keit entgegen setzet. Und diese Verwirrung der Begriffe bleibt nicht ohne praktische Folgen. Sie verrückt den Wirkungskreis der menschlichen Fä- higkeiten, und spannet seine Kräfte über das Ziel hinaus, das ihm von der Vorsehung mit so vieler Weisheit gesetzt worden. "Auf dem "dunkeln Pfade, man erlaube, daß ich meine "eigenen Worte *) hier anführe, auf dem dun- "keln Pfade, den der Mensch hier zu wandeln "hat, ist ihm gerade so viel Licht beschieden, "als zu den nächsten Schritten, die er zu "thun hat, nöthig ist. Ein mehreres würde "ihn nur blenden, und jedes Seitenlicht nur "verwirren." Es ist nöthig, daß der Mensch unaufhörlich erinnert werde, mit diesem Leben sey nicht alles aus für ihn; es stehe ihm eine endlose Zukunft bevor, zu welcher sein Leben hie- nieden eine Vorbereitung sey, so wie in der gan- zen Schöpfung jedes Gegenwärtige eine Vorbe- reitung aufs Künftige ist. Dieses Leben, sagen die Rabbinen, ist ein Vorgemach, in welchem man sich so anschicken muß, wie man im innern
Zim-
*) S. Anmerk. zu Abbts freundschaftlicher Cor- respondenz. S. 28.
keit entgegen ſetzet. Und dieſe Verwirrung der Begriffe bleibt nicht ohne praktiſche Folgen. Sie verruͤckt den Wirkungskreis der menſchlichen Faͤ- higkeiten, und ſpannet ſeine Kraͤfte uͤber das Ziel hinaus, das ihm von der Vorſehung mit ſo vieler Weisheit geſetzt worden. „Auf dem „dunkeln Pfade, man erlaube, daß ich meine „eigenen Worte *) hier anfuͤhre, auf dem dun- „keln Pfade, den der Menſch hier zu wandeln „hat, iſt ihm gerade ſo viel Licht beſchieden, „als zu den naͤchſten Schritten, die er zu „thun hat, noͤthig iſt. Ein mehreres wuͤrde „ihn nur blenden, und jedes Seitenlicht nur „verwirren.„ Es iſt noͤthig, daß der Menſch unaufhoͤrlich erinnert werde, mit dieſem Leben ſey nicht alles aus fuͤr ihn; es ſtehe ihm eine endloſe Zukunft bevor, zu welcher ſein Leben hie- nieden eine Vorbereitung ſey, ſo wie in der gan- zen Schoͤpfung jedes Gegenwaͤrtige eine Vorbe- reitung aufs Kuͤnftige iſt. Dieſes Leben, ſagen die Rabbinen, iſt ein Vorgemach, in welchem man ſich ſo anſchicken muß, wie man im innern
Zim-
*) S. Anmerk. zu Abbts freundſchaftlicher Cor- reſpondenz. S. 28.
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keit entgegen ſetzet. Und dieſe Verwirrung der
Begriffe bleibt nicht ohne praktiſche Folgen. Sie
verruͤckt den Wirkungskreis der menſchlichen Faͤ-
higkeiten, und ſpannet ſeine Kraͤfte uͤber das
Ziel hinaus, das ihm von der Vorſehung mit ſo
vieler Weisheit geſetzt worden. „Auf dem
„dunkeln Pfade, man erlaube, daß ich meine
„eigenen Worte *) hier anfuͤhre, auf dem dun-
„keln Pfade, den der Menſch hier zu wandeln
„hat, iſt ihm gerade ſo viel Licht beſchieden,
„als zu den naͤchſten Schritten, die er zu
„thun hat, noͤthig iſt. Ein mehreres wuͤrde
„ihn nur blenden, und jedes Seitenlicht nur
„verwirren.„ Es iſt noͤthig, daß der Menſch
unaufhoͤrlich erinnert werde, mit dieſem Leben
ſey nicht alles aus fuͤr ihn; es ſtehe ihm eine
endloſe Zukunft bevor, zu welcher ſein Leben hie-
nieden eine Vorbereitung ſey, ſo wie in der gan-
zen Schoͤpfung jedes Gegenwaͤrtige eine Vorbe-
reitung aufs Kuͤnftige iſt. Dieſes Leben, ſagen
die Rabbinen, iſt ein Vorgemach, in welchem
man ſich ſo anſchicken muß, wie man im innern
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*) S. Anmerk. zu Abbts freundſchaftlicher Cor-
reſpondenz. S. 28.
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/22>, abgerufen am 17.02.2025.
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