wie sie vor Jahrhunderten in Worte eingeklei- det worden sind, in sogenannten Symbolen vor; ihr lasset ihm bey jenem allerheiligsten Na- men betheuern, daß er bei diesen Worten eben so denket, wie ihr, und beide eben so, wie jener, der sie vor Jahrhunderten niederge- schrieben hat; betheuern, daß er diese Sätze von ganzem Herzen annehme, und an keinem derselben Zweifel hege; mit dieser beschwornen Uebereinstimmung verbindet ihr Amt und Wür- den, Macht und Einfluß, deren Reizung gar wohl fähig ist, so manchen Widerspruch zu he- ben, so manchen Zweifel zu unterdrücken, und wenn sich denn am Ende hervorthut, daß es so nicht ist mit des Mannes Ueberzeugung, wie er vorgegeben; so beschuldiget ihr ihn des gräßlichsten aller Verbrechen, ihr klaget ihn des Meineides an, und lasset erfolgen, was auf diese Unthat erfolgen soll. Ist hier die Schuld nicht, am gelindesten davon zu urthei- len, auf beiden Seiten gleich?
"Ja! sprechen die billigsten unter euch: "wir beeidigen nicht auf den Glauben. Wir "lassen dem Gewissen seine Freyheit, und be-
schwö-
wie ſie vor Jahrhunderten in Worte eingeklei- det worden ſind, in ſogenannten Symbolen vor; ihr laſſet ihm bey jenem allerheiligſten Na- men betheuern, daß er bei dieſen Worten eben ſo denket, wie ihr, und beide eben ſo, wie jener, der ſie vor Jahrhunderten niederge- ſchrieben hat; betheuern, daß er dieſe Saͤtze von ganzem Herzen annehme, und an keinem derſelben Zweifel hege; mit dieſer beſchwornen Uebereinſtimmung verbindet ihr Amt und Wuͤr- den, Macht und Einfluß, deren Reizung gar wohl faͤhig iſt, ſo manchen Widerſpruch zu he- ben, ſo manchen Zweifel zu unterdruͤcken, und wenn ſich denn am Ende hervorthut, daß es ſo nicht iſt mit des Mannes Ueberzeugung, wie er vorgegeben; ſo beſchuldiget ihr ihn des graͤßlichſten aller Verbrechen, ihr klaget ihn des Meineides an, und laſſet erfolgen, was auf dieſe Unthat erfolgen ſoll. Iſt hier die Schuld nicht, am gelindeſten davon zu urthei- len, auf beiden Seiten gleich?
„Ja! ſprechen die billigſten unter euch: „wir beeidigen nicht auf den Glauben. Wir „laſſen dem Gewiſſen ſeine Freyheit, und be-
ſchwoͤ-
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wie ſie vor Jahrhunderten in Worte eingeklei-
det worden ſind, in ſogenannten Symbolen
vor; ihr laſſet ihm bey jenem allerheiligſten Na-
men betheuern, daß er bei dieſen Worten eben
ſo denket, wie ihr, und beide eben ſo, wie
jener, der ſie vor Jahrhunderten niederge-
ſchrieben hat; betheuern, daß er dieſe Saͤtze
von ganzem Herzen annehme, und an keinem
derſelben Zweifel hege; mit dieſer beſchwornen
Uebereinſtimmung verbindet ihr Amt und Wuͤr-
den, Macht und Einfluß, deren Reizung gar
wohl faͤhig iſt, ſo manchen Widerſpruch zu he-
ben, ſo manchen Zweifel zu unterdruͤcken, und
wenn ſich denn am Ende hervorthut, daß es ſo
nicht iſt mit des Mannes Ueberzeugung, wie
er vorgegeben; ſo beſchuldiget ihr ihn des
graͤßlichſten aller Verbrechen, ihr klaget ihn
des Meineides an, und laſſet erfolgen, was
auf dieſe Unthat erfolgen ſoll. Iſt hier die
Schuld nicht, am gelindeſten davon zu urthei-
len, auf beiden Seiten gleich?
„Ja! ſprechen die billigſten unter euch:
„wir beeidigen nicht auf den Glauben. Wir
„laſſen dem Gewiſſen ſeine Freyheit, und be-
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/85>, abgerufen am 16.02.2025.
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