pfunden wird, ist nicht einmal ein Lehrsystem, ge¬ schweige denn die starre Form einer sichtbaren Kirche leicht gegründet. Dennoch ist die Macht des Gefühls ohne alle äußern Hülfsmittel und Schutzwehren stark genug, sich zu verbreiten, und die äußern Schran¬ ken fremder Kirchen eben so zu überscheiten, als sich selbst äußern Verfolgungen zu entziehn. Diese Macht besteht unsichtbar und unantastbar, und täuscht jede Berechnung ihrer Gegner. Niemand kann verhindern, sie dereinst zur herrschenden zu machen, und ist sie dies geworden, so werden wir Erscheinungen sehn, die niemand erwartet hätte.
Die ersten Anfänge des Pietismus zeigen noch den ganzen Einfluß des Protestantismus, aus dem sie hervorgegangen. Die ersten Pietisten wollten nur den reinen Protestantismus darstellen, in derselben Weise, wie die Jesuiten den reinen Katholicismus. Daher sind sie auch ein vollkommenes Gegenbild der Jesuiten. Die innige Gemeinschaft mit Jesus, der durchgebildete Roman der Seelenliebschaft, die Bu߬ fertigkeit, die Zerknirschung, die Entzückung und die Visionen, endlich die aufopfernde Dienstfertigkeit, die Bekehrung der Heiden, die Missionen nach fremden Welttheilen sind beiden gemein, nur daß die Jesuiten damit heuchelten, und nur die Zwecke der Hierarchie verfolgten, während die Pietisten das nach ihrer Meinung Gute um sein selbst willen thaten. Die Pietisten wollten anfangs nur einen geläuterten Pro¬ testantismus und sich keineswegs von der protestanti¬
pfunden wird, iſt nicht einmal ein Lehrſyſtem, ge¬ ſchweige denn die ſtarre Form einer ſichtbaren Kirche leicht gegruͤndet. Dennoch iſt die Macht des Gefuͤhls ohne alle aͤußern Huͤlfsmittel und Schutzwehren ſtark genug, ſich zu verbreiten, und die aͤußern Schran¬ ken fremder Kirchen eben ſo zu uͤberſcheiten, als ſich ſelbſt aͤußern Verfolgungen zu entziehn. Dieſe Macht beſteht unſichtbar und unantaſtbar, und taͤuſcht jede Berechnung ihrer Gegner. Niemand kann verhindern, ſie dereinſt zur herrſchenden zu machen, und iſt ſie dies geworden, ſo werden wir Erſcheinungen ſehn, die niemand erwartet haͤtte.
Die erſten Anfaͤnge des Pietismus zeigen noch den ganzen Einfluß des Proteſtantismus, aus dem ſie hervorgegangen. Die erſten Pietiſten wollten nur den reinen Proteſtantismus darſtellen, in derſelben Weiſe, wie die Jeſuiten den reinen Katholicismus. Daher ſind ſie auch ein vollkommenes Gegenbild der Jeſuiten. Die innige Gemeinſchaft mit Jeſus, der durchgebildete Roman der Seelenliebſchaft, die Bu߬ fertigkeit, die Zerknirſchung, die Entzuͤckung und die Viſionen, endlich die aufopfernde Dienſtfertigkeit, die Bekehrung der Heiden, die Miſſionen nach fremden Welttheilen ſind beiden gemein, nur daß die Jeſuiten damit heuchelten, und nur die Zwecke der Hierarchie verfolgten, waͤhrend die Pietiſten das nach ihrer Meinung Gute um ſein ſelbſt willen thaten. Die Pietiſten wollten anfangs nur einen gelaͤuterten Pro¬ teſtantismus und ſich keineswegs von der proteſtanti¬
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pfunden wird, iſt nicht einmal ein Lehrſyſtem, ge¬
ſchweige denn die ſtarre Form einer ſichtbaren Kirche
leicht gegruͤndet. Dennoch iſt die Macht des Gefuͤhls
ohne alle aͤußern Huͤlfsmittel und Schutzwehren ſtark
genug, ſich zu verbreiten, und die aͤußern Schran¬
ken fremder Kirchen eben ſo zu uͤberſcheiten, als ſich
ſelbſt aͤußern Verfolgungen zu entziehn. Dieſe Macht
beſteht unſichtbar und unantaſtbar, und taͤuſcht jede
Berechnung ihrer Gegner. Niemand kann verhindern,
ſie dereinſt zur herrſchenden zu machen, und iſt ſie
dies geworden, ſo werden wir Erſcheinungen ſehn,
die niemand erwartet haͤtte.
Die erſten Anfaͤnge des Pietismus zeigen noch
den ganzen Einfluß des Proteſtantismus, aus dem
ſie hervorgegangen. Die erſten Pietiſten wollten nur
den reinen Proteſtantismus darſtellen, in derſelben
Weiſe, wie die Jeſuiten den reinen Katholicismus.
Daher ſind ſie auch ein vollkommenes Gegenbild der
Jeſuiten. Die innige Gemeinſchaft mit Jeſus, der
durchgebildete Roman der Seelenliebſchaft, die Bu߬
fertigkeit, die Zerknirſchung, die Entzuͤckung und die
Viſionen, endlich die aufopfernde Dienſtfertigkeit, die
Bekehrung der Heiden, die Miſſionen nach fremden
Welttheilen ſind beiden gemein, nur daß die Jeſuiten
damit heuchelten, und nur die Zwecke der Hierarchie
verfolgten, waͤhrend die Pietiſten das nach ihrer
Meinung Gute um ſein ſelbſt willen thaten. Die
Pietiſten wollten anfangs nur einen gelaͤuterten Pro¬
teſtantismus und ſich keineswegs von der proteſtanti¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/159>, abgerufen am 17.07.2024.
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