Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.Ueber den Begriff der Waare. Waarencharakter nichts einem Gute Anhaftendes, keine Eigen-schaft, sondern lediglich eine besondere Beziehung desselben zu derjenigen Person ist, welche darüber verfügt, eine Beziehung, mit deren Verschwinden auch der Waarencharakter der Güter selbst entfallen muss. Ein Gut hört demnach auf, Waare zu sein, sobald dasjenige wirthschaftende Subject, welches darüber verfügt, seine Absicht, dasselbe zu veräussern, aufgiebt, oder das betreffende Gut in die Hände derjenigen Person gelangt, welche dasselbe nicht weiter auszutauschen, sondern zu consumiren be- absichtigt. Der Hut, welchen ein Hutmacher, der Seidenstoff, welchen ein Seidenwaarenhändler in seinem Laden zum Zwecke der Veräusserung ausstellt, sind z. B. Waaren, sie hören aber sofort auf, Waaren zu sein, wenn der erstere den Hut zum eigenen Gebrauche, der letztere den Seidenstoff etwa zu einem Geschenke für seine Frau bestimmt, und Zuckerhüte, oder Orangen sind in den Händen des Krämers Waaren, büssen ihren Waarencharakter aber ein, sobald dieselben in die Hände der Consumenten übergegangen sind. Auch das gemünzte Metall hört sofort auf, "Waare" zu sein, wenn dasselbe von seinem Besitzer nicht weiter Die Eigenschaft des Productes halten von den Neuern beim Begriff der Waare
fest: Glaser (Allgem. Wirthschaftsl., S. 115, 1858), welcher "jedes Product' welches in den Handel kommt," Rösler (Volkswirthsch. S. 217, 1864), welcher "die für den Umlauf bestimmten, oder im Umlaufe befindlichen Producte," Scheel (Hildebrandt's Jahrbücher, VI, S. 15), welcher "die einzelnen zum Austausch bestimmten Producte" Waaren nennt. Auch Stein bezeichnet (Lehrbuch d. Volksw., S. 152, 1858) die Waare als "einzelnes, selbstän- diges Product der Unternehmung". In neuerer Zeit ist wieder eine Anzahl zum Theil sehr namhafter Gelehrten zum Gebrauche des Wortes "Waare" im populären Sinne zurückgekehrt. So unter Andern B. Hildebrandt, wel- cher in seinen Jahrbüchern (II, S. 14), Schäffle, welcher in seinem "Ge- sellschaftlichen System d. m. W. S. 456 u. 465, die Waaren den Dienstleistungen gegenüberstellt. Der wissenschaftliche Begriff der Waare geht indess hiebei nicht verloren. Schäffle trennt im Gebrauche sogar sehr scharf die Waa- ren im populären und im wissenschaftlichen Sinne und nennt diese letz- tern "Tauschgüter" (ibid., S. 50, 51 u. s. f.). Höchst eigenthümlich, wie in manchen andern Lehren, ist Schmalz, welcher (Staatsw. in Briefen, 1818, I, S. 63) in Folge einer irrigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld und Waare den Begriff dieser letztern mit dem der Gebrauchsgüter in engerm Sinne des Wortes verwechselt, also gerade zu dem Gegentheil der obigen wissenschaftlichen Definition der Waare gelangt. Ueber den Begriff der Waare. Waarencharakter nichts einem Gute Anhaftendes, keine Eigen-schaft, sondern lediglich eine besondere Beziehung desselben zu derjenigen Person ist, welche darüber verfügt, eine Beziehung, mit deren Verschwinden auch der Waarencharakter der Güter selbst entfallen muss. Ein Gut hört demnach auf, Waare zu sein, sobald dasjenige wirthschaftende Subject, welches darüber verfügt, seine Absicht, dasselbe zu veräussern, aufgiebt, oder das betreffende Gut in die Hände derjenigen Person gelangt, welche dasselbe nicht weiter auszutauschen, sondern zu consumiren be- absichtigt. Der Hut, welchen ein Hutmacher, der Seidenstoff, welchen ein Seidenwaarenhändler in seinem Laden zum Zwecke der Veräusserung ausstellt, sind z. B. Waaren, sie hören aber sofort auf, Waaren zu sein, wenn der erstere den Hut zum eigenen Gebrauche, der letztere den Seidenstoff etwa zu einem Geschenke für seine Frau bestimmt, und Zuckerhüte, oder Orangen sind in den Händen des Krämers Waaren, büssen ihren Waarencharakter aber ein, sobald dieselben in die Hände der Consumenten übergegangen sind. Auch das gemünzte Metall hört sofort auf, „Waare“ zu sein, wenn dasselbe von seinem Besitzer nicht weiter Die Eigenschaft des Productes halten von den Neuern beim Begriff der Waare
