Menzel, Wolfgang: Die deutsche Literatur. Bd. 1. Stuttgart, 1828.rauben können, wenn man es nur versteht, die Sache Der Katholicismus ist mächtiger außer, als in Indeß hat der Katholicismus, wie die Geschichte rauben koͤnnen, wenn man es nur verſteht, die Sache Der Katholicismus iſt maͤchtiger außer, als in Indeß hat der Katholicismus, wie die Geſchichte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0110" n="100"/> rauben koͤnnen, wenn man es nur verſteht, die Sache<lb/> von den Menſchen zu unterſcheiden.</p><lb/> <p>Der Katholicismus iſt maͤchtiger außer, als in<lb/> der Literatur. Er verſchmaͤht die Unterſuchung, es<lb/> genuͤgt ihm an der Tradition, und er muß ſich ſogar<lb/> der Suͤndfluth von Schriften entgegenſetzen, welche<lb/> dieſe Tradition in den Schatten ſtellen koͤnnten. Von<lb/> jeher war Tradition und Schrift im Widerſpruch.<lb/> Als Omar Alexandrien erobert, ließ er die ungeheure<lb/> Bibliothek dieſer Stadt, darin alle Schaͤtze des Wiſ¬<lb/> ſens jener Zeit aufbewahrt lagen, verbrennen, und<lb/> gab den Grund dafuͤr an: ſteht in dieſen Buͤchern,<lb/> was im Koran ſteht, ſo beduͤrfen wir ihrer nicht,<lb/> denn wir haben den Koran ſchon, ſteht aber etwas<lb/> andres darin, ſo muͤſſen ſie vertilgt werden, denn<lb/> Gott iſt Gott, und Muhamed iſt ſein Prophet, und<lb/> der Koran iſt ſein Wort, was daruͤber iſt, das iſt<lb/> vom Übel. In aͤhnlicher Weiſe dachten jene Moͤnche,<lb/> welche die Buchdruckerkunſt als die ſchwarze Kunſt<lb/> bezeichneten, und in der That iſt ein Omarfeuer<lb/> wirkſamer und conſequenter als ein <hi rendition="#aq">catalogus libro</hi>¬<lb/><hi rendition="#aq">rum prohibitorum</hi>, waͤhrend der Grundſatz beider nur<lb/> ein und derſelbe iſt.</p><lb/> <p>Indeß hat der Katholicismus, wie die Geſchichte<lb/> lehrt, ſich in ſich ſelbſt ſchon oft verwandelt, und<lb/> den Zeiten und ihren Beduͤrfniſſen nachgegeben. Selbſt<lb/> die Strenge jenes Grundſatzes gehoͤrt keineswegs<lb/> ſeiner Idee, ſondern nur einer Zeitentwicklung an,<lb/> und ſollte die Freiheit des Wiſſens auch nicht mit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [100/0110]
rauben koͤnnen, wenn man es nur verſteht, die Sache
von den Menſchen zu unterſcheiden.
Der Katholicismus iſt maͤchtiger außer, als in
der Literatur. Er verſchmaͤht die Unterſuchung, es
genuͤgt ihm an der Tradition, und er muß ſich ſogar
der Suͤndfluth von Schriften entgegenſetzen, welche
dieſe Tradition in den Schatten ſtellen koͤnnten. Von
jeher war Tradition und Schrift im Widerſpruch.
Als Omar Alexandrien erobert, ließ er die ungeheure
Bibliothek dieſer Stadt, darin alle Schaͤtze des Wiſ¬
ſens jener Zeit aufbewahrt lagen, verbrennen, und
gab den Grund dafuͤr an: ſteht in dieſen Buͤchern,
was im Koran ſteht, ſo beduͤrfen wir ihrer nicht,
denn wir haben den Koran ſchon, ſteht aber etwas
andres darin, ſo muͤſſen ſie vertilgt werden, denn
Gott iſt Gott, und Muhamed iſt ſein Prophet, und
der Koran iſt ſein Wort, was daruͤber iſt, das iſt
vom Übel. In aͤhnlicher Weiſe dachten jene Moͤnche,
welche die Buchdruckerkunſt als die ſchwarze Kunſt
bezeichneten, und in der That iſt ein Omarfeuer
wirkſamer und conſequenter als ein catalogus libro¬
rum prohibitorum, waͤhrend der Grundſatz beider nur
ein und derſelbe iſt.
Indeß hat der Katholicismus, wie die Geſchichte
lehrt, ſich in ſich ſelbſt ſchon oft verwandelt, und
den Zeiten und ihren Beduͤrfniſſen nachgegeben. Selbſt
die Strenge jenes Grundſatzes gehoͤrt keineswegs
ſeiner Idee, ſondern nur einer Zeitentwicklung an,
und ſollte die Freiheit des Wiſſens auch nicht mit
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