Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebrauchswerth und Tauschwerth.
sich im Gefolge, dass der Gebrauchswerth der Güter einem
nicht unbeträchtlichen Wechsel unterliegt, und so z. B. die
naiven Unterhaltungsmittel des Kindes für den Jüngling, die
Bildungsmittel dieses letzteren für den Mann, die Erwerbs-
mittel des Mannes für den Greis an Gebrauchswerth einbüssen
und einen vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Es ist denn
auch keine Erscheinung gewöhnlicher, als dass die Güter, welche
für das kindliche Lebensalter einen überwiegenden Gebrauchs-
werth hatten, von dem Jünglinge veräussert werden. Wir sehen
Personen, die in das Mannesalter treten, der Regel nach nicht
nur viele dem Jünglingsalter eigenthümliche Genussmittel, son-
dern auch die Bildungsmittel ihrer Jugend veräussern, wie denn
auch bei Greisen uns die Erscheinung so häufig entgegetritt,
dass sie nicht nur die Genussmittel des Mannesalters, deren
Benützung Lebenskraft und Muth erfordert, sondern auch die
Erwerbsmittel (Fabriken, Gewerbsunternehmungen u. dgl. m.)
in andere Hände gelangen lassen. Wenn die wirthschaftliche Be-
wegung, welche eine Folge dieses Umstandes ist, nicht so stark
an die Oberfläche der Erscheinungen tritt, als dies dem natür-
lichen Verlaufe der Dinge nach der Fall sein müsste, so ist der
Grund hievon in dem Familienleben der Menschen zu suchen
und dem, nicht so sehr in Folge entgeltlicher Verträge, als
vielmehr in Folge der Befriedigung von Gemüthsbedürfnissen
vor sich gehenden Uebergange von Gütern aus dem Besitze der
ältern Familienglieder in jenen der Jüngern. So ist denn die
Familie mit der ihr eigenthümlichen Wirthschaft ein wesent-
liches Moment der Stabilität der wirthschaftlichen Verhältnisse
der Menschen.

Die Erhöhung des Gebrauchswerthes eines Gutes für dessen
Besitzer hat naturgemäss den entgegengesetzten Erfolg. Der
Besitzer eines Forstes z. B., für welchen die jährlich geschla-
gene Holzquantität bisher nur Tauschwerth hatte, wird den
Austausch seines Holzes gegen andere Güter der Regel nach
sofort einstellen, wenn er einen Hochofen zur Eisenschmel-
zung angelegt hat und zum Betriebe desselben des vollen
Erzeugnisses seiner Waldungen bedarf. Der Literat, wel-
cher bisher seine Arbeiten an Verleger veräusserte, wird

Gebrauchswerth und Tauschwerth.
sich im Gefolge, dass der Gebrauchswerth der Güter einem
nicht unbeträchtlichen Wechsel unterliegt, und so z. B. die
naiven Unterhaltungsmittel des Kindes für den Jüngling, die
Bildungsmittel dieses letzteren für den Mann, die Erwerbs-
mittel des Mannes für den Greis an Gebrauchswerth einbüssen
und einen vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Es ist denn
auch keine Erscheinung gewöhnlicher, als dass die Güter, welche
für das kindliche Lebensalter einen überwiegenden Gebrauchs-
werth hatten, von dem Jünglinge veräussert werden. Wir sehen
Personen, die in das Mannesalter treten, der Regel nach nicht
nur viele dem Jünglingsalter eigenthümliche Genussmittel, son-
dern auch die Bildungsmittel ihrer Jugend veräussern, wie denn
auch bei Greisen uns die Erscheinung so häufig entgegetritt,
dass sie nicht nur die Genussmittel des Mannesalters, deren
Benützung Lebenskraft und Muth erfordert, sondern auch die
Erwerbsmittel (Fabriken, Gewerbsunternehmungen u. dgl. m.)
in andere Hände gelangen lassen. Wenn die wirthschaftliche Be-
wegung, welche eine Folge dieses Umstandes ist, nicht so stark
an die Oberfläche der Erscheinungen tritt, als dies dem natür-
lichen Verlaufe der Dinge nach der Fall sein müsste, so ist der
Grund hievon in dem Familienleben der Menschen zu suchen
und dem, nicht so sehr in Folge entgeltlicher Verträge, als
vielmehr in Folge der Befriedigung von Gemüthsbedürfnissen
vor sich gehenden Uebergange von Gütern aus dem Besitze der
ältern Familienglieder in jenen der Jüngern. So ist denn die
Familie mit der ihr eigenthümlichen Wirthschaft ein wesent-
liches Moment der Stabilität der wirthschaftlichen Verhältnisse
der Menschen.

Die Erhöhung des Gebrauchswerthes eines Gutes für dessen
Besitzer hat naturgemäss den entgegengesetzten Erfolg. Der
Besitzer eines Forstes z. B., für welchen die jährlich geschla-
gene Holzquantität bisher nur Tauschwerth hatte, wird den
Austausch seines Holzes gegen andere Güter der Regel nach
sofort einstellen, wenn er einen Hochofen zur Eisenschmel-
zung angelegt hat und zum Betriebe desselben des vollen
Erzeugnisses seiner Waldungen bedarf. Der Literat, wel-
cher bisher seine Arbeiten an Verleger veräusserte, wird

