In diesem Chaos zeigen sich eine Menge unreife und verderbte, traurige und abschreckende Erschei¬ nungen. Die Gemüthskraft weiß sich noch nicht von den Einflüssen der Sinnlichkeit und einseitiger Ver¬ standesrichtungen zu befreien. Diese fremden und wi¬ dersprechenden Einflüsse richten daher große Verir¬ rungen und Zerrüttungen in den Gemüthern an, und treiben zu Unnatur und Wahnsinn. Nicht das Ge¬ müth ist Schuld daran, sondern nur die Sinnlichkeit und eine falsche Verstandesbildung, welche sich der im Gemüth liegenden ungeheuren Kräfte bedienen und sie mißbrauchen. Selbst Betrug mischt sich ein, Schein¬ heiligkeit, Eitelkeit, Eigennutz. Daher finden wir unter den Pietisten sinnliche verderbte Menschen, die mit den Gegenständen ihrer glühenden Andacht eine wahre Unzucht treiben; arme Sünder, die sich aus denselben Ursachen in die Arme der pietistischen Gnade und Wiedergeburt flüchten, aus welchen einige an¬ dere ihres Gleichen katholisch werden; halbgebildete Schwärmer, die mit Auslegung der Schrift, Pro¬ phezeihen die Köpfe verrücken, ohne die Herzen zu erwärmen; Fanatiker, die sich im eigenen Blut ba¬ den und selbstmörderisch opfern, um, wie sie sagen, für Christus zu sterben, gleich wie Christus für uns gestorben ist; endlich Heuchler aller Art, besonders in den niedern Klassen, Kaufleute und Gastwirthe, die sich auf dem religiösen Wege Käufer und Gäste verschaffen, arme Abenteurer, die auf eine bequeme Weise Krippenreiterei treiben und kokette Weiber, die
In dieſem Chaos zeigen ſich eine Menge unreife und verderbte, traurige und abſchreckende Erſchei¬ nungen. Die Gemuͤthskraft weiß ſich noch nicht von den Einfluͤſſen der Sinnlichkeit und einſeitiger Ver¬ ſtandesrichtungen zu befreien. Dieſe fremden und wi¬ derſprechenden Einfluͤſſe richten daher große Verir¬ rungen und Zerruͤttungen in den Gemuͤthern an, und treiben zu Unnatur und Wahnſinn. Nicht das Ge¬ muͤth iſt Schuld daran, ſondern nur die Sinnlichkeit und eine falſche Verſtandesbildung, welche ſich der im Gemuͤth liegenden ungeheuren Kraͤfte bedienen und ſie mißbrauchen. Selbſt Betrug miſcht ſich ein, Schein¬ heiligkeit, Eitelkeit, Eigennutz. Daher finden wir unter den Pietiſten ſinnliche verderbte Menſchen, die mit den Gegenſtaͤnden ihrer gluͤhenden Andacht eine wahre Unzucht treiben; arme Suͤnder, die ſich aus denſelben Urſachen in die Arme der pietiſtiſchen Gnade und Wiedergeburt fluͤchten, aus welchen einige an¬ dere ihres Gleichen katholiſch werden; halbgebildete Schwaͤrmer, die mit Auslegung der Schrift, Pro¬ phezeihen die Koͤpfe verruͤcken, ohne die Herzen zu erwaͤrmen; Fanatiker, die ſich im eigenen Blut ba¬ den und ſelbſtmoͤrderiſch opfern, um, wie ſie ſagen, fuͤr Chriſtus zu ſterben, gleich wie Chriſtus fuͤr uns geſtorben iſt; endlich Heuchler aller Art, beſonders in den niedern Klaſſen, Kaufleute und Gaſtwirthe, die ſich auf dem religioͤſen Wege Kaͤufer und Gaͤſte verſchaffen, arme Abenteurer, die auf eine bequeme Weiſe Krippenreiterei treiben und kokette Weiber, die
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In dieſem Chaos zeigen ſich eine Menge unreife
und verderbte, traurige und abſchreckende Erſchei¬
nungen. Die Gemuͤthskraft weiß ſich noch nicht von
den Einfluͤſſen der Sinnlichkeit und einſeitiger Ver¬
ſtandesrichtungen zu befreien. Dieſe fremden und wi¬
derſprechenden Einfluͤſſe richten daher große Verir¬
rungen und Zerruͤttungen in den Gemuͤthern an, und
treiben zu Unnatur und Wahnſinn. Nicht das Ge¬
muͤth iſt Schuld daran, ſondern nur die Sinnlichkeit
und eine falſche Verſtandesbildung, welche ſich der
im Gemuͤth liegenden ungeheuren Kraͤfte bedienen und
ſie mißbrauchen. Selbſt Betrug miſcht ſich ein, Schein¬
heiligkeit, Eitelkeit, Eigennutz. Daher finden wir
unter den Pietiſten ſinnliche verderbte Menſchen, die
mit den Gegenſtaͤnden ihrer gluͤhenden Andacht eine
wahre Unzucht treiben; arme Suͤnder, die ſich aus
denſelben Urſachen in die Arme der pietiſtiſchen Gnade
und Wiedergeburt fluͤchten, aus welchen einige an¬
dere ihres Gleichen katholiſch werden; halbgebildete
Schwaͤrmer, die mit Auslegung der Schrift, Pro¬
phezeihen die Koͤpfe verruͤcken, ohne die Herzen zu
erwaͤrmen; Fanatiker, die ſich im eigenen Blut ba¬
den und ſelbſtmoͤrderiſch opfern, um, wie ſie ſagen,
fuͤr Chriſtus zu ſterben, gleich wie Chriſtus fuͤr uns
geſtorben iſt; endlich Heuchler aller Art, beſonders
in den niedern Klaſſen, Kaufleute und Gaſtwirthe,
die ſich auf dem religioͤſen Wege Kaͤufer und Gaͤſte
verſchaffen, arme Abenteurer, die auf eine bequeme
Weiſe Krippenreiterei treiben und kokette Weiber, die
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/161>, abgerufen am 23.11.2024.
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