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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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hältniß des Menschen gegen die Gesellschaft und
Verhältniß des Menschen gegen Gott trafen auf
einen Punkt zusammen, und konnten nie in Ge-
genstoß gerathen. Gott, der Schöpfer und
Erhalter der Welt, war zugleich der König und
Verweser dieser Nation, und er ist ein Einiges
Wesen
, das so wenig im Politischen, als im
Metaphysischen, die mindeste Trennung, oder
Vielheit zuläßt. Auch hat dieser Regent keine
Bedürfnisse, und heischet nichts von der Nation,
als was zu ihren Besten dienet, die Glückselig-
keit des Staats befördert; so wie von der an-
dern Seite der Staat nichts fordern konnte, das
den Pflichten gegen Gott zuwider, das nicht
vielmehr von Gott, den Gesetzgeber und Ge-
setzverweser der Nation befohlen sey. Daher
gewann das Bürgerliche bey dieser Nation ein
heiliges und religioses Ansehen, und jeder Bür-
gerdienst ward zugleich ein wahrer Gottesdienst.
Die Gemeine war eine Gemeine Gottes, ihre An-
gelegenheiten waren Gottes, öffentliche Steuern
waren Hebe Gottes, und bis auf die gering-
ste Polizeyanstalt, war alles gottesdienstlich.
Die Leviten, die von den öffentlichen Einkünf-

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haͤltniß des Menſchen gegen die Geſellſchaft und
Verhaͤltniß des Menſchen gegen Gott trafen auf
einen Punkt zuſammen, und konnten nie in Ge-
genſtoß gerathen. Gott, der Schoͤpfer und
Erhalter der Welt, war zugleich der Koͤnig und
Verweſer dieſer Nation, und er iſt ein Einiges
Weſen
, das ſo wenig im Politiſchen, als im
Metaphyſiſchen, die mindeſte Trennung, oder
Vielheit zulaͤßt. Auch hat dieſer Regent keine
Beduͤrfniſſe, und heiſchet nichts von der Nation,
als was zu ihren Beſten dienet, die Gluͤckſelig-
keit des Staats befoͤrdert; ſo wie von der an-
dern Seite der Staat nichts fordern konnte, das
den Pflichten gegen Gott zuwider, das nicht
vielmehr von Gott, den Geſetzgeber und Ge-
ſetzverweſer der Nation befohlen ſey. Daher
gewann das Buͤrgerliche bey dieſer Nation ein
heiliges und religioſes Anſehen, und jeder Buͤr-
gerdienſt ward zugleich ein wahrer Gottesdienſt.
Die Gemeine war eine Gemeine Gottes, ihre An-
gelegenheiten waren Gottes, oͤffentliche Steuern
waren Hebe Gottes, und bis auf die gering-
ſte Polizeyanſtalt, war alles gottesdienſtlich.
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[117/0219] haͤltniß des Menſchen gegen die Geſellſchaft und Verhaͤltniß des Menſchen gegen Gott trafen auf einen Punkt zuſammen, und konnten nie in Ge- genſtoß gerathen. Gott, der Schoͤpfer und Erhalter der Welt, war zugleich der Koͤnig und Verweſer dieſer Nation, und er iſt ein Einiges Weſen, das ſo wenig im Politiſchen, als im Metaphyſiſchen, die mindeſte Trennung, oder Vielheit zulaͤßt. Auch hat dieſer Regent keine Beduͤrfniſſe, und heiſchet nichts von der Nation, als was zu ihren Beſten dienet, die Gluͤckſelig- keit des Staats befoͤrdert; ſo wie von der an- dern Seite der Staat nichts fordern konnte, das den Pflichten gegen Gott zuwider, das nicht vielmehr von Gott, den Geſetzgeber und Ge- ſetzverweſer der Nation befohlen ſey. Daher gewann das Buͤrgerliche bey dieſer Nation ein heiliges und religioſes Anſehen, und jeder Buͤr- gerdienſt ward zugleich ein wahrer Gottesdienſt. Die Gemeine war eine Gemeine Gottes, ihre An- gelegenheiten waren Gottes, oͤffentliche Steuern waren Hebe Gottes, und bis auf die gering- ſte Polizeyanſtalt, war alles gottesdienſtlich. Die Leviten, die von den oͤffentlichen Einkuͤnf- ten H 3

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/219>, abgerufen am 24.11.2024.