ten der Handlungen und Lebensregeln, die öffentliche und Privatglückseligkeit zum End- zwecke. Sie sind aber auch gröstentheils als eine Schriftart zu betrachten, und haben als Zeremonialgesetze, Sinn und Bedeutung. Sie leiten den forschenden Verstand auf göttli- che Wahrheiten; theils auf ewige, theils auf Geschichtswahrheiten, auf die sich die Religion dieses Volks gründete. Das Zeremonialgesetz war das Band, welches Handlung mit Betrach- tung, Leben mit Lehre verbinden sollte. Das Zeremonialgesetz sollte zwischen Schule und Leh- rer, Forscher und Unterweiser, persönlichen Um- gang, gesellige Verbindung veranlassen, zu Wetteifer und Nachfolge reizen und ermuntern; und diese Bestimmung hat es in den ersten Zei- ten wirklich erfüllt, bevor die Verfassung aus- artete, und die Thorheit der Menschen sich aber- mals ins Spiel mischte, durch Mißverstand und Mißleitung, das Gute in Böses, das Nützliche in Schädliches zu verwandeln.
Staat und Religion war in dieser ursprüng- lichen Verfassung nicht vereiniget, sondern eins; nicht verbunden, sondern eben dasselbe. Ver-
hältniß
ten der Handlungen und Lebensregeln, die oͤffentliche und Privatgluͤckſeligkeit zum End- zwecke. Sie ſind aber auch groͤſtentheils als eine Schriftart zu betrachten, und haben als Zeremonialgeſetze, Sinn und Bedeutung. Sie leiten den forſchenden Verſtand auf goͤttli- che Wahrheiten; theils auf ewige, theils auf Geſchichtswahrheiten, auf die ſich die Religion dieſes Volks gruͤndete. Das Zeremonialgeſetz war das Band, welches Handlung mit Betrach- tung, Leben mit Lehre verbinden ſollte. Das Zeremonialgeſetz ſollte zwiſchen Schule und Leh- rer, Forſcher und Unterweiſer, perſoͤnlichen Um- gang, geſellige Verbindung veranlaſſen, zu Wetteifer und Nachfolge reizen und ermuntern; und dieſe Beſtimmung hat es in den erſten Zei- ten wirklich erfuͤllt, bevor die Verfaſſung aus- artete, und die Thorheit der Menſchen ſich aber- mals ins Spiel miſchte, durch Mißverſtand und Mißleitung, das Gute in Boͤſes, das Nuͤtzliche in Schaͤdliches zu verwandeln.
Staat und Religion war in dieſer urſpruͤng- lichen Verfaſſung nicht vereiniget, ſondern eins; nicht verbunden, ſondern eben daſſelbe. Ver-
haͤltniß
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ten der Handlungen und Lebensregeln, die
oͤffentliche und Privatgluͤckſeligkeit zum End-
zwecke. Sie ſind aber auch groͤſtentheils als
eine Schriftart zu betrachten, und haben als
Zeremonialgeſetze, Sinn und Bedeutung.
Sie leiten den forſchenden Verſtand auf goͤttli-
che Wahrheiten; theils auf ewige, theils auf
Geſchichtswahrheiten, auf die ſich die Religion
dieſes Volks gruͤndete. Das Zeremonialgeſetz
war das Band, welches Handlung mit Betrach-
tung, Leben mit Lehre verbinden ſollte. Das
Zeremonialgeſetz ſollte zwiſchen Schule und Leh-
rer, Forſcher und Unterweiſer, perſoͤnlichen Um-
gang, geſellige Verbindung veranlaſſen, zu
Wetteifer und Nachfolge reizen und ermuntern;
und dieſe Beſtimmung hat es in den erſten Zei-
ten wirklich erfuͤllt, bevor die Verfaſſung aus-
artete, und die Thorheit der Menſchen ſich aber-
mals ins Spiel miſchte, durch Mißverſtand und
Mißleitung, das Gute in Boͤſes, das Nuͤtzliche
in Schaͤdliches zu verwandeln.
Staat und Religion war in dieſer urſpruͤng-
lichen Verfaſſung nicht vereiniget, ſondern eins;
nicht verbunden, ſondern eben daſſelbe. Ver-
haͤltniß
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/218>, abgerufen am 16.02.2025.
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