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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871.

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Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Verfügung über ein Pfund Zwieback für jeden der Reisenden
die volle Bedeutung der Erhaltung seines Lebens, im zweiten
Falle noch eine sehr hohe, im dritten Falle aber gar keine, oder
doch nur eine höchst geringe Bedeutung hat?

Die Bedürfnisse der Schiffsbewohner sind in allen drei
Fällen dieselben geblieben, denn ihre Persönlichkeit und somit
auch ihr Bedarf haben sich nicht geändert. Was sich aber geändert
hat, war die diesem Bedarfe in jedem einzelnen Falle gegen-
überstehende Quantität des obigen Nahrungsmittels, indem dem
gleichen Bedarf der Schiffsbewohner nach Nahrungsmitteln in
dem ersten Falle nur je zehn Pfund, im zweiten eine grössere,
im dritten Falle aber eine noch grössere Quantität gegen-
überstand und somit von Fall zu Fall die Bedeutung jener Be-
dürfnissbefriedigungen sich verminderte, welche von concreten
Theilquantitäten jenes Nahrungsmittels abhängig waren.

Was wir nun aber hier zuerst an einem isolirten Individuum
und hierauf an einer kleinen, von den übrigen Menschen zeit-
weilig abgeschiedenen Gesellschaft beobachten konnten, das gilt
in gleicher Weise auch für die complicirteren Verhältnisse eines
Volkes und der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Der Zu-
stand der Bewohner eines Landes nach einer schweren Miss-
ernte, nach einer Mittelernte und endlich in Jahren, die auf
sehr günstige Ernten folgen, weist Verhältnisse auf, welche den
oben gezeichneten dem Wesen nach analog sind, denn auch
hier steht einem bestimmten Bedarfe in dem ersten Falle eine
geringere verfügbare Quantität von Nahrungsmitteln gegenüber,
als im zweiten, im zweiten aber eine geringere, als im dritten,
so zwar, dass auch hier die Bedeutung der Bedürfnissbefriedi-
gungen, welche von concreten Theilquantitäten abhängen, eine
sehr verschiedene ist. Wenn in einem Lande nach einer über-
reichen Ernte ein Magazin mit 100.000 Metzen Korn verbrennt,
so wird in Folge dieses Unglücksfalles höchstens weniger
Alkohol erzeugt werden, oder aber der ärmere Theil der Be-
wohner jenes Landes im äussersten Falle etwas weniger voll-
ständig sich ernähren können, ohne um dessentwillen Noth zu
leiden; wenn dagegen ein solcher Unfall nach einer Mittelernte
zustösst, werden sich schon viele Menschen viel wichtigere Be-
dürfnissbefriedigungen versagen müssen, trifft indess ein solcher

Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes.
Verfügung über ein Pfund Zwieback für jeden der Reisenden
die volle Bedeutung der Erhaltung seines Lebens, im zweiten
Falle noch eine sehr hohe, im dritten Falle aber gar keine, oder
doch nur eine höchst geringe Bedeutung hat?

Die Bedürfnisse der Schiffsbewohner sind in allen drei
Fällen dieselben geblieben, denn ihre Persönlichkeit und somit
auch ihr Bedarf haben sich nicht geändert. Was sich aber geändert
hat, war die diesem Bedarfe in jedem einzelnen Falle gegen-
überstehende Quantität des obigen Nahrungsmittels, indem dem
gleichen Bedarf der Schiffsbewohner nach Nahrungsmitteln in
dem ersten Falle nur je zehn Pfund, im zweiten eine grössere,
im dritten Falle aber eine noch grössere Quantität gegen-
überstand und somit von Fall zu Fall die Bedeutung jener Be-
dürfnissbefriedigungen sich verminderte, welche von concreten
Theilquantitäten jenes Nahrungsmittels abhängig waren.