fest: Glaser (Allgem. Wirthschaftsl., S. 115, 1858), welcher „jedes Product’ welches in den Handel kommt,“ Rösler (Volkswirthsch. S. 217, 1864), welcher „die für den Umlauf bestimmten, oder im Umlaufe befindlichen Producte,“ Scheel (Hildebrandt’s Jahrbücher, VI, S. 15), welcher „die einzelnen zum Austausch bestimmten Producte“ Waaren nennt. Auch Stein bezeichnet (Lehrbuch d. Volksw., S. 152, 1858) die Waare als „einzelnes, selbstän- diges Product der Unternehmung“. In neuerer Zeit ist wieder eine Anzahl zum Theil sehr namhafter Gelehrten zum Gebrauche des Wortes „Waare“ im populären Sinne zurückgekehrt. So unter Andern B. Hildebrandt, wel- cher in seinen Jahrbüchern (II, S. 14), Schäffle, welcher in seinem „Ge- sellschaftlichen System d. m. W. S. 456 u. 465, die Waaren den Dienstleistungen gegenüberstellt. Der wissenschaftliche Begriff der Waare geht indess hiebei nicht verloren. Schäffle trennt im Gebrauche sogar sehr scharf die Waa- ren im populären und im wissenschaftlichen Sinne und nennt diese letz- tern „Tauschgüter“ (ibid., S. 50, 51 u. s. f.). Höchst eigenthümlich, wie in manchen andern Lehren, ist Schmalz, welcher (Staatsw. in Briefen, 1818, I, S. 63) in Folge einer irrigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld und Waare den Begriff dieser letztern mit dem der Gebrauchsgüter in engerm Sinne des Wortes verwechselt, also gerade zu dem Gegentheil der obigen wissenschaftlichen Definition der Waare gelangt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0249" n="231"/><fw place="top" type="header">Ueber den Begriff der Waare.</fw><lb/> Waarencharakter nichts einem Gute Anhaftendes, keine Eigen-<lb/> schaft, sondern lediglich eine besondere Beziehung desselben zu<lb/> derjenigen Person ist, welche darüber verfügt, eine Beziehung,<lb/> mit deren Verschwinden auch der Waarencharakter der Güter<lb/> selbst entfallen muss. Ein Gut hört demnach auf, Waare zu<lb/> sein, sobald dasjenige wirthschaftende Subject, welches darüber<lb/> verfügt, seine Absicht, dasselbe zu veräussern, aufgiebt, oder das<lb/> betreffende Gut in die Hände derjenigen Person gelangt, welche<lb/> dasselbe nicht weiter auszutauschen, sondern zu consumiren be-<lb/> absichtigt. Der Hut, welchen ein Hutmacher, der Seidenstoff,<lb/> welchen ein Seidenwaarenhändler in seinem Laden zum Zwecke der<lb/> Veräusserung ausstellt, sind z. B. Waaren, sie hören aber sofort<lb/> auf, Waaren zu sein, wenn der erstere den Hut zum eigenen<lb/> Gebrauche, der letztere den Seidenstoff etwa zu einem Geschenke<lb/> für seine Frau bestimmt, und Zuckerhüte, oder Orangen sind in<lb/> den Händen des Krämers Waaren, büssen ihren Waarencharakter<lb/> aber ein, sobald dieselben in die Hände der Consumenten<lb/> übergegangen sind. Auch das gemünzte Metall hört sofort auf,<lb/> „Waare“ zu sein, wenn dasselbe von seinem Besitzer nicht weiter<lb/><note xml:id="seg2pn_17_3" prev="#seg2pn_17_2" place="foot" n="*)">Die Eigenschaft des Productes halten von den Neuern beim Begriff der Waare<lb/> fest: <hi rendition="#g">Glaser</hi> (Allgem. Wirthschaftsl., S. 115, 1858), welcher „jedes Product’<lb/> welches in den Handel kommt,“ <hi rendition="#g">Rösler</hi> (Volkswirthsch. S. 217, 1864), welcher<lb/> „die für den Umlauf bestimmten, oder im Umlaufe befindlichen Producte,“<lb/><hi rendition="#g">Scheel</hi> (Hildebrandt’s Jahrbücher, VI, S. 15), welcher „die <hi rendition="#g">einzelnen</hi> zum<lb/> Austausch bestimmten Producte“ Waaren nennt. Auch <hi rendition="#g">Stein</hi> bezeichnet<lb/> (Lehrbuch d. Volksw., S. 152, 1858) die Waare als „<hi rendition="#g">einzelnes</hi>, selbstän-<lb/> diges <hi rendition="#g">Product</hi> der Unternehmung“. In neuerer Zeit ist wieder eine Anzahl<lb/> zum Theil sehr namhafter Gelehrten zum Gebrauche des <hi