kirche über, sobald die strenge Mutter sie verfolgt, wie wir mehrere bekannte Beispiele erlebt haben. Indeß herrscht in dieser Partei, wie in jeder gemä¬ ßigten, zu wenig Selbstständigkeit und Kraft, und sie ist ein Spielzeug in der Hand bald der päpstlichen, bald der weltlichen Macht, je nachdem die eine oder andre überwiegt. Auch sind die Unterschiede ihrer und der protestantischen Lehre zu groß, und die Ei¬ fersucht der Parteien zu blind, als daß ein eigentli¬ cher Übergang der einen in die andre möglich wer¬ den könnte.
Die poetischen Katholiken werden von der schönen sinnlichen Seite des Katholicismus, von der Mystik seiner Ideen, und nicht minder von den Wun¬ dern ergriffen, die er in der Geschichte und in der Kunst hervorgebracht. Ihr reizbares Temperament liebt die erhabenen Eindrücke der Kirchenpracht, ihr Sinn für das Schöne vertieft sich in die Zauber der religiösen Kunst; ihr glühendes Gefühl schwelgt in Andacht und Begeisterung und gibt sich am heiligen Ort, in heiliger Stunde der schönen Ahnung einer nähern Gegenwart Gottes hin; ihre geschäftige Phan¬ tasie findet in der Mannigfaltigkeit der religiösen Mythen, Bilder und Gebräuche alle Befriedigung, deren sie bedarf, ihre Neigung zum Übersinnlichen, ihr Hang nach mystischen Räthseln, ihr Tiefsinn, der immer das am liebsten zum Gegenstande der Betrach¬ tung wählt, was jenseits der Grenzen des Wissens liegt, und selbst die Verwegenheit ihres scharfen Ver¬
kirche uͤber, ſobald die ſtrenge Mutter ſie verfolgt, wie wir mehrere bekannte Beiſpiele erlebt haben. Indeß herrſcht in dieſer Partei, wie in jeder gemaͤ¬ ßigten, zu wenig Selbſtſtaͤndigkeit und Kraft, und ſie iſt ein Spielzeug in der Hand bald der paͤpſtlichen, bald der weltlichen Macht, je nachdem die eine oder andre uͤberwiegt. Auch ſind die Unterſchiede ihrer und der proteſtantiſchen Lehre zu groß, und die Ei¬ ferſucht der Parteien zu blind, als daß ein eigentli¬ cher Übergang der einen in die andre moͤglich wer¬ den koͤnnte.
Die poetiſchen Katholiken werden von der ſchoͤnen ſinnlichen Seite des Katholicismus, von der Myſtik ſeiner Ideen, und nicht minder von den Wun¬ dern ergriffen, die er in der Geſchichte und in der Kunſt hervorgebracht. Ihr reizbares Temperament liebt die erhabenen Eindruͤcke der Kirchenpracht, ihr Sinn fuͤr das Schoͤne vertieft ſich in die Zauber der religioͤſen Kunſt; ihr gluͤhendes Gefuͤhl ſchwelgt in Andacht und Begeiſterung und gibt ſich am heiligen Ort, in heiliger Stunde der ſchoͤnen Ahnung einer naͤhern Gegenwart Gottes hin; ihre geſchaͤftige Phan¬ taſie findet in der Mannigfaltigkeit der religioͤſen Mythen, Bilder und Gebraͤuche alle Befriedigung, deren ſie bedarf, ihre Neigung zum Überſinnlichen, ihr Hang nach myſtiſchen Raͤthſeln, ihr Tiefſinn, der immer das am liebſten zum Gegenſtande der Betrach¬ tung waͤhlt, was jenſeits der Grenzen des Wiſſens liegt, und ſelbſt die Verwegenheit ihres ſcharfen Ver¬
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kirche uͤber, ſobald die ſtrenge Mutter ſie verfolgt,
wie wir mehrere bekannte Beiſpiele erlebt haben.
Indeß herrſcht in dieſer Partei, wie in jeder gemaͤ¬
ßigten, zu wenig Selbſtſtaͤndigkeit und Kraft, und ſie
iſt ein Spielzeug in der Hand bald der paͤpſtlichen,
bald der weltlichen Macht, je nachdem die eine oder
andre uͤberwiegt. Auch ſind die Unterſchiede ihrer
und der proteſtantiſchen Lehre zu groß, und die Ei¬
ferſucht der Parteien zu blind, als daß ein eigentli¬
cher Übergang der einen in die andre moͤglich wer¬
den koͤnnte.
Die poetiſchen Katholiken werden von der
ſchoͤnen ſinnlichen Seite des Katholicismus, von der
Myſtik ſeiner Ideen, und nicht minder von den Wun¬
dern ergriffen, die er in der Geſchichte und in der
Kunſt hervorgebracht. Ihr reizbares Temperament
liebt die erhabenen Eindruͤcke der Kirchenpracht, ihr
Sinn fuͤr das Schoͤne vertieft ſich in die Zauber der
religioͤſen Kunſt; ihr gluͤhendes Gefuͤhl ſchwelgt in
Andacht und Begeiſterung und gibt ſich am heiligen
Ort, in heiliger Stunde der ſchoͤnen Ahnung einer
naͤhern Gegenwart Gottes hin; ihre geſchaͤftige Phan¬
taſie findet in der Mannigfaltigkeit der religioͤſen
Mythen, Bilder und Gebraͤuche alle Befriedigung,
deren ſie bedarf, ihre Neigung zum Überſinnlichen,
ihr Hang nach myſtiſchen Raͤthſeln, ihr Tiefſinn, der
immer das am liebſten zum Gegenſtande der Betrach¬
tung waͤhlt, was jenſeits der Grenzen des Wiſſens
liegt, und ſelbſt die Verwegenheit ihres ſcharfen Ver¬
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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/122>, abgerufen am 16.07.2024.
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