ten und Gedichten das Wort, ohne sich äußerlich von der Kirche zu trennen. Es gibt ganze Gegen¬ den, wo dieser Ton der herrschende geworden ist. Während diese Geistlichen den Gefühlsglauben mit dem Wortglauben der Orthodoxie zu versöhnen trach¬ ten, bestreben sich andere mehr philosophisch diesen Glauben auch mit dem Verstande zu versöhnen, ihn der aufgeklärten Denkweise des Jahrhunderts zu ver¬ mitteln. So versucht Schleiermacher's verständige Be¬ geisterung durch eine wunderbare Zurüstung von lo¬ gischen Formeln gleichsam optisch, wie durch Brenn¬ spiegel, das heilige Feuer der platonisch-christlich-pie¬ tistischen Liebe in den Herzen zu entzünden. So sehn wir den genialen Steffens die ganze Naturphiloso¬ phie auf ein pietistisches Resultat hinaus führen, und alle Crystallisationen des Wissens gleichsam che¬ misch auflösen in das Fluidum des Gefühls. Man hat ihn und einige andere daher Apostaten des Wis¬ sens und Neophyten des Glaubens genannt, und mit Recht dieser Wendung der Philosophie eine große Bedeutung für die Zeit zuerkannt. Zuletzt ist auch ein Katholik aufgetreten und hat die erste Bahn zu einer Versöhnung des Pietismus mit dem Katholicismus gebrochen. Schon Friedrich Schlegel behauptet mit Recht, daß gerade in der Mystik und Theosophie, die sich von der Kirche losgerissen, die bedeutendste Reaction gegen dieselbe vorbereitet werde, und Franz Baader hat es versucht, diese Behauptung durch Kri¬ tik einiger Mystiker und Pietisten, namentlich des
ten und Gedichten das Wort, ohne ſich aͤußerlich von der Kirche zu trennen. Es gibt ganze Gegen¬ den‚ wo dieſer Ton der herrſchende geworden iſt. Waͤhrend dieſe Geiſtlichen den Gefuͤhlsglauben mit dem Wortglauben der Orthodoxie zu verſoͤhnen trach¬ ten, beſtreben ſich andere mehr philoſophiſch dieſen Glauben auch mit dem Verſtande zu verſoͤhnen, ihn der aufgeklaͤrten Denkweiſe des Jahrhunderts zu ver¬ mitteln. So verſucht Schleiermacher's verſtaͤndige Be¬ geiſterung durch eine wunderbare Zuruͤſtung von lo¬ giſchen Formeln gleichſam optiſch, wie durch Brenn¬ ſpiegel, das heilige Feuer der platoniſch-chriſtlich-pie¬ tiſtiſchen Liebe in den Herzen zu entzuͤnden. So ſehn wir den genialen Steffens die ganze Naturphiloſo¬ phie auf ein pietiſtiſches Reſultat hinaus fuͤhren, und alle Cryſtalliſationen des Wiſſens gleichſam che¬ miſch aufloͤſen in das Fluidum des Gefuͤhls. Man hat ihn und einige andere daher Apoſtaten des Wiſ¬ ſens und Neophyten des Glaubens genannt, und mit Recht dieſer Wendung der Philoſophie eine große Bedeutung fuͤr die Zeit zuerkannt. Zuletzt iſt auch ein Katholik aufgetreten und hat die erſte Bahn zu einer Verſoͤhnung des Pietismus mit dem Katholicismus gebrochen. Schon Friedrich Schlegel behauptet mit Recht, daß gerade in der Myſtik und Theoſophie, die ſich von der Kirche losgeriſſen, die bedeutendſte Reaction gegen dieſelbe vorbereitet werde, und Franz Baader hat es verſucht, dieſe Behauptung durch Kri¬ tik einiger Myſtiker und Pietiſten, namentlich des
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ten und Gedichten das Wort, ohne ſich aͤußerlich
von der Kirche zu trennen. Es gibt ganze Gegen¬
den‚ wo dieſer Ton der herrſchende geworden iſt.
Waͤhrend dieſe Geiſtlichen den Gefuͤhlsglauben mit
dem Wortglauben der Orthodoxie zu verſoͤhnen trach¬
ten, beſtreben ſich andere mehr philoſophiſch dieſen
Glauben auch mit dem Verſtande zu verſoͤhnen, ihn
der aufgeklaͤrten Denkweiſe des Jahrhunderts zu ver¬
mitteln. So verſucht Schleiermacher's verſtaͤndige Be¬
geiſterung durch eine wunderbare Zuruͤſtung von lo¬
giſchen Formeln gleichſam optiſch, wie durch Brenn¬
ſpiegel, das heilige Feuer der platoniſch-chriſtlich-pie¬
tiſtiſchen Liebe in den Herzen zu entzuͤnden. So ſehn
wir den genialen Steffens die ganze Naturphiloſo¬
phie auf ein pietiſtiſches Reſultat hinaus fuͤhren,
und alle Cryſtalliſationen des Wiſſens gleichſam che¬
miſch aufloͤſen in das Fluidum des Gefuͤhls. Man
hat ihn und einige andere daher Apoſtaten des Wiſ¬
ſens und Neophyten des Glaubens genannt, und mit
Recht dieſer Wendung der Philoſophie eine große
Bedeutung fuͤr die Zeit zuerkannt. Zuletzt iſt auch ein
Katholik aufgetreten und hat die erſte Bahn zu einer
Verſoͤhnung des Pietismus mit dem Katholicismus
gebrochen. Schon Friedrich Schlegel behauptet mit
Recht, daß gerade in der Myſtik und Theoſophie,
die ſich von der Kirche losgeriſſen, die bedeutendſte
Reaction gegen dieſelbe vorbereitet werde, und Franz
Baader hat es verſucht, dieſe Behauptung durch Kri¬
tik einiger Myſtiker und Pietiſten, namentlich des
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/165>, abgerufen am 23.11.2024.
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