rendition="#g">Wortes</hi> „Waare“<lb/> im populären Sinne zurückgekehrt. So unter Andern B. <hi rendition="#g">Hildebrandt</hi>, wel-<lb/> cher in seinen Jahrbüchern (II, S. 14), <hi rendition="#g">Schäffle</hi>, welcher in seinem „Ge-<lb/> sellschaftlichen System d. m. W. S. 456 u. 465, die Waaren den Dienstleistungen<lb/> gegenüberstellt. Der wissenschaftliche <hi rendition="#g">Begriff</hi> der Waare geht indess hiebei<lb/> nicht verloren. <hi rendition="#g">Schäffle</hi> trennt im Gebrauche sogar sehr scharf die Waa-<lb/> ren im populären und im wissenschaftlichen Sinne und nennt diese letz-<lb/> tern „Tauschgüter“ (ibid., S. 50, 51 u. s. f.). Höchst eigenthümlich, wie<lb/> in manchen andern Lehren, ist <hi rendition="#g">Schmalz</hi>, welcher (Staatsw. in Briefen, 1818,<lb/> I, S. 63) in Folge einer irrigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld<lb/> und Waare den Begriff dieser letztern mit dem der Gebrauchsgüter in engerm<lb/> Sinne des Wortes verwechselt, also gerade zu dem Gegentheil der obigen<lb/> wissenschaftlichen Definition der Waare gelangt.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [231/0249]
Ueber den Begriff der Waare.
Waarencharakter nichts einem Gute Anhaftendes, keine Eigen-
schaft, sondern lediglich eine besondere Beziehung desselben zu
derjenigen Person ist, welche darüber verfügt, eine Beziehung,
mit deren Verschwinden auch der Waarencharakter der Güter
selbst entfallen muss. Ein Gut hört demnach auf, Waare zu
sein, sobald dasjenige wirthschaftende Subject, welches darüber
verfügt, seine Absicht, dasselbe zu veräussern, aufgiebt, oder das
betreffende Gut in die Hände derjenigen Person gelangt, welche
dasselbe nicht weiter auszutauschen, sondern zu consumiren be-
absichtigt. Der Hut, welchen ein Hutmacher, der Seidenstoff,
welchen ein Seidenwaarenhändler in seinem Laden zum Zwecke der
Veräusserung ausstellt, sind z. B. Waaren, sie hören aber sofort
auf, Waaren zu sein, wenn der erstere den Hut zum eigenen
Gebrauche, der letztere den Seidenstoff etwa zu einem Geschenke
für seine Frau bestimmt, und Zuckerhüte, oder Orangen sind in
den Händen des Krämers Waaren, büssen ihren Waarencharakter
aber ein, sobald dieselben in die Hände der Consumenten
übergegangen sind. Auch das gemünzte Metall hört sofort auf,
„Waare“ zu sein, wenn dasselbe von seinem Besitzer nicht weiter
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*) Die Eigenschaft des Productes halten von den Neuern beim Begriff der Waare
fest: Glaser (Allgem. Wirthschaftsl., S. 115, 1858), welcher „jedes Product’
welches in den Handel kommt,“ Rösler (Volkswirthsch. S. 217, 1864), welcher
„die für den Umlauf bestimmten, oder im Umlaufe befindlichen Producte,“
Scheel (Hildebrandt’s Jahrbücher, VI, S. 15), welcher „die einzelnen zum
Austausch bestimmten Producte“ Waaren nennt. Auch Stein bezeichnet
(Lehrbuch d. Volksw., S. 152, 1858) die Waare als „einzelnes, selbstän-
diges Product der Unternehmung“. In neuerer Zeit ist wieder eine Anzahl
zum Theil sehr namhafter Gelehrten zum Gebrauche des Wortes „Waare“
im populären Sinne zurückgekehrt. So unter Andern B. Hildebrandt, wel-
cher in seinen Jahrbüchern (II, S. 14), Schäffle, welcher in seinem „Ge-
sellschaftlichen System d. m. W. S. 456 u. 465, die Waaren den Dienstleistungen
gegenüberstellt. Der wissenschaftliche Begriff der Waare geht indess hiebei
nicht verloren. Schäffle trennt im Gebrauche sogar sehr scharf die Waa-
ren im populären und im wissenschaftlichen Sinne und nennt diese letz-
tern „Tauschgüter“ (ibid., S. 50, 51 u. s. f.). Höchst eigenthümlich, wie
in manchen andern Lehren, ist Schmalz, welcher (Staatsw. in Briefen, 1818,
I, S. 63) in Folge einer irrigen Auffassung des Verhältnisses zwischen Geld
und Waare den Begriff dieser letztern mit dem der Gebrauchsgüter in engerm
Sinne des Wortes verwechselt, also gerade zu dem Gegentheil der obigen
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