Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Der Umstand, dass ein Gut für uns Werth hat, liegt, wie wir sahen, darin, dass die Verfügung darüber für uns die Be- deutung einer Bedürfnissbefriedigung hat, da für dieselbe ohne unsere Verfügung über das Gut nicht vorgesorgt wäre. Nun mögen unsere Bedürfnisse immerhin zum Theile, wenigstens so weit es sich um ihre Entstehung handelt, auch von unserem Willen oder von unserer Gewöhnung abhängen, sind sie aber einmal vorhanden, so ist der Werth, den die Güter für uns haben, dann nichts willkürliches mehr, sondern die zwingende Folge der Erkenntniss ihrer Bedeutung für unser Leben oder unsere Wohlfahrt. Vergeblich würden wir uns dem- nach bemühen, ein Gut für werthlos zu halten, von dem uns bewusst ist, dass von der Verfügung über dasselbe die Befrie- digung eines unserer Bedürfnisse abhängt, vergeblich würden wir uns aber auch bemühen, Gütern, von denen in unserer Be- dürfnissbefriedigung nicht abhängig zu sein wir uns bewusst sind, Werth zuzuschreiben. Der Güterwerth ist demnach nichts willkürliches, sondern überall die nothwendige Folge der Er- kenntniss des Menschen, dass von der Verfügung über ein Gut oder einer Güterquantität die Aufrechterhaltung seines Lebens, seiner Wohlfahrt, oder doch eines, wenn auch noch so gering- fügigen Theiles derselben abhängig ist.
Was aber diese Erkenntniss anbelangt, so können die Menschen in Bezug auf den Werth der Güter ebensowohl irren, wie bei allen übrigen Objecten menschlicher Erkenntniss, und sie können demnach Dingen Werth zuschreiben, welche einen sol- chen der ökonomischen Sachlage nach in Wahrheit nicht haben, wofern sie nämlich irrthümlicherweise annehmen, dass von einem Gute oder einer Güterquantität die mehr oder minder voll- ständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse abhängt, während dies Verhältniss in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, und es tritt uns dann die Erscheinung des eingebildeten Werthes entgegen. --
Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem Wechsel dieses Verhältnisses muss auch der Werth entstehen oder vergehen. Für die Bewohner einer Oase, wel- chen eine Quelle zu Gebote steht, die ihren Bedarf an Wasser vollauf deckt, wird eine bestimmte Quantität davon an der
Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Der Umstand, dass ein Gut für uns Werth hat, liegt, wie wir sahen, darin, dass die Verfügung darüber für uns die Be- deutung einer Bedürfnissbefriedigung hat, da für dieselbe ohne unsere Verfügung über das Gut nicht vorgesorgt wäre. Nun mögen unsere Bedürfnisse immerhin zum Theile, wenigstens so weit es sich um ihre Entstehung handelt, auch von unserem Willen oder von unserer Gewöhnung abhängen, sind sie aber einmal vorhanden, so ist der Werth, den die Güter für uns haben, dann nichts willkürliches mehr, sondern die zwingende Folge der Erkenntniss ihrer Bedeutung für unser Leben oder unsere Wohlfahrt. Vergeblich würden wir uns dem- nach bemühen, ein Gut für werthlos zu halten, von dem uns bewusst ist, dass von der Verfügung über dasselbe die Befrie- digung eines unserer Bedürfnisse abhängt, vergeblich würden wir uns aber auch bemühen, Gütern, von denen in unserer Be- dürfnissbefriedigung nicht abhängig zu sein wir uns bewusst sind, Werth zuzuschreiben. Der Güterwerth ist demnach nichts willkürliches, sondern überall die nothwendige Folge der Er- kenntniss des Menschen, dass von der Verfügung über ein Gut oder einer Güterquantität die Aufrechterhaltung seines Lebens, seiner Wohlfahrt, oder doch eines, wenn auch noch so gering- fügigen Theiles derselben abhängig ist.
Was aber diese Erkenntniss anbelangt, so können die Menschen in Bezug auf den Werth der Güter ebensowohl irren, wie bei allen übrigen Objecten menschlicher Erkenntniss, und sie können demnach Dingen Werth zuschreiben, welche einen sol- chen der ökonomischen Sachlage nach in Wahrheit nicht haben, wofern sie nämlich irrthümlicherweise annehmen, dass von einem Gute oder einer Güterquantität die mehr oder minder voll- ständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse abhängt, während dies Verhältniss in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, und es tritt uns dann die Erscheinung des eingebildeten Werthes entgegen. —
Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem Wechsel dieses Verhältnisses muss auch der Werth entstehen oder vergehen. Für die Bewohner einer Oase, wel- chen eine Quelle zu Gebote steht, die ihren Bedarf an Wasser vollauf deckt, wird eine bestimmte Quantität davon an der
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Ueber das Wesen und den Ursprung des Güterwerthes.
Der Umstand, dass ein Gut für uns Werth hat, liegt, wie
wir sahen, darin, dass die Verfügung darüber für uns die Be-
deutung einer Bedürfnissbefriedigung hat, da für dieselbe ohne
unsere Verfügung über das Gut nicht vorgesorgt wäre. Nun
mögen unsere Bedürfnisse immerhin zum Theile, wenigstens so
weit es sich um ihre Entstehung handelt, auch von unserem
Willen oder von unserer Gewöhnung abhängen, sind sie aber
einmal vorhanden, so ist der Werth, den die Güter für uns
haben, dann nichts willkürliches mehr, sondern die
zwingende Folge der Erkenntniss ihrer Bedeutung für unser
Leben oder unsere Wohlfahrt. Vergeblich würden wir uns dem-
nach bemühen, ein Gut für werthlos zu halten, von dem uns
bewusst ist, dass von der Verfügung über dasselbe die Befrie-
digung eines unserer Bedürfnisse abhängt, vergeblich würden
wir uns aber auch bemühen, Gütern, von denen in unserer Be-
dürfnissbefriedigung nicht abhängig zu sein wir uns bewusst
sind, Werth zuzuschreiben. Der Güterwerth ist demnach nichts
willkürliches, sondern überall die nothwendige Folge der Er-
kenntniss des Menschen, dass von der Verfügung über ein Gut
oder einer Güterquantität die Aufrechterhaltung seines Lebens,
seiner Wohlfahrt, oder doch eines, wenn auch noch so gering-
fügigen Theiles derselben abhängig ist.
Was aber diese Erkenntniss anbelangt, so können die
Menschen in Bezug auf den Werth der Güter ebensowohl irren,
wie bei allen übrigen Objecten menschlicher Erkenntniss, und
sie können demnach Dingen Werth zuschreiben, welche einen sol-
chen der ökonomischen Sachlage nach in Wahrheit nicht haben,
wofern sie nämlich irrthümlicherweise annehmen, dass von einem
Gute oder einer Güterquantität die mehr oder minder voll-
ständige Befriedigung ihrer Bedürfnisse abhängt, während dies
Verhältniss in Wirklichkeit nicht vorhanden ist, und es tritt uns
dann die Erscheinung des eingebildeten Werthes entgegen. —
Der Güterwerth ist in der Beziehung der Güter zu unseren
Bedürfnissen begründet, nicht in den Gütern selbst. Mit dem
Wechsel dieses Verhältnisses muss auch der Werth
entstehen oder vergehen. Für die Bewohner einer Oase, wel-
chen eine Quelle zu Gebote steht, die ihren Bedarf an Wasser
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Menger, Carl: Grundsätze der Volkswirthschaftslehre. Wien, 1871, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/menger_volkswirtschaftslehre_1871/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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