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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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gebornen Geschlecht entbehrlich machen. Sein Grund¬
satz: nur das sey, was der Mensch thue, und nur
das verdiene zu seyn, wozu er sich durch die Kraft
des Willens zwinge, und nur das könne der Mensch
wollen, was seinem freien Ich gezieme, Ehre für
sich, Gerechtigkeit für alle! blitzt wie das Flammen¬
schwert eines Engels in das durch Mattigkeit, Sinn¬
lichkeit und Lüge entwürdigte Paradies des Men¬
schenlebens. Ist in Fichte's Princip ein philosophi¬
scher Irrthum, so ist die Anwendung doch die wahrste
und beste. Der Irrthum liegt nur in der Ausschlie߬
lichkeit des Princips, nicht in dessen Folgerungen.
Wie nur aus dem Fichteschen Princip der höchsten
Willensfreiheit die würdigste Moral gefolgert werden
kann, so wird jede beste Moral wieder bis zu Fichte's
Princip aufsteigen müssen. Eine höhere Philosophie
vermag aber das Princip der Willensfreiheit mit dem
der Nothwendigkeit zu vermitteln. Im Gegensatz ge¬
gen Fichte war Schelling wieder vielseitig, wie Kant,
und nur seine Schüler haben die verschiedenen Sei¬
ten vorzugsweise glänzend ins Licht gesetzt. Das re¬
ligiöse Element ist hauptsächlich von Görres und
Steffens ausgebildet worden, mystisch von jenem,
pietistisch von diesem. Im ethischen Gebiet glänzt
Görres vor allen, und ihm verdanken wir auch die
erste Organologie des politisch-historischen Lebens.
Die meisten Schüler Schelling's werfen sich mit über¬
wiegender Vorliebe in die Naturkunde. Die tiefsten
Ahnungen über das kosmische und organische Leben

gebornen Geſchlecht entbehrlich machen. Sein Grund¬
ſatz: nur das ſey, was der Menſch thue, und nur
das verdiene zu ſeyn, wozu er ſich durch die Kraft
des Willens zwinge, und nur das koͤnne der Menſch
wollen, was ſeinem freien Ich gezieme, Ehre fuͤr
ſich, Gerechtigkeit fuͤr alle! blitzt wie das Flammen¬
ſchwert eines Engels in das durch Mattigkeit, Sinn¬
lichkeit und Luͤge entwuͤrdigte Paradies des Men¬
ſchenlebens. Iſt in Fichte's Princip ein philoſophi¬
ſcher Irrthum, ſo iſt die Anwendung doch die wahrſte
und beſte. Der Irrthum liegt nur in der Ausſchlie߬
lichkeit des Princips, nicht in deſſen Folgerungen.
Wie nur aus dem Fichteſchen Princip der hoͤchſten
Willensfreiheit die wuͤrdigſte Moral gefolgert werden
kann, ſo wird jede beſte Moral wieder bis zu Fichte's
Princip aufſteigen muͤſſen. Eine hoͤhere Philoſophie
vermag aber das Princip der Willensfreiheit mit dem
der Nothwendigkeit zu vermitteln. Im Gegenſatz ge¬
gen Fichte war Schelling wieder vielſeitig, wie Kant,
und nur ſeine Schuͤler haben die verſchiedenen Sei¬
ten vorzugsweiſe glaͤnzend ins Licht geſetzt. Das re¬
ligioͤſe Element iſt hauptſaͤchlich von Goͤrres und
Steffens ausgebildet worden, myſtiſch von jenem,
pietiſtiſch von dieſem. Im ethiſchen Gebiet glaͤnzt
Goͤrres vor allen, und ihm verdanken wir auch die
erſte Organologie des politiſch-hiſtoriſchen Lebens.
Die meiſten Schuͤler Schelling's werfen ſich mit uͤber¬
wiegender Vorliebe in die Naturkunde. Die tiefſten
Ahnungen uͤber das kosmiſche und organiſche Leben

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[170/0180] gebornen Geſchlecht entbehrlich machen. Sein Grund¬ ſatz: nur das ſey, was der Menſch thue, und nur das verdiene zu ſeyn, wozu er ſich durch die Kraft des Willens zwinge, und nur das koͤnne der Menſch wollen, was ſeinem freien Ich gezieme, Ehre fuͤr ſich, Gerechtigkeit fuͤr alle! blitzt wie das Flammen¬ ſchwert eines Engels in das durch Mattigkeit, Sinn¬ lichkeit und Luͤge entwuͤrdigte Paradies des Men¬ ſchenlebens. Iſt in Fichte's Princip ein philoſophi¬ ſcher Irrthum, ſo iſt die Anwendung doch die wahrſte und beſte. Der Irrthum liegt nur in der Ausſchlie߬ lichkeit des Princips, nicht in deſſen Folgerungen. Wie nur aus dem Fichteſchen Princip der hoͤchſten Willensfreiheit die wuͤrdigſte Moral gefolgert werden kann, ſo wird jede beſte Moral wieder bis zu Fichte's Princip aufſteigen muͤſſen. Eine hoͤhere Philoſophie vermag aber das Princip der Willensfreiheit mit dem der Nothwendigkeit zu vermitteln. Im Gegenſatz ge¬ gen Fichte war Schelling wieder vielſeitig, wie Kant, und nur ſeine Schuͤler haben die verſchiedenen Sei¬ ten vorzugsweiſe glaͤnzend ins Licht geſetzt. Das re¬ ligioͤſe Element iſt hauptſaͤchlich von Goͤrres und Steffens ausgebildet worden, myſtiſch von jenem, pietiſtiſch von dieſem. Im ethiſchen Gebiet glaͤnzt Goͤrres vor allen, und ihm verdanken wir auch die erſte Organologie des politiſch-hiſtoriſchen Lebens. Die meiſten Schuͤler Schelling's werfen ſich mit uͤber¬ wiegender Vorliebe in die Naturkunde. Die tiefſten Ahnungen uͤber das kosmiſche und organiſche Leben

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/180>, abgerufen am 23.11.2024.