Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.schieht etwas, so ist die hauptsächlichste Folge davon, Wir nehmen alle frühere Bildung nur in uns Jeder neue Genius scheint nur geboren zu wer¬ ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon, Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="4"/> ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon,<lb/> daß man daruͤber ſchreibt; ja viele Dinge ſcheinen<lb/> nur darum zu geſchehen, damit man daruͤber ſchreibe.<lb/> Das meiſte wird aber in Deutſchland nur geſchrie¬<lb/> ben, und gar nicht gethan. Unſere Thaͤtigkeit iſt<lb/> eben vorzugsweiſe Schreiben. Dieß waͤre kein Un¬<lb/> gluͤck, da der Weiſe, der ein Buch ſchreibt, nicht we¬<lb/> niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen<lb/> Sieg erſtreitet. Wenn aber zehntauſend Thoren auch<lb/> Buͤcher ſchreiben wollen, ſo iſt das eben ſo ſchlimm, als<lb/> wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn ſeyn wollten.</p><lb/> <p>Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns<lb/> auf, um ſie ſogleich wieder in's Papier einzuſargen.<lb/> Wir bezahlen die Buͤcher, die wir leſen, mit denen,<lb/> die wir ſchreiben. Es gibt hunderttauſende, die nur<lb/> lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daſeyn<lb/> an ein Paar Buͤcher geſchmiedet iſt, die von der<lb/> Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die<lb/> gruͤne Welt hinauszublicken. Womit ſie gemartert<lb/> worden, damit martern ſie wieder, Prieſter der Ver¬<lb/> weſung unter Mumien verdorrt, pflanzen ſie das alte<lb/> Gift, wie Veſtalinnen das heilige Feuer fort.</p><lb/> <p>Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬<lb/> den, um ſogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬<lb/> ben kaum groͤßere Landsleute, als ſchreibende. Die<lb/> Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬<lb/> mann in Deutſchland etwas langweilig gemacht und<lb/> dem Kuͤnſtler ganz mit Dornen beſaͤet wird, ſteht<lb/> nur dem Schriftſteller lockend offen. Ein geiſtreicher<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [4/0014]
ſchieht etwas, ſo iſt die hauptſaͤchlichſte Folge davon,
daß man daruͤber ſchreibt; ja viele Dinge ſcheinen
nur darum zu geſchehen, damit man daruͤber ſchreibe.
Das meiſte wird aber in Deutſchland nur geſchrie¬
ben, und gar nicht gethan. Unſere Thaͤtigkeit iſt
eben vorzugsweiſe Schreiben. Dieß waͤre kein Un¬
gluͤck, da der Weiſe, der ein Buch ſchreibt, nicht we¬
niger, und oft mehr thut, als der Feldherr, der einen
Sieg erſtreitet. Wenn aber zehntauſend Thoren auch
Buͤcher ſchreiben wollen, ſo iſt das eben ſo ſchlimm, als
wenn alle gemeinen Soldaten Feldherrn ſeyn wollten.
Wir nehmen alle fruͤhere Bildung nur in uns
auf, um ſie ſogleich wieder in's Papier einzuſargen.
Wir bezahlen die Buͤcher, die wir leſen, mit denen,
die wir ſchreiben. Es gibt hunderttauſende, die nur
lernen, um wieder zu lehren, deren ganzes Daſeyn
an ein Paar Buͤcher geſchmiedet iſt, die von der
Schulbank auf's Katheder kommen, ohne je in die
gruͤne Welt hinauszublicken. Womit ſie gemartert
worden, damit martern ſie wieder, Prieſter der Ver¬
weſung unter Mumien verdorrt, pflanzen ſie das alte
Gift, wie Veſtalinnen das heilige Feuer fort.
Jeder neue Genius ſcheint nur geboren zu wer¬
den, um ſogleich in das Papier zu fahren. Wir ha¬
ben kaum groͤßere Landsleute, als ſchreibende. Die
Bahn des Ruhms, die dem Helden und dem Staats¬
mann in Deutſchland etwas langweilig gemacht und
dem Kuͤnſtler ganz mit Dornen beſaͤet wird, ſteht
nur dem Schriftſteller lockend offen. Ein geiſtreicher
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