lich mit der Lebensart, welche diese Beschäfti- gung erfordert, so unvereinbar, daß die min- deste Anhänglichkeit an Gewinnen und Erwerben diesen Stand zu erniedrigen scheinet. Das Ver- langen nach Reichtum, das man jedem andern Stande gern zu Gute hält, scheinet uns bey die- sem Geiz und Habsucht, oder artet bey Män- nern, die sich diesem edlen Geschäfte widmen, wirklich gar bald in Geiz und Habsucht aus, weil es ihrem Berufe so widernatürlich ist. Höchstens kann ihnen Entschädigung für Zeit- versäumniß eingeräumt werden, und diese aus- zumitteln und zu ertheilen, ist ein Geschäft des Staats, nicht der Kirche. Was hat die Kirche mit Dingen zu schaffen, die feil sind, bedungen und bezahlt werden? Die Zeit macht einen Theil von unserm Vermögen aus, und wer sie zum gemeinen Besten anwendet, darf hoffen, aus dem gemeinen Schatze dafür entschädiget zu werden. Die Kirche lohnet nicht, die Religion kauft nichts, bezahlet nichts, giebt keinen Sold.
Dieses sind, meinem Bedünken nach, die Gränzen zwischen Staat und Kirche, in so weit sie auf die Handlungen der Menschen Einfluß
haben.
lich mit der Lebensart, welche dieſe Beſchaͤfti- gung erfordert, ſo unvereinbar, daß die min- deſte Anhaͤnglichkeit an Gewinnen und Erwerben dieſen Stand zu erniedrigen ſcheinet. Das Ver- langen nach Reichtum, das man jedem andern Stande gern zu Gute haͤlt, ſcheinet uns bey die- ſem Geiz und Habſucht, oder artet bey Maͤn- nern, die ſich dieſem edlen Geſchaͤfte widmen, wirklich gar bald in Geiz und Habſucht aus, weil es ihrem Berufe ſo widernatuͤrlich iſt. Hoͤchſtens kann ihnen Entſchaͤdigung fuͤr Zeit- verſaͤumniß eingeraͤumt werden, und dieſe aus- zumitteln und zu ertheilen, iſt ein Geſchaͤft des Staats, nicht der Kirche. Was hat die Kirche mit Dingen zu ſchaffen, die feil ſind, bedungen und bezahlt werden? Die Zeit macht einen Theil von unſerm Vermoͤgen aus, und wer ſie zum gemeinen Beſten anwendet, darf hoffen, aus dem gemeinen Schatze dafuͤr entſchaͤdiget zu werden. Die Kirche lohnet nicht, die Religion kauft nichts, bezahlet nichts, giebt keinen Sold.
Dieſes ſind, meinem Beduͤnken nach, die Graͤnzen zwiſchen Staat und Kirche, in ſo weit ſie auf die Handlungen der Menſchen Einfluß
haben.
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lich mit der Lebensart, welche dieſe Beſchaͤfti-
gung erfordert, ſo unvereinbar, daß die min-
deſte Anhaͤnglichkeit an Gewinnen und Erwerben
dieſen Stand zu erniedrigen ſcheinet. Das Ver-
langen nach Reichtum, das man jedem andern
Stande gern zu Gute haͤlt, ſcheinet uns bey die-
ſem Geiz und Habſucht, oder artet bey Maͤn-
nern, die ſich dieſem edlen Geſchaͤfte widmen,
wirklich gar bald in Geiz und Habſucht aus,
weil es ihrem Berufe ſo widernatuͤrlich iſt.
Hoͤchſtens kann ihnen Entſchaͤdigung fuͤr Zeit-
verſaͤumniß eingeraͤumt werden, und dieſe aus-
zumitteln und zu ertheilen, iſt ein Geſchaͤft des
Staats, nicht der Kirche. Was hat die Kirche
mit Dingen zu ſchaffen, die feil ſind, bedungen
und bezahlt werden? Die Zeit macht einen Theil
von unſerm Vermoͤgen aus, und wer ſie zum
gemeinen Beſten anwendet, darf hoffen, aus
dem gemeinen Schatze dafuͤr entſchaͤdiget zu
werden. Die Kirche lohnet nicht, die Religion
kauft nichts, bezahlet nichts, giebt keinen Sold.
Dieſes ſind, meinem Beduͤnken nach, die
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ſie auf die Handlungen der Menſchen Einfluß
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/70>, abgerufen am 16.07.2024.
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