Werken bisher mehr angestaunt als begriffen haben. Er fügte noch den zweiten Satz hinzu, "Gott will nur Götter" und die Welt schien ihm nichts gerin¬ geres als eine Republik von Göttern. Wir müssen wenigstens gestehn, daß Novalis im Sinn dieses Philosophems sich wirklich als ein, wenn auch nur poetischer, Gott und König des Weltalls betrachtet, und umfassender als je ein Dichter vor ihm die ganze Welt zur Scene und zum Gegenstand seines Gedich¬ tes gemacht hat.
Schelling's Philosophie hat der neuen ästhetisch¬ romantischen Richtung entsprochen. Die Romantik ist die Vorhalle der Mystik. Das Mittelalter war romantisch, weil seine Religion mystisch war, und wir kehren zur Romantik zurück, weil wir mystischer Ideen wieder fähig werden. Schelling's und Görres mystische Philosophie, darin Religion und Poesie mit der Philosophie identificirt werden, mußte denen entgegen kommen, die vom Standpunkt der Kunst aus zur Romantik gelangt waren. Die Kunst wird romantisch, wenn sie religiös wird, es ist aber ihr Ziel, religiös zu werden. Künstler und Dichter, un¬ ter den letztern vorzüglich Tieck, die Brüder Schle¬ gel, Arnim, Brentano bildeten in Verbindung mit jenen Philosophen eine neue Schule des Mittelalters. Sie stehn wunderbar fremd in dieser Zeit. Der Verstand versteht sie nicht, doch mächtig hat ihre Poesie auf die Herzen gewirkt, und vergebens käm¬ pften einige Altmeister gegen den unermeßlichen Ein¬
Werken bisher mehr angeſtaunt als begriffen haben. Er fuͤgte noch den zweiten Satz hinzu, «Gott will nur Goͤtter» und die Welt ſchien ihm nichts gerin¬ geres als eine Republik von Goͤttern. Wir muͤſſen wenigſtens geſtehn, daß Novalis im Sinn dieſes Philoſophems ſich wirklich als ein, wenn auch nur poetiſcher, Gott und Koͤnig des Weltalls betrachtet, und umfaſſender als je ein Dichter vor ihm die ganze Welt zur Scene und zum Gegenſtand ſeines Gedich¬ tes gemacht hat.
Schelling's Philoſophie hat der neuen aͤſthetiſch¬ romantiſchen Richtung entſprochen. Die Romantik iſt die Vorhalle der Myſtik. Das Mittelalter war romantiſch, weil ſeine Religion myſtiſch war, und wir kehren zur Romantik zuruͤck, weil wir myſtiſcher Ideen wieder faͤhig werden. Schelling's und Goͤrres myſtiſche Philoſophie, darin Religion und Poeſie mit der Philoſophie identificirt werden, mußte denen entgegen kommen, die vom Standpunkt der Kunſt aus zur Romantik gelangt waren. Die Kunſt wird romantiſch, wenn ſie religioͤs wird, es iſt aber ihr Ziel, religioͤs zu werden. Kuͤnſtler und Dichter, un¬ ter den letztern vorzuͤglich Tieck, die Bruͤder Schle¬ gel, Arnim, Brentano bildeten in Verbindung mit jenen Philoſophen eine neue Schule des Mittelalters. Sie ſtehn wunderbar fremd in dieſer Zeit. Der Verſtand verſteht ſie nicht, doch maͤchtig hat ihre Poeſie auf die Herzen gewirkt, und vergebens kaͤm¬ pften einige Altmeiſter gegen den unermeßlichen Ein¬
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Werken bisher mehr angeſtaunt als begriffen haben.
Er fuͤgte noch den zweiten Satz hinzu, «Gott will
nur Goͤtter» und die Welt ſchien ihm nichts gerin¬
geres als eine Republik von Goͤttern. Wir muͤſſen
wenigſtens geſtehn, daß Novalis im Sinn dieſes
Philoſophems ſich wirklich als ein, wenn auch nur
poetiſcher, Gott und Koͤnig des Weltalls betrachtet,
und umfaſſender als je ein Dichter vor ihm die ganze
Welt zur Scene und zum Gegenſtand ſeines Gedich¬
tes gemacht hat.
Schelling's Philoſophie hat der neuen aͤſthetiſch¬
romantiſchen Richtung entſprochen. Die Romantik
iſt die Vorhalle der Myſtik. Das Mittelalter war
romantiſch, weil ſeine Religion myſtiſch war, und
wir kehren zur Romantik zuruͤck, weil wir myſtiſcher
Ideen wieder faͤhig werden. Schelling's und Goͤrres
myſtiſche Philoſophie, darin Religion und Poeſie
mit der Philoſophie identificirt werden, mußte denen
entgegen kommen, die vom Standpunkt der Kunſt
aus zur Romantik gelangt waren. Die Kunſt wird
romantiſch, wenn ſie religioͤs wird, es iſt aber ihr
Ziel, religioͤs zu werden. Kuͤnſtler und Dichter, un¬
ter den letztern vorzuͤglich Tieck, die Bruͤder Schle¬
gel, Arnim, Brentano bildeten in Verbindung mit
jenen Philoſophen eine neue Schule des Mittelalters.
Sie ſtehn wunderbar fremd in dieſer Zeit. Der
Verſtand verſteht ſie nicht, doch maͤchtig hat ihre
Poeſie auf die Herzen gewirkt, und vergebens kaͤm¬
pften einige Altmeiſter gegen den unermeßlichen Ein¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/196>, abgerufen am 16.07.2024.
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