Was wir nun aber hier zuerst an einem isolirten Individuum
und hierauf an einer kleinen, von den übrigen Menschen zeit-
weilig abgeschiedenen Gesellschaft beobachten konnten, das gilt
in gleicher Weise auch für die complicirteren Verhältnisse eines
Volkes und der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Der Zu-
stand der Bewohner eines Landes nach einer schweren Miss-
ernte, nach einer Mittelernte und endlich in Jahren, die auf
sehr günstige Ernten folgen, weist Verhältnisse auf, welche den
oben gezeichneten dem Wesen nach analog sind, denn auch
hier steht einem bestimmten Bedarfe in dem ersten Falle eine
geringere verfügbare Quantität von Nahrungsmitteln gegenüber,
als im zweiten, im zweiten aber eine geringere, als im dritten,
so zwar, dass auch hier die Bedeutung der Bedürfnissbefriedi-
gungen, welche von concreten Theilquantitäten abhängen, eine
sehr verschiedene ist. Wenn in einem Lande nach einer über-
reichen Ernte ein Magazin mit 100.000 Metzen Korn verbrennt,
so wird in Folge dieses Unglücksfalles höchstens weniger
Alkohol erzeugt werden, oder aber der ärmere Theil der Be-
wohner jenes Landes im äussersten Falle etwas weniger voll-
ständig sich ernähren können, ohne um dessentwillen Noth zu
leiden; wenn dagegen ein solcher Unfall nach einer Mittelernte
zustösst, werden sich schon viele Menschen viel wichtigere Be-
dürfnissbefriedigungen versagen müssen, trifft indess ein solcher

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[106/0124] Ueber das ursprünglichste Mass des Güterwerthes. Verfügung über ein Pfund Zwieback für jeden der Reisenden die volle Bedeutung der Erhaltung seines Lebens, im zweiten Falle noch eine sehr hohe, im dritten Falle aber gar keine, oder doch nur eine höchst geringe Bedeutung hat? Die Bedürfnisse der Schiffsbewohner sind in allen drei Fällen dieselben geblieben, denn ihre Persönlichkeit und somit auch ihr Bedarf haben sich nicht geändert. Was sich aber geändert hat, war die diesem Bedarfe in jedem einzelnen Falle gegen- überstehende Quantität des obigen Nahrungsmittels, indem dem gleichen Bedarf der Schiffsbewohner nach Nahrungsmitteln in dem ersten Falle nur je zehn Pfund, im zweiten eine grössere, im dritten Falle aber eine noch grössere Quantität gegen- überstand und somit von Fall zu Fall die Bedeutung jener Be- dürfnissbefriedigungen sich verminderte, welche von concreten Theilquantitäten jenes Nahrungsmittels abhängig waren. Was wir nun aber hier zuerst an einem isolirten Individuum und hierauf an einer kleinen, von den übrigen Menschen zeit- weilig abgeschiedenen Gesellschaft beobachten konnten, das gilt in gleicher Weise auch für die complicirteren Verhältnisse eines Volkes und der menschlichen Gesellschaft überhaupt. Der Zu- stand der Bewohner eines Landes nach einer schweren Miss- ernte, nach einer Mittelernte und endlich in Jahren, die auf sehr günstige Ernten folgen, weist Verhältnisse auf, welche den oben gezeichneten dem Wesen nach analog sind, denn auch hier steht einem bestimmten Bedarfe in dem ersten Falle eine geringere verfügbare Quantität von Nahrungsmitteln gegenüber, als im zweiten, im zweiten aber eine geringere, als im dritten, so zwar, dass auch hier die Bedeutung der Bedürfnissbefriedi- gungen, welche von concreten Theilquantitäten abhängen, eine sehr verschiedene ist. Wenn in einem Lande nach einer über- reichen Ernte ein Magazin mit 100.000 Metzen Korn verbrennt, so wird in Folge dieses Unglücksfalles höchstens weniger Alkohol erzeugt werden, oder aber der ärmere Theil der Be- wohner jenes Landes im äussersten Falle etwas weniger voll- ständig sich ernähren können, ohne um dessentwillen Noth zu leiden; wenn dagegen ein solcher Unfall nach einer Mittelernte zustösst, werden sich schon viele Menschen viel wichtigere Be- dürfnissbefriedigungen versagen müssen, trifft indess ein solcher

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Zitationshilfe: Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/124>, abgerufen am 18.12.2024.