Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.unter dem Namen einer büßenden Magdalena nur die Eine große Zahl von Pietisten sucht diesem Welt¬ Alle diese Verirrungen hindern indeß nicht, daß unter dem Namen einer buͤßenden Magdalena nur die Eine große Zahl von Pietiſten ſucht dieſem Welt¬ Alle dieſe Verirrungen hindern indeß nicht, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0162" n="152"/> unter dem Namen einer buͤßenden Magdalena nur die<lb/> ſuͤndige ſpielen wollen. Alle dieſe Mißbraͤuche ſind<lb/> indeß nicht dem Pietismus an ſich, ſondern der Stel¬<lb/> lung zuzuſchreiben, in welcher er ſich jetzt noch be¬<lb/> findet. Der Weltgeiſt‚ dem der Pietismus noch erliegt,<lb/> treibt auf ſolche Weiſe Hohn und Spott mit ihm.</p><lb/> <p>Eine große Zahl von Pietiſten ſucht dieſem Welt¬<lb/> geiſt dadurch zu entfliehn, daß ſie ſich von allem Ir¬<lb/> diſchen ſo weit als moͤglich zuruͤckziehn und nicht<lb/> einmal mehr denken wollen. Dies iſt der Quietismus<lb/> im Pietismus, ſein Extrem, die einſeitigſte Verir¬<lb/> rung‚ deren er faͤhig iſt. Zu dieſem Quietismus ſind<lb/> die niedern Klaſſen am geneigteſten, weil der Stolz<lb/> und Hochmuth der Unwiſſenheit denen am leichteſten<lb/> wird, die wirklich unwiſſend ſind. Auch die ganz ab¬<lb/> geſchwaͤchten Vornehmen ſuchen den Quietismus, um<lb/> ſelbſt in der aͤußerſten Impotenz noch eine Wolluſt<lb/> zu finden.</p><lb/> <p>Alle dieſe Verirrungen hindern indeß nicht, daß<lb/> der Pietismus ſich immer weiter verbreitet und in<lb/> der Achtung ſelbſt der Gelehrten immer mehr ſteigt.<lb/> Als Religion des Gemuͤthes iſt er ein unentbehrliches<lb/> Beduͤrfniß aller derer geworden, denen der Wort-<lb/> und Denkglauben der Proteſtanten nicht mehr genuͤ¬<lb/> gen konnte. Er hat ſich ihnen nicht aufgedraͤngt, ſie<lb/> haben ihn ſelbſt geſucht. Alles wird eher durch Zwang,<lb/> Gewohnheit und Überredung begruͤndet und erhalten,<lb/> als der Pietismus. Wer ſich zu ihm wendet, ſieht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [152/0162]
unter dem Namen einer buͤßenden Magdalena nur die
ſuͤndige ſpielen wollen. Alle dieſe Mißbraͤuche ſind
indeß nicht dem Pietismus an ſich, ſondern der Stel¬
lung zuzuſchreiben, in welcher er ſich jetzt noch be¬
findet. Der Weltgeiſt‚ dem der Pietismus noch erliegt,
treibt auf ſolche Weiſe Hohn und Spott mit ihm.
Eine große Zahl von Pietiſten ſucht dieſem Welt¬
geiſt dadurch zu entfliehn, daß ſie ſich von allem Ir¬
diſchen ſo weit als moͤglich zuruͤckziehn und nicht
einmal mehr denken wollen. Dies iſt der Quietismus
im Pietismus, ſein Extrem, die einſeitigſte Verir¬
rung‚ deren er faͤhig iſt. Zu dieſem Quietismus ſind
die niedern Klaſſen am geneigteſten, weil der Stolz
und Hochmuth der Unwiſſenheit denen am leichteſten
wird, die wirklich unwiſſend ſind. Auch die ganz ab¬
geſchwaͤchten Vornehmen ſuchen den Quietismus, um
ſelbſt in der aͤußerſten Impotenz noch eine Wolluſt
zu finden.
Alle dieſe Verirrungen hindern indeß nicht, daß
der Pietismus ſich immer weiter verbreitet und in
der Achtung ſelbſt der Gelehrten immer mehr ſteigt.
Als Religion des Gemuͤthes iſt er ein unentbehrliches
Beduͤrfniß aller derer geworden, denen der Wort-
und Denkglauben der Proteſtanten nicht mehr genuͤ¬
gen konnte. Er hat ſich ihnen nicht aufgedraͤngt, ſie
haben ihn ſelbſt geſucht. Alles wird eher durch Zwang,
Gewohnheit und Überredung begruͤndet und erhalten,
als der Pietismus. Wer ſich zu ihm wendet, ſieht
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