig gewor¬
den, die Mittel und Methoden deſſelben naͤher ins
Auge zu faſſen. Je mehr die Gegenſtaͤnde verviel¬
faͤltigt wurden, deſto mehr mußten die Mittel ver¬
einfacht werden. Man ſah endlich ein, daß der intel¬
lectuelle Unterricht durch eine umfaſſende Zucht der
Jugend unterſtuͤtzt werden muͤſſe, und dies fuͤhrte ſo¬
gar zu der Frage: ob die Erziehung ein Mittel fuͤr
den Unterricht, oder nicht vielmehr der Unterricht
bloßes Mittel fuͤr die Erziehung des ganzen Men
ſchen ſeyn ſolle? Das alte Herkommen in den Schu¬
len widerſetzte ſich den neuen Anſichten, dagegen ent¬
ſtunden zahlreiche Privatinſtitute, die Schauplaͤtze fuͤr
alle moͤglichen paͤdagogiſchen Experimente. Man wollte
Menſchen bilden und der Naturſtand der Kinder
ſchien dieſem Beſtreben kein Hinderniß in den Weg
legen zu koͤnnen. Ihrem weichen Wachs glaubte man
alles einpraͤgen zu koͤnnen, und man hoffte bereits
auf die Ideale, die aus den Philanthropien hervor¬
gehn ſollten. Aber man vergaß, daß die Erziehung
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/279>, abgerufen am 17.02.2025.
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