Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.die Menschen durch Verabredung den Stand Gesell- gehren, seine bey der jüdischen Religion gebliebene
Ehefrau zu behalten, und der Proceß soll anhängig gemacht seyn. Genannter Verfasser entscheidet nach dem System der Freyheit. "Man vermuthet "mit Recht, spricht er, daß die Verschiedenheit "der Religion für keine gültige Ursache zur Ehe- "scheidung erkannt werden werde. Nach den "Grundsätzen des weisen Josephs, dürfte wohl "Unterschied in kirchlichen Meinungen nicht gesell- "schaftlichen Banden entgegen stehen dürfen." Sehr übereilt, wie mich dünkt. Ich hoffe, ein eben so gerechter als weiser Imperator wird auch die Gegengründe anhören, und nicht zugeben, daß das System der Freyheit zur Bedrückung und Gewaltthätigkeit gemißbraucht werde. -- Ist die Ehe blos ein bürgerlicher Contrakt, wie doch zwi- schen Jude und Jüdinn, selbst nach katholischen Grundsätzen, die Ehe nichts anders seyn kann; so müssen die Worte und Bedingen des Contrakts nach dem Sinne der Contrahenten ausgelegt und erklärt werden, nicht nach dem Sinne des Gesetz- gebers oder Richters. Wenn nach den Grundsätzen der Contrahenten mit Zuverlässigkeit behauptet werden kann, daß sie gewisse Worte so, und nicht anders die Menſchen durch Verabredung den Stand Geſell- gehren, ſeine bey der juͤdiſchen Religion gebliebene
Ehefrau zu behalten, und der Proceß ſoll anhaͤngig gemacht ſeyn. Genannter Verfaſſer entſcheidet nach dem Syſtem der Freyheit. „Man vermuthet „mit Recht, ſpricht er, daß die Verſchiedenheit „der Religion fuͤr keine guͤltige Urſache zur Ehe- „ſcheidung erkannt werden werde. Nach den „Grundſaͤtzen des weiſen Joſephs, duͤrfte wohl „Unterſchied in kirchlichen Meinungen nicht geſell- „ſchaftlichen Banden entgegen ſtehen duͤrfen.“ Sehr uͤbereilt, wie mich duͤnkt. Ich hoffe, ein eben ſo gerechter als weiſer Imperator wird auch die Gegengruͤnde anhoͤren, und nicht zugeben, daß das Syſtem der Freyheit zur Bedruͤckung und Gewaltthaͤtigkeit gemißbraucht werde. — Iſt die Ehe blos ein buͤrgerlicher Contrakt, wie doch zwi- ſchen Jude und Juͤdinn, ſelbſt nach katholiſchen Grundſaͤtzen, die Ehe nichts anders ſeyn kann; ſo muͤſſen die Worte und Bedingen des Contrakts nach dem Sinne der Contrahenten ausgelegt und erklaͤrt werden, nicht nach dem Sinne des Geſetz- gebers oder Richters. Wenn nach den Grundſaͤtzen der Contrahenten mit Zuverlaͤſſigkeit behauptet werden kann, daß ſie gewiſſe Worte ſo, und nicht anders <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0048" n="42"/> die Menſchen durch Verabredung den Stand<lb/> der Natur verlaſſen, und in den Stand der<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Geſell-</fw><lb/><note next="#seg2pn_2_3" xml:id="seg2pn_2_2" prev="#seg2pn_2_1" place="foot" n="*)"><p>gehren, ſeine bey der juͤdiſchen Religion gebliebene<lb/> Ehefrau zu behalten, und der Proceß ſoll anhaͤngig<lb/> gemacht ſeyn. Genannter Verfaſſer entſcheidet<lb/> nach dem Syſtem der Freyheit. „Man vermuthet<lb/> „mit Recht, ſpricht er, daß die Verſchiedenheit<lb/> „der Religion fuͤr keine guͤltige Urſache zur Ehe-<lb/> „ſcheidung erkannt werden werde. Nach den<lb/> „Grundſaͤtzen des weiſen Joſephs, duͤrfte wohl<lb/> „Unterſchied in kirchlichen Meinungen nicht geſell-<lb/> „ſchaftlichen Banden entgegen ſtehen duͤrfen.“</p><lb/><p>Sehr uͤbereilt, wie mich duͤnkt. Ich hoffe,<lb/> ein eben ſo gerechter als weiſer Imperator wird<lb/> auch die Gegengruͤnde anhoͤren, und nicht zugeben,<lb/> daß das Syſtem der Freyheit zur Bedruͤckung und<lb/> Gewaltthaͤtigkeit gemißbraucht werde. — Iſt die<lb/> Ehe blos ein buͤrgerlicher Contrakt, wie doch zwi-<lb/> ſchen Jude und Juͤdinn, ſelbſt nach katholiſchen<lb/> Grundſaͤtzen, die Ehe nichts anders ſeyn kann; ſo<lb/> muͤſſen die Worte und Bedingen des Contrakts<lb/> nach dem Sinne der Contrahenten ausgelegt und<lb/> erklaͤrt werden, nicht nach dem Sinne des Geſetz-<lb/> gebers oder Richters. Wenn nach den Grundſaͤtzen<lb/> der Contrahenten mit Zuverlaͤſſigkeit <choice><sic>behanptet</sic><corr>behauptet</corr></choice><lb/> werden kann, daß ſie gewiſſe Worte ſo, und nicht</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">anders</fw></note><lb/></p> </body> </text> </TEI> [42/0048]
die Menſchen durch Verabredung den Stand
der Natur verlaſſen, und in den Stand der
Geſell-
*)
*) gehren, ſeine bey der juͤdiſchen Religion gebliebene
Ehefrau zu behalten, und der Proceß ſoll anhaͤngig
gemacht ſeyn. Genannter Verfaſſer entſcheidet
nach dem Syſtem der Freyheit. „Man vermuthet
„mit Recht, ſpricht er, daß die Verſchiedenheit
„der Religion fuͤr keine guͤltige Urſache zur Ehe-
„ſcheidung erkannt werden werde. Nach den
„Grundſaͤtzen des weiſen Joſephs, duͤrfte wohl
„Unterſchied in kirchlichen Meinungen nicht geſell-
„ſchaftlichen Banden entgegen ſtehen duͤrfen.“
Sehr uͤbereilt, wie mich duͤnkt. Ich hoffe,
ein eben ſo gerechter als weiſer Imperator wird
auch die Gegengruͤnde anhoͤren, und nicht zugeben,
daß das Syſtem der Freyheit zur Bedruͤckung und
Gewaltthaͤtigkeit gemißbraucht werde. — Iſt die
Ehe blos ein buͤrgerlicher Contrakt, wie doch zwi-
ſchen Jude und Juͤdinn, ſelbſt nach katholiſchen
Grundſaͤtzen, die Ehe nichts anders ſeyn kann; ſo
muͤſſen die Worte und Bedingen des Contrakts
nach dem Sinne der Contrahenten ausgelegt und
erklaͤrt werden, nicht nach dem Sinne des Geſetz-
gebers oder Richters. Wenn nach den Grundſaͤtzen
der Contrahenten mit Zuverlaͤſſigkeit behauptet
werden kann, daß ſie gewiſſe Worte ſo, und nicht
anders
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |