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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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"sen ich mich erbarme. -- Meine Erscheinung
"sollst Du von hinten nachschauen; denn mein
"Antlitz kann nicht gesehen werden." -- Dar-
auf zog die Erscheinung vor Mose vorüber, und
ließ eine Stimme hören: "Der Herr (ist,
"war und wird seyn), ewiges Wesen, all-
"mächtig, allbarmherzig, und allgnädig;
"langmüthig, von großer Huld und Treue;
"der seine Huld dem tausendsten Geschlechte
"noch aufbehält; der Missethat, Sünde
"und Abfall verzeihet; aber nichts ohne
"Ahndung hingehen läßt
! *) -- Wer ist so
abgehärtetes Sinnes, daß er dieses mit trocke-
nen Augen les[e]n; wer so unmenschliches Her-
zens, daß er seinen Bruder noch hassen, gegen
seinen Bruder unversönlich bleiben kann?

Zwar spricht der Ewige, daß er nichts ohne
Ahndung wolle hingehn lassen
, und es ist
bekannt, daß diese Worte schon zu mancherley
Mißverstand und Mißdeutung Gelegenheit ge-
geben. Wenn sie aber das vorige nicht völlig
wider aufheben sollen; so führen sie unmittelbar

auf
*) II B. M. C 33. v. 15. u. f. nach meiner mit he-
bräischen Lettern erschienenen Uebersetzung.

„ſen ich mich erbarme. — Meine Erſcheinung
„ſollſt Du von hinten nachſchauen; denn mein
„Antlitz kann nicht geſehen werden.“ — Dar-
auf zog die Erſcheinung vor Moſe voruͤber, und
ließ eine Stimme hoͤren: „Der Herr (iſt,
„war und wird ſeyn), ewiges Weſen, all-
„maͤchtig, allbarmherzig, und allgnaͤdig;
„langmuͤthig, von großer Huld und Treue;
„der ſeine Huld dem tauſendſten Geſchlechte
„noch aufbehaͤlt; der Miſſethat, Suͤnde
„und Abfall verzeihet; aber nichts ohne
„Ahndung hingehen laͤßt
! *) — Wer iſt ſo
abgehaͤrtetes Sinnes, daß er dieſes mit trocke-
nen Augen leſ[e]n; wer ſo unmenſchliches Her-
zens, daß er ſeinen Bruder noch haſſen, gegen
ſeinen Bruder unverſoͤnlich bleiben kann?

Zwar ſpricht der Ewige, daß er nichts ohne
Ahndung wolle hingehn laſſen
, und es iſt
bekannt, daß dieſe Worte ſchon zu mancherley
Mißverſtand und Mißdeutung Gelegenheit ge-
geben. Wenn ſie aber das vorige nicht voͤllig
wider aufheben ſollen; ſo fuͤhren ſie unmittelbar

auf
*) II B. M. C 33. v. 15. u. f. nach meiner mit he-
braͤiſchen Lettern erſchienenen Ueberſetzung.
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[104/0206] „ſen ich mich erbarme. — Meine Erſcheinung „ſollſt Du von hinten nachſchauen; denn mein „Antlitz kann nicht geſehen werden.“ — Dar- auf zog die Erſcheinung vor Moſe voruͤber, und ließ eine Stimme hoͤren: „Der Herr (iſt, „war und wird ſeyn), ewiges Weſen, all- „maͤchtig, allbarmherzig, und allgnaͤdig; „langmuͤthig, von großer Huld und Treue; „der ſeine Huld dem tauſendſten Geſchlechte „noch aufbehaͤlt; der Miſſethat, Suͤnde „und Abfall verzeihet; aber nichts ohne „Ahndung hingehen laͤßt! *) — Wer iſt ſo abgehaͤrtetes Sinnes, daß er dieſes mit trocke- nen Augen leſen; wer ſo unmenſchliches Her- zens, daß er ſeinen Bruder noch haſſen, gegen ſeinen Bruder unverſoͤnlich bleiben kann? Zwar ſpricht der Ewige, daß er nichts ohne Ahndung wolle hingehn laſſen, und es iſt bekannt, daß dieſe Worte ſchon zu mancherley Mißverſtand und Mißdeutung Gelegenheit ge- geben. Wenn ſie aber das vorige nicht voͤllig wider aufheben ſollen; ſo fuͤhren ſie unmittelbar auf *) II B. M. C 33. v. 15. u. f. nach meiner mit he- braͤiſchen Lettern erſchienenen Ueberſetzung.

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/206>, abgerufen am 24.11.2024.