des Gesetzgebers nach, seyn; aber, unerforsch- lich sind die Wege Gottes! auch hier gieng es, nach einer kurzen Periode, den Weg des Ver- derbnisses. Nicht lange, so war auch dieser glänzende Zirkel durchlaufen, und die Sachen kamen wieder nicht weit von der Tiefe zurück, von welcher sie ausgegangen waren, wie leider! seit vielen Jahrhunderten am Tage liegt.
Schon in den ersten Tagen der so wunder- vollen Gesetzgebung fiel die Nation in den sünd- lichen Wahn der Aegyptier zurück, und verlang- te ein Thierbild. Ihrem Vorgeben nach, wie es scheinet, nicht eigentlich als eine Gottheit zum Anbeten; hierinn würde der Hohepriester und Bruder des Gesetzgebers nicht gewillfahret haben, und wenn sein Leben noch so sehr in Ge- fahr gewesen wäre. -- Sie sprachen blos von einem göttlichen Wesen, das sie anführen und die Stelle Moses vertreten sollte, von dem sie glaubten, daß er seinen Posten verlassen hätte. Aron vermochte dem Andringen des Volks nicht länger zu widerstehen, goß ihnen ein Kalb, und um sie bey dem Vorsatze festzuhalten, dieses Bild nicht, sondern den Ewigen allein göttlich
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des Geſetzgebers nach, ſeyn; aber, unerforſch- lich ſind die Wege Gottes! auch hier gieng es, nach einer kurzen Periode, den Weg des Ver- derbniſſes. Nicht lange, ſo war auch dieſer glaͤnzende Zirkel durchlaufen, und die Sachen kamen wieder nicht weit von der Tiefe zuruͤck, von welcher ſie ausgegangen waren, wie leider! ſeit vielen Jahrhunderten am Tage liegt.
Schon in den erſten Tagen der ſo wunder- vollen Geſetzgebung fiel die Nation in den ſuͤnd- lichen Wahn der Aegyptier zuruͤck, und verlang- te ein Thierbild. Ihrem Vorgeben nach, wie es ſcheinet, nicht eigentlich als eine Gottheit zum Anbeten; hierinn wuͤrde der Hoheprieſter und Bruder des Geſetzgebers nicht gewillfahret haben, und wenn ſein Leben noch ſo ſehr in Ge- fahr geweſen waͤre. — Sie ſprachen blos von einem goͤttlichen Weſen, das ſie anfuͤhren und die Stelle Moſes vertreten ſollte, von dem ſie glaubten, daß er ſeinen Poſten verlaſſen haͤtte. Aron vermochte dem Andringen des Volks nicht laͤnger zu widerſtehen, goß ihnen ein Kalb, und um ſie bey dem Vorſatze feſtzuhalten, dieſes Bild nicht, ſondern den Ewigen allein goͤttlich
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des Geſetzgebers nach, ſeyn; aber, unerforſch-
lich ſind die Wege Gottes! auch hier gieng es,
nach einer kurzen Periode, den Weg des Ver-
derbniſſes. Nicht lange, ſo war auch dieſer
glaͤnzende Zirkel durchlaufen, und die Sachen
kamen wieder nicht weit von der Tiefe zuruͤck,
von welcher ſie ausgegangen waren, wie leider!
ſeit vielen Jahrhunderten am Tage liegt.
Schon in den erſten Tagen der ſo wunder-
vollen Geſetzgebung fiel die Nation in den ſuͤnd-
lichen Wahn der Aegyptier zuruͤck, und verlang-
te ein Thierbild. Ihrem Vorgeben nach, wie
es ſcheinet, nicht eigentlich als eine Gottheit
zum Anbeten; hierinn wuͤrde der Hoheprieſter
und Bruder des Geſetzgebers nicht gewillfahret
haben, und wenn ſein Leben noch ſo ſehr in Ge-
fahr geweſen waͤre. — Sie ſprachen blos von
einem goͤttlichen Weſen, das ſie anfuͤhren und
die Stelle Moſes vertreten ſollte, von dem ſie
glaubten, daß er ſeinen Poſten verlaſſen haͤtte.
Aron vermochte dem Andringen des Volks nicht
laͤnger zu widerſtehen, goß ihnen ein Kalb, und
um ſie bey dem Vorſatze feſtzuhalten, dieſes
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/200>, abgerufen am 16.02.2025.
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