Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit
allein die seligmachende bist, auf der Erde, so
wie im Himmel.

Bann und Verweisungsrecht, das sich
der Staat zuweilen erlauben darf, sind dem
Geiste der Religion schnurstracks zuwider. Ver-
bannen, ausschließen, den Bruder abweisen,
der an meiner Erbauung Theil nehmen, und
sein Herz in wohlthätiger Mittheilung, mit
dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! --
Wenn sich die Religion keine willkührliche Stra-
fen erlaubt, am wenigsten diese Seelenquaal,
die ach! nur dem empfindlich ist, der wirklich
Religion hat. Gehet die Unglücklichen alle
durch, die von je her durch Bann und Ver-
dammniß haben gebessert werden sollen; Leser!
welcher äusserlichen Kirche, Synagoge oder
Moschee du auch anhängest! untersuche, ob du
nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah-
re Religion antreffen wirst, als in dem ungleich
größern Haufen ihrer Verbanner? -- Nun
hat die Verbannung entweder bürgerliche Fol-
gen, oder sie hat keine. Ziehet sie bürgerliches

Elend

der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit
allein die ſeligmachende biſt, auf der Erde, ſo
wie im Himmel.

Bann und Verweiſungsrecht, das ſich
der Staat zuweilen erlauben darf, ſind dem
Geiſte der Religion ſchnurſtracks zuwider. Ver-
bannen, ausſchließen, den Bruder abweiſen,
der an meiner Erbauung Theil nehmen, und
ſein Herz in wohlthaͤtiger Mittheilung, mit
dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! —
Wenn ſich die Religion keine willkuͤhrliche Stra-
fen erlaubt, am wenigſten dieſe Seelenquaal,
die ach! nur dem empfindlich iſt, der wirklich
Religion hat. Gehet die Ungluͤcklichen alle
durch, die von je her durch Bann und Ver-
dammniß haben gebeſſert werden ſollen; Leſer!
welcher aͤuſſerlichen Kirche, Synagoge oder
Moſchee du auch anhaͤngeſt! unterſuche, ob du
nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah-
re Religion antreffen wirſt, als in dem ungleich
groͤßern Haufen ihrer Verbanner? — Nun
hat die Verbannung entweder buͤrgerliche Fol-
gen, oder ſie hat keine. Ziehet ſie buͤrgerliches

Elend
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0098" n="92"/>
der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit<lb/>
allein die &#x017F;eligmachende bi&#x017F;t, auf der Erde, &#x017F;o<lb/>
wie im Himmel.</p><lb/>
      <p>Bann und Verwei&#x017F;ungsrecht, das &#x017F;ich<lb/>
der Staat zuweilen erlauben darf, &#x017F;ind dem<lb/>
Gei&#x017F;te der Religion &#x017F;chnur&#x017F;tracks zuwider. Ver-<lb/>
bannen, aus&#x017F;chließen, den Bruder abwei&#x017F;en,<lb/>
der an meiner Erbauung Theil nehmen, und<lb/>
&#x017F;ein Herz in wohltha&#x0364;tiger Mittheilung, mit<lb/>
dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! &#x2014;<lb/>
Wenn &#x017F;ich die Religion keine willku&#x0364;hrliche Stra-<lb/>
fen erlaubt, am wenig&#x017F;ten die&#x017F;e Seelenquaal,<lb/>
die ach! nur dem empfindlich i&#x017F;t, der wirklich<lb/>
Religion hat. Gehet die Unglu&#x0364;cklichen alle<lb/>
durch, die von je her durch Bann und Ver-<lb/>
dammniß haben gebe&#x017F;&#x017F;ert werden &#x017F;ollen; Le&#x017F;er!<lb/>
welcher a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erlichen Kirche, Synagoge oder<lb/>
Mo&#x017F;chee du auch anha&#x0364;nge&#x017F;t! unter&#x017F;uche, ob du<lb/>
nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah-<lb/>
re Religion antreffen wir&#x017F;t, als in dem ungleich<lb/>
gro&#x0364;ßern Haufen ihrer Verbanner? &#x2014; Nun<lb/>
hat die Verbannung entweder bu&#x0364;rgerliche Fol-<lb/>
gen, oder &#x017F;ie hat keine. Ziehet &#x017F;ie bu&#x0364;rgerliches<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Elend</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0098] der Gottheit! Religion! die du in Wahrheit allein die ſeligmachende biſt, auf der Erde, ſo wie im Himmel. Bann und Verweiſungsrecht, das ſich der Staat zuweilen erlauben darf, ſind dem Geiſte der Religion ſchnurſtracks zuwider. Ver- bannen, ausſchließen, den Bruder abweiſen, der an meiner Erbauung Theil nehmen, und ſein Herz in wohlthaͤtiger Mittheilung, mit dem Meinigen zugleich zu Gott erheben will! — Wenn ſich die Religion keine willkuͤhrliche Stra- fen erlaubt, am wenigſten dieſe Seelenquaal, die ach! nur dem empfindlich iſt, der wirklich Religion hat. Gehet die Ungluͤcklichen alle durch, die von je her durch Bann und Ver- dammniß haben gebeſſert werden ſollen; Leſer! welcher aͤuſſerlichen Kirche, Synagoge oder Moſchee du auch anhaͤngeſt! unterſuche, ob du nicht in dem Haufen der Verbannten mehr wah- re Religion antreffen wirſt, als in dem ungleich groͤßern Haufen ihrer Verbanner? — Nun hat die Verbannung entweder buͤrgerliche Fol- gen, oder ſie hat keine. Ziehet ſie buͤrgerliches Elend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/98
Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/98>, abgerufen am 24.11.2024.