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Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.

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der Tyrannei der Kirche, einem Geschöpf der Zei¬
ten, übereinstimmen können, so kann sie es doch mit
der ewigen Idee des Glaubens. In diesem Sinn
haben neuere Katholiken, unter andern Görres, auf
der einen Seite den strengsten Glauben, auf der an¬
dern das freieste Wissen angesprochen und durch die
That gezeigt, wie beides im Katholicismus bestehen
könne.

Die sich aber auch nicht zu dieser Höhe der An¬
sicht erheben konnten, haben doch der Zeit in ihren
Entwicklungen folgen müssen, und das verschmähte
Wort selbst ergriffen, um die gefährliche Waffe ent¬
weder unschädlicher für ihre Partei zu machen, oder
sie in ihrer ganzen Schärfe gegen die Gegner zu
kehren. In dieser Weise sah man, trotz dem Geschrei
der Mönche, die Gelehrsamkeit der Jesuiten, wie
trotz dem Geschrei der Janitscharen, das europäische
Kriegswesen unter den Türken entstehn. Man durfte
eine Armatur nicht verschmähen, die den Feind so
mächtig machte und opferte Sitten und Maximen auf,
um das Daseyn zu retten. Die katholische Literatur
hat demzufolge einen beträchtlichen Umfang erreicht,
und umfaßt wenigstens halb so viele Werke als die
protestantische. Auch nimmt sie, wie die Meßkata¬
loge beweisen, mit jedem Semester zu.

Der Katholicismus hat die Nachtheile einer De¬
fensive zu wohl kennen gelernt, daß er nicht die Of¬
fensive, es koste, was es wolle, wieder ergreifen
sollte. Und die Gegner haben ihm dafür eben so

der Tyrannei der Kirche, einem Geſchoͤpf der Zei¬
ten, uͤbereinſtimmen koͤnnen, ſo kann ſie es doch mit
der ewigen Idee des Glaubens. In dieſem Sinn
haben neuere Katholiken, unter andern Goͤrres, auf
der einen Seite den ſtrengſten Glauben, auf der an¬
dern das freieſte Wiſſen angeſprochen und durch die
That gezeigt, wie beides im Katholicismus beſtehen
koͤnne.

Die ſich aber auch nicht zu dieſer Hoͤhe der An¬
ſicht erheben konnten, haben doch der Zeit in ihren
Entwicklungen folgen muͤſſen, und das verſchmaͤhte
Wort ſelbſt ergriffen, um die gefaͤhrliche Waffe ent¬
weder unſchaͤdlicher fuͤr ihre Partei zu machen, oder
ſie in ihrer ganzen Schaͤrfe gegen die Gegner zu
kehren. In dieſer Weiſe ſah man, trotz dem Geſchrei
der Moͤnche, die Gelehrſamkeit der Jeſuiten, wie
trotz dem Geſchrei der Janitſcharen, das europaͤiſche
Kriegsweſen unter den Tuͤrken entſtehn. Man durfte
eine Armatur nicht verſchmaͤhen, die den Feind ſo
maͤchtig machte und opferte Sitten und Maximen auf,
um das Daſeyn zu retten. Die katholiſche Literatur
hat demzufolge einen betraͤchtlichen Umfang erreicht,
und umfaßt wenigſtens halb ſo viele Werke als die
proteſtantiſche. Auch nimmt ſie, wie die Meßkata¬
loge beweiſen, mit jedem Semeſter zu.

Der Katholicismus hat die Nachtheile einer De¬
fenſive zu wohl kennen gelernt, daß er nicht die Of¬
fenſive, es koſte, was es wolle, wieder ergreifen
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[101/0111] der Tyrannei der Kirche, einem Geſchoͤpf der Zei¬ ten, uͤbereinſtimmen koͤnnen, ſo kann ſie es doch mit der ewigen Idee des Glaubens. In dieſem Sinn haben neuere Katholiken, unter andern Goͤrres, auf der einen Seite den ſtrengſten Glauben, auf der an¬ dern das freieſte Wiſſen angeſprochen und durch die That gezeigt, wie beides im Katholicismus beſtehen koͤnne. Die ſich aber auch nicht zu dieſer Hoͤhe der An¬ ſicht erheben konnten, haben doch der Zeit in ihren Entwicklungen folgen muͤſſen, und das verſchmaͤhte Wort ſelbſt ergriffen, um die gefaͤhrliche Waffe ent¬ weder unſchaͤdlicher fuͤr ihre Partei zu machen, oder ſie in ihrer ganzen Schaͤrfe gegen die Gegner zu kehren. In dieſer Weiſe ſah man, trotz dem Geſchrei der Moͤnche, die Gelehrſamkeit der Jeſuiten, wie trotz dem Geſchrei der Janitſcharen, das europaͤiſche Kriegsweſen unter den Tuͤrken entſtehn. Man durfte eine Armatur nicht verſchmaͤhen, die den Feind ſo maͤchtig machte und opferte Sitten und Maximen auf, um das Daſeyn zu retten. Die katholiſche Literatur hat demzufolge einen betraͤchtlichen Umfang erreicht, und umfaßt wenigſtens halb ſo viele Werke als die proteſtantiſche. Auch nimmt ſie, wie die Meßkata¬ loge beweiſen, mit jedem Semeſter zu. Der Katholicismus hat die Nachtheile einer De¬ fenſive zu wohl kennen gelernt, daß er nicht die Of¬ fenſive, es koſte, was es wolle, wieder ergreifen ſollte. Und die Gegner haben ihm dafuͤr eben ſo

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Zitationshilfe: Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menzel_literatur01_1828/111>, abgerufen am 27.11.2024.