tel, die Gesinnungen, und vermittelst derselben, die Sitten der Menschen zu verbessern, als Ueberzeu- gung. Gesetze verändern keine Gesinnung, will- kürliche Strafen und Belohnung erzeugen keine Grundsätze, veredeln keine Sitten. Furcht und Hoffnung sind keine Kriterien der Wahrheit. Er- kenntniß, Vernunftgründe, Ueberzeugung, diese allein bringen Grundsätze hervor, die, durch An- sehen und Beyspiel, in Sitten übergehen können. Und hier ist es, wo die Religion dem Staat zu Hülfe kommen, und die Kirche eine Stütze der bürgerlichen Glückseligkeit werden soll. Ihr kömmt es zu, das Volk auf die nachdrücklichste Weise von der Wahrheit edler Grundsätze und Gesinnungen zu überführen; ihnen zu zeigen, daß die Pflichten gegen Menschen auch Pflichten gegen Gott seyen, die zu übertreten, schon an und für sich höchstes Elend sey; daß dem Staate dienen ein wahrer Gottesdienst, Recht und Ge- rechtigkeit der Befehl Gottes, und Wohlthun sein allerheiligster Wille sey, und daß wahre Er- kenntniß des Schöpfers keinen Menschenhaß in der Seele zurücklassen könne. Dieses zu lehren, ist Amt und Pflicht und Beruf der Religion; dieses zu predigen Amt und Pflicht und Beruf
ihrer
tel, die Geſinnungen, und vermittelſt derſelben, die Sitten der Menſchen zu verbeſſern, als Ueberzeu- gung. Geſetze veraͤndern keine Geſinnung, will- kuͤrliche Strafen und Belohnung erzeugen keine Grundſaͤtze, veredeln keine Sitten. Furcht und Hoffnung ſind keine Kriterien der Wahrheit. Er- kenntniß, Vernunftgruͤnde, Ueberzeugung, dieſe allein bringen Grundſaͤtze hervor, die, durch An- ſehen und Beyſpiel, in Sitten uͤbergehen koͤnnen. Und hier iſt es, wo die Religion dem Staat zu Huͤlfe kommen, und die Kirche eine Stuͤtze der buͤrgerlichen Gluͤckſeligkeit werden ſoll. Ihr koͤmmt es zu, das Volk auf die nachdruͤcklichſte Weiſe von der Wahrheit edler Grundſaͤtze und Geſinnungen zu uͤberfuͤhren; ihnen zu zeigen, daß die Pflichten gegen Menſchen auch Pflichten gegen Gott ſeyen, die zu uͤbertreten, ſchon an und fuͤr ſich hoͤchſtes Elend ſey; daß dem Staate dienen ein wahrer Gottesdienſt, Recht und Ge- rechtigkeit der Befehl Gottes, und Wohlthun ſein allerheiligſter Wille ſey, und daß wahre Er- kenntniß des Schoͤpfers keinen Menſchenhaß in der Seele zuruͤcklaſſen koͤnne. Dieſes zu lehren, iſt Amt und Pflicht und Beruf der Religion; dieſes zu predigen Amt und Pflicht und Beruf
ihrer
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tel, die Geſinnungen, und vermittelſt derſelben, die
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gung. Geſetze veraͤndern keine Geſinnung, will-
kuͤrliche Strafen und Belohnung erzeugen keine
Grundſaͤtze, veredeln keine Sitten. Furcht und
Hoffnung ſind keine Kriterien der Wahrheit. Er-
kenntniß, Vernunftgruͤnde, Ueberzeugung, dieſe
allein bringen Grundſaͤtze hervor, die, durch An-
ſehen und Beyſpiel, in Sitten uͤbergehen koͤnnen.
Und hier iſt es, wo die Religion dem Staat zu
Huͤlfe kommen, und die Kirche eine Stuͤtze der
buͤrgerlichen Gluͤckſeligkeit werden ſoll. Ihr
koͤmmt es zu, das Volk auf die nachdruͤcklichſte
Weiſe von der Wahrheit edler Grundſaͤtze und
Geſinnungen zu uͤberfuͤhren; ihnen zu zeigen,
daß die Pflichten gegen Menſchen auch Pflichten
gegen Gott ſeyen, die zu uͤbertreten, ſchon an
und fuͤr ſich hoͤchſtes Elend ſey; daß dem Staate
dienen ein wahrer Gottesdienſt, Recht und Ge-
rechtigkeit der Befehl Gottes, und Wohlthun
ſein allerheiligſter Wille ſey, und daß wahre Er-
kenntniß des Schoͤpfers keinen Menſchenhaß in
der Seele zuruͤcklaſſen koͤnne. Dieſes zu lehren,
iſt Amt und Pflicht und Beruf der Religion;
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/30>, abgerufen am 16.07.2024.
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