Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.bung festhalten will. Dennoch ist dieser Zustand ge¬ Mit der Vielwisserei ist aber ein noch weit är¬ Man trübt den Kindern ihren unschuldigen Glau¬ bung feſthalten will. Dennoch iſt dieſer Zuſtand ge¬ Mit der Vielwiſſerei iſt aber ein noch weit aͤr¬ Man truͤbt den Kindern ihren unſchuldigen Glau¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276" n="266"/> bung feſthalten will. Dennoch iſt dieſer Zuſtand ge¬<lb/> waltſam und muß in einer Erſchlaffung endigen. Man<lb/> ſtopft allzuviel in die Jugend hinein und darf ſich<lb/> nicht wundern, wenn es nicht verdaut wird, wenn<lb/> endlich das Übermaaß zur Maͤßigkeit zuruͤckfuͤhren muß.<lb/> Die Erfahrung hat uns bereits gelehrt, daß eine<lb/> Durchdringung ſo unermeßlicher Welten des Wiſſens<lb/> die Kraft des zarten Alters uͤberſteigt, leider aber<lb/> haͤlt die Eitelkeit den Univerſalismus noch feſt, in¬<lb/> dem ſie zufrieden iſt, die Jugend wenigſtens alles<lb/> moͤgliche von der Oberflaͤche weg ſchoͤpfen und damit<lb/> in der Converſation glaͤnzen zu laſſen.</p><lb/> <p>Mit der Vielwiſſerei iſt aber ein noch weit aͤr¬<lb/> geres Übel gepaart, die zu fruͤhe und falſche Aufklaͤ¬<lb/> rung, die Altklugheit der Jugend. Man hat ſich<lb/> beeilt, ſo fruͤh als moͤglich den ſogenannten Aber¬<lb/> glauben in den Gemuͤthern der Kinder auszurotten<lb/> und die ſogenannte geſunde Vernunft an deſſen Stelle<lb/> zu ſetzen; dies an ſich loͤbliche Beſtreben hat aber zu<lb/> unſinnigen Übertreibungen gefuͤhrt. Um den Verſtand<lb/> zu retten, laͤßt man das Herz untergehn.</p><lb/> <p>Man truͤbt den Kindern ihren unſchuldigen Glau¬<lb/> ben und entreißt ihnen die goldnen Spiele der Phan¬<lb/> taſie, um ſie vor der Zeit klug zu machen. Man<lb/> moraliſirt, katechiſirt und ſokratiſirt mit ihnen von<lb/> ſittlichen, religioͤſen und Denk-Begriffen, die den<lb/> Zauberkreis ihrer Unſchuld zerſtoͤren, ohne ihnen da¬<lb/> fuͤr ein hoͤheres Gut zu gewaͤhren. Die Liebe, die<lb/> ſie von Natur haben, wird durch Kritik uͤber Ältern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [266/0276]
bung feſthalten will. Dennoch iſt dieſer Zuſtand ge¬
waltſam und muß in einer Erſchlaffung endigen. Man
ſtopft allzuviel in die Jugend hinein und darf ſich
nicht wundern, wenn es nicht verdaut wird, wenn
endlich das Übermaaß zur Maͤßigkeit zuruͤckfuͤhren muß.
Die Erfahrung hat uns bereits gelehrt, daß eine
Durchdringung ſo unermeßlicher Welten des Wiſſens
die Kraft des zarten Alters uͤberſteigt, leider aber
haͤlt die Eitelkeit den Univerſalismus noch feſt, in¬
dem ſie zufrieden iſt, die Jugend wenigſtens alles
moͤgliche von der Oberflaͤche weg ſchoͤpfen und damit
in der Converſation glaͤnzen zu laſſen.
Mit der Vielwiſſerei iſt aber ein noch weit aͤr¬
geres Übel gepaart, die zu fruͤhe und falſche Aufklaͤ¬
rung, die Altklugheit der Jugend. Man hat ſich
beeilt, ſo fruͤh als moͤglich den ſogenannten Aber¬
glauben in den Gemuͤthern der Kinder auszurotten
und die ſogenannte geſunde Vernunft an deſſen Stelle
zu ſetzen; dies an ſich loͤbliche Beſtreben hat aber zu
unſinnigen Übertreibungen gefuͤhrt. Um den Verſtand
zu retten, laͤßt man das Herz untergehn.
Man truͤbt den Kindern ihren unſchuldigen Glau¬
ben und entreißt ihnen die goldnen Spiele der Phan¬
taſie, um ſie vor der Zeit klug zu machen. Man
moraliſirt, katechiſirt und ſokratiſirt mit ihnen von
ſittlichen, religioͤſen und Denk-Begriffen, die den
Zauberkreis ihrer Unſchuld zerſtoͤren, ohne ihnen da¬
fuͤr ein hoͤheres Gut zu gewaͤhren. Die Liebe, die
ſie von Natur haben, wird durch Kritik uͤber Ältern
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