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0239" n="221"/><fw place="top" type="header">Gebrauchswerth und Tauschwerth.</fw><lb/>
sich im Gefolge, dass der Gebrauchswerth der Güter einem<lb/>
nicht unbeträchtlichen Wechsel unterliegt, und so z. B. die<lb/>
naiven Unterhaltungsmittel des Kindes für den Jüngling, die<lb/>
Bildungsmittel dieses letzteren für den Mann, die Erwerbs-<lb/>
mittel des Mannes für den Greis an Gebrauchswerth einbüssen<lb/>
und einen vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Es ist denn<lb/>
auch keine Erscheinung gewöhnlicher, als dass die Güter, welche<lb/>
für das kindliche Lebensalter einen überwiegenden Gebrauchs-<lb/>
werth hatten, von dem Jünglinge veräussert werden. Wir sehen<lb/>
Personen, die in das Mannesalter treten, der Regel nach nicht<lb/>
nur viele dem Jünglingsalter eigenthümliche Genussmittel, son-<lb/>
dern auch die Bildungsmittel ihrer Jugend veräussern, wie denn<lb/>
auch bei Greisen uns die Erscheinung so häufig entgegetritt,<lb/>
dass sie nicht nur die Genussmittel des Mannesalters, deren<lb/>
Benützung Lebenskraft und Muth erfordert, sondern auch die<lb/>
Erwerbsmittel (Fabriken, Gewerbsunternehmungen u. dgl. m.)<lb/>
in andere Hände gelangen lassen. Wenn die wirthschaftliche Be-<lb/>
wegung, welche eine Folge dieses Umstandes ist, nicht so stark<lb/>
an die Oberfläche der Erscheinungen tritt, als dies dem natür-<lb/>
lichen Verlaufe der Dinge nach der Fall sein müsste, so ist der<lb/>
Grund hievon in dem Familienleben der Menschen zu suchen<lb/>
und dem, nicht so sehr in Folge entgeltlicher Verträge, als<lb/>
vielmehr in Folge der Befriedigung von Gemüthsbedürfnissen<lb/>
vor sich gehenden Uebergange von Gütern aus dem Besitze der<lb/>
ältern Familienglieder in jenen der Jüngern. So ist denn die<lb/>
Familie mit der ihr eigenthümlichen Wirthschaft ein wesent-<lb/>
liches Moment der Stabilität der wirthschaftlichen Verhältnisse<lb/>
der Menschen.</p><lb/>
          <p>Die Erhöhung des Gebrauchswerthes eines Gutes für dessen<lb/>
Besitzer hat naturgemäss den entgegengesetzten Erfolg. Der<lb/>
Besitzer eines Forstes z. B., für welchen die jährlich geschla-<lb/>
gene Holzquantität bisher nur Tauschwerth hatte, wird den<lb/>
Austausch seines Holzes gegen andere Güter der Regel nach<lb/>
sofort einstellen, wenn er einen Hochofen zur Eisenschmel-<lb/>
zung angelegt hat und zum Betriebe desselben des vollen<lb/>
Erzeugnisses seiner Waldungen bedarf. Der Literat, wel-<lb/>
cher bisher seine Arbeiten an Verleger veräusserte, wird<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0239] Gebrauchswerth und Tauschwerth. sich im Gefolge, dass der Gebrauchswerth der Güter einem nicht unbeträchtlichen Wechsel unterliegt, und so z. B. die naiven Unterhaltungsmittel des Kindes für den Jüngling, die Bildungsmittel dieses letzteren für den Mann, die Erwerbs- mittel des Mannes für den Greis an Gebrauchswerth einbüssen und einen vorwiegenden Tauschwerth erlangen. Es ist denn auch keine Erscheinung gewöhnlicher, als dass die Güter, welche für das kindliche Lebensalter einen überwiegenden Gebrauchs- werth hatten, von dem Jünglinge veräussert werden. Wir sehen Personen, die in das Mannesalter treten, der Regel nach nicht nur viele dem Jünglingsalter eigenthümliche Genussmittel, son- dern auch die Bildungsmittel ihrer Jugend veräussern, wie denn auch bei Greisen uns die Erscheinung so häufig entgegetritt, dass sie nicht nur die Genussmittel des Mannesalters, deren Benützung Lebenskraft und Muth erfordert, sondern auch die Erwerbsmittel (Fabriken, Gewerbsunternehmungen u. dgl. m.) in andere Hände gelangen lassen. Wenn die wirthschaftliche Be- wegung, welche eine Folge dieses Umstandes ist, nicht so stark an die Oberfläche der Erscheinungen tritt, als dies dem natür- lichen Verlaufe der Dinge nach der Fall sein müsste, so ist der Grund hievon in dem Familienleben der Menschen zu suchen und dem, nicht so sehr in Folge entgeltlicher Verträge, als vielmehr in Folge der Befriedigung von Gemüthsbedürfnissen vor sich gehenden Uebergange von Gütern aus dem Besitze der ältern Familienglieder in jenen der Jüngern. So ist denn die Familie mit der ihr eigenthümlichen Wirthschaft ein wesent- liches Moment der Stabilität der wirthschaftlichen Verhältnisse der Menschen. Die Erhöhung des Gebrauchswerthes eines Gutes für dessen Besitzer hat naturgemäss den entgegengesetzten Erfolg. Der Besitzer eines Forstes z. B., für welchen die jährlich geschla- gene Holzquantität bisher nur Tauschwerth hatte, wird den Austausch seines Holzes gegen andere Güter der Regel nach sofort einstellen, wenn er einen Hochofen zur Eisenschmel- zung angelegt hat und zum Betriebe desselben des vollen Erzeugnisses seiner Waldungen bedarf. Der Literat, wel- cher bisher seine Arbeiten an Verleger veräusserte, wird

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/239
Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/239>, abgerufen am 27.11.2024.