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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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Indeß hat dieser neue Geist auch in der prote¬
stantischen Kirche sich von den Banden der Autorität,
die jeder Kirche den Haltpunkt gibt, nicht zu lösen
gewußt, und unwillig über die lästigen Fesseln, die
Theologie ihrem Mechanismus überlassen, und sich
mit allen organischen Kräften auf die weltlichen Wis¬
senschaften und Künste geworfen. Unter dem äußern
Schutz, den die protestantische Kirche gewährte, ge¬
wann die Philosophie, die Naturwissenschaft, Juris¬
prudenz, Geschichte, Philologie alle die Freiheit,
ohne welche sie zu der hohen Ausbildung, worin wir
jetzt sie finden, nie hätten gelangen können, und so¬
mit ward die Theologie mittelbar eine Trägerin der
schönsten Blüthen der Cultur, unmittelbar selbst aber
verbaute sie sich in ein System von Rücksichten und
Beschränkungen, die sich ihr als Nothwendigkeit auf¬
drängten, und mitten im Negiren und Protestiren,
mußte sie doch etwas Positives festhalten, und sie
konnte das Princip der Autorität, Legitimität und
Stabilität, wiewohl sie es am Katholicismus ver¬
worfen hatte, doch selber nicht entbehren, und nahm
es nur unter ganz andern Formeln wieder auf.

Wir unterscheiden eine doppelte Bedingung alles
Positiven im Protestantismus, die Bibel und die sym¬
bolischen Bücher. Aller Geist, der diesen Bedingun¬
gen sich nicht fügen kann, entweicht auf die weltliche
Seite, in die Philosophie, und der in der Theologie
zurückbleibt, muß sich an eine absolute Autorität histo¬
rischer, in der Schrift niedergelegter Tradition bin¬

Indeß hat dieſer neue Geiſt auch in der prote¬
ſtantiſchen Kirche ſich von den Banden der Autoritaͤt,
die jeder Kirche den Haltpunkt gibt, nicht zu loͤſen
gewußt, und unwillig uͤber die laͤſtigen Feſſeln, die
Theologie ihrem Mechanismus uͤberlaſſen, und ſich
mit allen organiſchen Kraͤften auf die weltlichen Wiſ¬
ſenſchaften und Kuͤnſte geworfen. Unter dem aͤußern
Schutz, den die proteſtantiſche Kirche gewaͤhrte, ge¬
wann die Philoſophie, die Naturwiſſenſchaft, Juris¬
prudenz, Geſchichte, Philologie alle die Freiheit,
ohne welche ſie zu der hohen Ausbildung, worin wir
jetzt ſie finden, nie haͤtten gelangen koͤnnen, und ſo¬
mit ward die Theologie mittelbar eine Traͤgerin der
ſchoͤnſten Bluͤthen der Cultur, unmittelbar ſelbſt aber
verbaute ſie ſich in ein Syſtem von Ruͤckſichten und
Beſchraͤnkungen, die ſich ihr als Nothwendigkeit auf¬
draͤngten, und mitten im Negiren und Proteſtiren,
mußte ſie doch etwas Poſitives feſthalten, und ſie
konnte das Princip der Autoritaͤt, Legitimitaͤt und
Stabilitaͤt, wiewohl ſie es am Katholicismus ver¬
worfen hatte, doch ſelber nicht entbehren, und nahm
es nur unter ganz andern Formeln wieder auf.

Wir unterſcheiden eine doppelte Bedingung alles
Poſitiven im Proteſtantismus, die Bibel und die ſym¬
boliſchen Buͤcher. Aller Geiſt, der dieſen Bedingun¬
gen ſich nicht fuͤgen kann, entweicht auf die weltliche
Seite, in die Philoſophie, und der in der Theologie
zuruͤckbleibt, muß ſich an eine abſolute Autoritaͤt hiſto¬
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[117/0127] Indeß hat dieſer neue Geiſt auch in der prote¬ ſtantiſchen Kirche ſich von den Banden der Autoritaͤt, die jeder Kirche den Haltpunkt gibt, nicht zu loͤſen gewußt, und unwillig uͤber die laͤſtigen Feſſeln, die Theologie ihrem Mechanismus uͤberlaſſen, und ſich mit allen organiſchen Kraͤften auf die weltlichen Wiſ¬ ſenſchaften und Kuͤnſte geworfen. Unter dem aͤußern Schutz, den die proteſtantiſche Kirche gewaͤhrte, ge¬ wann die Philoſophie, die Naturwiſſenſchaft, Juris¬ prudenz, Geſchichte, Philologie alle die Freiheit, ohne welche ſie zu der hohen Ausbildung, worin wir jetzt ſie finden, nie haͤtten gelangen koͤnnen, und ſo¬ mit ward die Theologie mittelbar eine Traͤgerin der ſchoͤnſten Bluͤthen der Cultur, unmittelbar ſelbſt aber verbaute ſie ſich in ein Syſtem von Ruͤckſichten und Beſchraͤnkungen, die ſich ihr als Nothwendigkeit auf¬ draͤngten, und mitten im Negiren und Proteſtiren, mußte ſie doch etwas Poſitives feſthalten, und ſie konnte das Princip der Autoritaͤt, Legitimitaͤt und Stabilitaͤt, wiewohl ſie es am Katholicismus ver¬ worfen hatte, doch ſelber nicht entbehren, und nahm es nur unter ganz andern Formeln wieder auf. Wir unterſcheiden eine doppelte Bedingung alles Poſitiven im Proteſtantismus, die Bibel und die ſym¬ boliſchen Buͤcher. Aller Geiſt, der dieſen Bedingun¬ gen ſich nicht fuͤgen kann, entweicht auf die weltliche Seite, in die Philoſophie, und der in der Theologie zuruͤckbleibt, muß ſich an eine abſolute Autoritaͤt hiſto¬ riſcher, in der Schrift niedergelegter Tradition bin¬

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/127>, abgerufen am 23.11.2024.