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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783.

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heit um, die hier angebetet würde, und fand auf
dem Altare eine scheußliche Meerkatze; und die-
sem Unthiere wurden blühende Jünglinge und
Mädchen geschlachtet. So tief hatte die Ab-
götterey die menschliche Natur erniedriget! Man
schlachtete Menschen
, wie der Prophet in ei-
ner emphatischen Antithese sich ausdrückt, man
schlachtete Menschen, um sie dem angebe-
teten Viehe zu opfern
.

Hier und da wagten es zuweilen die Philo-
sophen, sich dem allgemeinen Verderbniß zu wi-
dersetzen, und öffentlich, oder durch geheime
Anstalten, die Begriffe zu reinigen und aufzu-
klären. Sie versuchten es, dem Bildern ihre
alte Bedeutung wieder zu geben, oder auch
neue unterzulegen, und dadurch dem todten
Leichnam gleichsam seinen Geist wieder einzu-
hauchen. Aber vergeblich! Auf die Religion des
Volks hatten ihre vernünftigen Erklärungen
keinen Einfluß. So gierig der ungebildete Mensch
nach Erklärung zu seyn scheint, so unzufrieden
ist er, wenn sie ihm in ihrer wahren Einfalt
gegeben wird. Was ihm verständlich ist, wird
ihm gar bald zum Ueberdrusse, und verächtlich,

und

heit um, die hier angebetet wuͤrde, und fand auf
dem Altare eine ſcheußliche Meerkatze; und die-
ſem Unthiere wurden bluͤhende Juͤnglinge und
Maͤdchen geſchlachtet. So tief hatte die Ab-
goͤtterey die menſchliche Natur erniedriget! Man
ſchlachtete Menſchen
, wie der Prophet in ei-
ner emphatiſchen Antitheſe ſich ausdruͤckt, man
ſchlachtete Menſchen, um ſie dem angebe-
teten Viehe zu opfern
.

Hier und da wagten es zuweilen die Philo-
ſophen, ſich dem allgemeinen Verderbniß zu wi-
derſetzen, und oͤffentlich, oder durch geheime
Anſtalten, die Begriffe zu reinigen und aufzu-
klaͤren. Sie verſuchten es, dem Bildern ihre
alte Bedeutung wieder zu geben, oder auch
neue unterzulegen, und dadurch dem todten
Leichnam gleichſam ſeinen Geiſt wieder einzu-
hauchen. Aber vergeblich! Auf die Religion des
Volks hatten ihre vernuͤnftigen Erklaͤrungen
keinen Einfluß. So gierig der ungebildete Menſch
nach Erklaͤrung zu ſeyn ſcheint, ſo unzufrieden
iſt er, wenn ſie ihm in ihrer wahren Einfalt
gegeben wird. Was ihm verſtaͤndlich iſt, wird
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[90/0192] heit um, die hier angebetet wuͤrde, und fand auf dem Altare eine ſcheußliche Meerkatze; und die- ſem Unthiere wurden bluͤhende Juͤnglinge und Maͤdchen geſchlachtet. So tief hatte die Ab- goͤtterey die menſchliche Natur erniedriget! Man ſchlachtete Menſchen, wie der Prophet in ei- ner emphatiſchen Antitheſe ſich ausdruͤckt, man ſchlachtete Menſchen, um ſie dem angebe- teten Viehe zu opfern. Hier und da wagten es zuweilen die Philo- ſophen, ſich dem allgemeinen Verderbniß zu wi- derſetzen, und oͤffentlich, oder durch geheime Anſtalten, die Begriffe zu reinigen und aufzu- klaͤren. Sie verſuchten es, dem Bildern ihre alte Bedeutung wieder zu geben, oder auch neue unterzulegen, und dadurch dem todten Leichnam gleichſam ſeinen Geiſt wieder einzu- hauchen. Aber vergeblich! Auf die Religion des Volks hatten ihre vernuͤnftigen Erklaͤrungen keinen Einfluß. So gierig der ungebildete Menſch nach Erklaͤrung zu ſeyn ſcheint, ſo unzufrieden iſt er, wenn ſie ihm in ihrer wahren Einfalt gegeben wird. Was ihm verſtaͤndlich iſt, wird ihm gar bald zum Ueberdruſſe, und veraͤchtlich, und

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Zitationshilfe: Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/192>, abgerufen am 24.11.2024.