directe unter der Botmäßigkeit des geistlichen Einzelherren stünden, und von ihm Befehle an- nehmen müßten, wenn sie ihre Regierungsform verändern, ihre Könige absetzen, und andere an ih- rer Stelle einsetzen müßten; weil sehr oft das ewi- ge Heil des Staats auf keine andere Weise erhal- ten werden könne -- und wie die Maximen seines Ordens alle heißen, die Bellarmin in seinem Wer- ke de Romano Pontifice mit so vielem Scharfsin- ne festsetzet. Alles, was man den Trugschlüssen des Cardinals in sehr weitläuftigen Werken ent- gegengesetzt hat, scheint nicht zum Ziel zu treffen, sobald der Staat die Sorge für die Ewigkeit ganz aus den Händen giebt.
Von einer andern Seite ist es im genausten Verstande weder der Wahrheit gemäß, noch dem Besten der Menschen zuträglich, daß man das Zeitliche von dem Ewigen so scharf abschneide. Dem Menschen wird im Grunde nie eine Ewig- keit zu Theile werden: Sein Ewiges ist blos ein unaufhörliches Zeitliche. Sein Zeitliches nimmt nie ein Ende, ist also ein wesentlicher Theil seiner Fortdauer, und mit derselben aus einem Stücke. Man verwirret die Begriffe, wenn man seine zeitliche Wohlfarth der ewigen Glückselig-
keit
directe unter der Botmaͤßigkeit des geiſtlichen Einzelherren ſtuͤnden, und von ihm Befehle an- nehmen muͤßten, wenn ſie ihre Regierungsform veraͤndern, ihre Koͤnige abſetzen, und andere an ih- rer Stelle einſetzen muͤßten; weil ſehr oft das ewi- ge Heil des Staats auf keine andere Weiſe erhal- ten werden koͤnne — und wie die Maximen ſeines Ordens alle heißen, die Bellarmin in ſeinem Wer- ke de Romano Pontifice mit ſo vielem Scharfſin- ne feſtſetzet. Alles, was man den Trugſchluͤſſen des Cardinals in ſehr weitlaͤuftigen Werken ent- gegengeſetzt hat, ſcheint nicht zum Ziel zu treffen, ſobald der Staat die Sorge fuͤr die Ewigkeit ganz aus den Haͤnden giebt.
Von einer andern Seite iſt es im genauſten Verſtande weder der Wahrheit gemaͤß, noch dem Beſten der Menſchen zutraͤglich, daß man das Zeitliche von dem Ewigen ſo ſcharf abſchneide. Dem Menſchen wird im Grunde nie eine Ewig- keit zu Theile werden: Sein Ewiges iſt blos ein unaufhoͤrliches Zeitliche. Sein Zeitliches nimmt nie ein Ende, iſt alſo ein weſentlicher Theil ſeiner Fortdauer, und mit derſelben aus einem Stuͤcke. Man verwirret die Begriffe, wenn man ſeine zeitliche Wohlfarth der ewigen Gluͤckſelig-
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[15/0021]
directe unter der Botmaͤßigkeit des geiſtlichen
Einzelherren ſtuͤnden, und von ihm Befehle an-
nehmen muͤßten, wenn ſie ihre Regierungsform
veraͤndern, ihre Koͤnige abſetzen, und andere an ih-
rer Stelle einſetzen muͤßten; weil ſehr oft das ewi-
ge Heil des Staats auf keine andere Weiſe erhal-
ten werden koͤnne — und wie die Maximen ſeines
Ordens alle heißen, die Bellarmin in ſeinem Wer-
ke de Romano Pontifice mit ſo vielem Scharfſin-
ne feſtſetzet. Alles, was man den Trugſchluͤſſen
des Cardinals in ſehr weitlaͤuftigen Werken ent-
gegengeſetzt hat, ſcheint nicht zum Ziel zu treffen,
ſobald der Staat die Sorge fuͤr die Ewigkeit
ganz aus den Haͤnden giebt.
Von einer andern Seite iſt es im genauſten
Verſtande weder der Wahrheit gemaͤß, noch dem
Beſten der Menſchen zutraͤglich, daß man das
Zeitliche von dem Ewigen ſo ſcharf abſchneide.
Dem Menſchen wird im Grunde nie eine Ewig-
keit zu Theile werden: Sein Ewiges iſt blos ein
unaufhoͤrliches Zeitliche. Sein Zeitliches nimmt
nie ein Ende, iſt alſo ein weſentlicher Theil ſeiner
Fortdauer, und mit derſelben aus einem Stuͤcke.
Man verwirret die Begriffe, wenn man ſeine
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/21>, abgerufen am 16.02.2025.
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