Geschehene wird dadurch nicht ungeschehen, wenn sie itzt auf die Früchte Verzicht thun, die sie davon genießen; ja die Unordnung, das Aergerniß und andere böse Folgen, die das Aufgeben ihres Amts, verbunden mit einem öffentlichen Bekenntniß ihrer Abweichung, nach sich ziehen dürfte, könnte das Uebel nur ver- mehren. Es sey also allen ihren Mitmenschen, sowohl als ihnen selbst und den Ihrigen besser gerathen, wenn sie es dabey bewenden lassen, und fortfahren, den Staaten und der Kirche die Dienste zu leisten, zu welchen ihnen die Vorse- hung Trieb und Fähigkeit verliehen; Hierin liege ihr Beruf zur öffentlichen Bedienung, nicht in ihrer Gesinnung in Absicht auf ewige Wahrheiten und Vernunfrsätze, die im Grun- de nur sie selbst und keinen ihrer Nebenmen- schen angehet. -- Wenn gleich mancher zu gewissenhaft ist, sein Glück solchen überfeinen Entschuldigungsgründen zu verdanken zu haben; so sind doch auch diejenigen nicht völlig zu ver- dammen, die schwach genug sind, ihnen nach- zugeben; wenigstens ist es nicht Meineid, son- dern menschliche Schwachheit, die ich Männern
von
F 2
Geſchehene wird dadurch nicht ungeſchehen, wenn ſie itzt auf die Fruͤchte Verzicht thun, die ſie davon genießen; ja die Unordnung, das Aergerniß und andere boͤſe Folgen, die das Aufgeben ihres Amts, verbunden mit einem oͤffentlichen Bekenntniß ihrer Abweichung, nach ſich ziehen duͤrfte, koͤnnte das Uebel nur ver- mehren. Es ſey alſo allen ihren Mitmenſchen, ſowohl als ihnen ſelbſt und den Ihrigen beſſer gerathen, wenn ſie es dabey bewenden laſſen, und fortfahren, den Staaten und der Kirche die Dienſte zu leiſten, zu welchen ihnen die Vorſe- hung Trieb und Faͤhigkeit verliehen; Hierin liege ihr Beruf zur oͤffentlichen Bedienung, nicht in ihrer Geſinnung in Abſicht auf ewige Wahrheiten und Vernunfrſaͤtze, die im Grun- de nur ſie ſelbſt und keinen ihrer Nebenmen- ſchen angehet. — Wenn gleich mancher zu gewiſſenhaft iſt, ſein Gluͤck ſolchen uͤberfeinen Entſchuldigungsgruͤnden zu verdanken zu haben; ſo ſind doch auch diejenigen nicht voͤllig zu ver- dammen, die ſchwach genug ſind, ihnen nach- zugeben; wenigſtens iſt es nicht Meineid, ſon- dern menſchliche Schwachheit, die ich Maͤnnern
von
F 2
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0089"n="83"/>
Geſchehene wird dadurch nicht ungeſchehen,<lb/>
wenn ſie itzt auf die Fruͤchte Verzicht thun, die<lb/>ſie davon genießen; ja die Unordnung, das<lb/>
Aergerniß und andere boͤſe Folgen, die das<lb/>
Aufgeben ihres Amts, verbunden mit einem<lb/>
oͤffentlichen Bekenntniß ihrer Abweichung, nach<lb/>ſich ziehen duͤrfte, koͤnnte das Uebel nur ver-<lb/>
mehren. Es ſey alſo allen ihren Mitmenſchen,<lb/>ſowohl als ihnen ſelbſt und den Ihrigen beſſer<lb/>
gerathen, wenn ſie es dabey bewenden laſſen,<lb/>
und fortfahren, den Staaten und der Kirche die<lb/>
Dienſte zu leiſten, zu welchen ihnen die Vorſe-<lb/>
hung Trieb und Faͤhigkeit verliehen; Hierin<lb/>
liege ihr Beruf zur oͤffentlichen Bedienung,<lb/>
nicht in ihrer Geſinnung in Abſicht auf ewige<lb/>
Wahrheiten und Vernunfrſaͤtze, die im Grun-<lb/>
de nur ſie ſelbſt und keinen ihrer Nebenmen-<lb/>ſchen angehet. — Wenn gleich mancher zu<lb/>
gewiſſenhaft iſt, ſein Gluͤck ſolchen uͤberfeinen<lb/>
Entſchuldigungsgruͤnden zu verdanken zu haben;<lb/>ſo ſind doch auch diejenigen nicht voͤllig zu ver-<lb/>
dammen, die ſchwach genug ſind, ihnen nach-<lb/>
zugeben; wenigſtens iſt es nicht Meineid, ſon-<lb/>
dern menſchliche Schwachheit, die ich Maͤnnern<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">von</fw><lb/></p></body></text></TEI>
[83/0089]
Geſchehene wird dadurch nicht ungeſchehen,
wenn ſie itzt auf die Fruͤchte Verzicht thun, die
ſie davon genießen; ja die Unordnung, das
Aergerniß und andere boͤſe Folgen, die das
Aufgeben ihres Amts, verbunden mit einem
oͤffentlichen Bekenntniß ihrer Abweichung, nach
ſich ziehen duͤrfte, koͤnnte das Uebel nur ver-
mehren. Es ſey alſo allen ihren Mitmenſchen,
ſowohl als ihnen ſelbſt und den Ihrigen beſſer
gerathen, wenn ſie es dabey bewenden laſſen,
und fortfahren, den Staaten und der Kirche die
Dienſte zu leiſten, zu welchen ihnen die Vorſe-
hung Trieb und Faͤhigkeit verliehen; Hierin
liege ihr Beruf zur oͤffentlichen Bedienung,
nicht in ihrer Geſinnung in Abſicht auf ewige
Wahrheiten und Vernunfrſaͤtze, die im Grun-
de nur ſie ſelbſt und keinen ihrer Nebenmen-
ſchen angehet. — Wenn gleich mancher zu
gewiſſenhaft iſt, ſein Gluͤck ſolchen uͤberfeinen
Entſchuldigungsgruͤnden zu verdanken zu haben;
ſo ſind doch auch diejenigen nicht voͤllig zu ver-
dammen, die ſchwach genug ſind, ihnen nach-
zugeben; wenigſtens iſt es nicht Meineid, ſon-
dern menſchliche Schwachheit, die ich Maͤnnern
von
F 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/89>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.