Indessen siehet man, wie hieraus hat Thier- dienst, und Bilderdienst, Götzen und Menschen- dienst, Fabeln und Mährchen entstehen können, und wenn ich dieses schon nicht für die einzige Quelle der Mythologie ausgebe; so glaube ich doch, daß es zur Entstehung und Fortpflanzung aller dieser Albernheiten sehr viel hat beytragen können. Insbesondere läßt sich hieraus eine Bemerkung erklären, die Hr. Pr. Meiners ir- gend wo in seinen Schriften gemacht hat. Er will durchgehends bemerkt haben, daß bey den ursprünglichen Nationen, solchen nämlich, die sich selbst gebildet, und ihre Kultur keiner an- dern Nation zu verdanken haben, mehr Thier- dienst als Menschendienst, im Schwange gewe- sen, ja leblose Dinge weit eher als Menschen göttlich verehrt und angebetet worden seyn. Ich setze die Richtigkeit der Bemerkung voraus, und lasse den philosophischen Geschichtsforscher dafür die Gewähr leisten. Ich will versuchen sie zu erklären!
Wenn die Menschen die Dinge selbst, oder ihre Bildnisse und Umrisse Zeichen der Begriffe seyn lassen; so können sie zu Bezeichnung mora-
lischer
Indeſſen ſiehet man, wie hieraus hat Thier- dienſt, und Bilderdienſt, Goͤtzen und Menſchen- dienſt, Fabeln und Maͤhrchen entſtehen koͤnnen, und wenn ich dieſes ſchon nicht fuͤr die einzige Quelle der Mythologie ausgebe; ſo glaube ich doch, daß es zur Entſtehung und Fortpflanzung aller dieſer Albernheiten ſehr viel hat beytragen koͤnnen. Insbeſondere laͤßt ſich hieraus eine Bemerkung erklaͤren, die Hr. Pr. Meiners ir- gend wo in ſeinen Schriften gemacht hat. Er will durchgehends bemerkt haben, daß bey den urſpruͤnglichen Nationen, ſolchen naͤmlich, die ſich ſelbſt gebildet, und ihre Kultur keiner an- dern Nation zu verdanken haben, mehr Thier- dienſt als Menſchendienſt, im Schwange gewe- ſen, ja lebloſe Dinge weit eher als Menſchen goͤttlich verehrt und angebetet worden ſeyn. Ich ſetze die Richtigkeit der Bemerkung voraus, und laſſe den philoſophiſchen Geſchichtsforſcher dafuͤr die Gewaͤhr leiſten. Ich will verſuchen ſie zu erklaͤren!
Wenn die Menſchen die Dinge ſelbſt, oder ihre Bildniſſe und Umriſſe Zeichen der Begriffe ſeyn laſſen; ſo koͤnnen ſie zu Bezeichnung mora-
liſcher
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Indeſſen ſiehet man, wie hieraus hat Thier-
dienſt, und Bilderdienſt, Goͤtzen und Menſchen-
dienſt, Fabeln und Maͤhrchen entſtehen koͤnnen,
und wenn ich dieſes ſchon nicht fuͤr die einzige
Quelle der Mythologie ausgebe; ſo glaube ich
doch, daß es zur Entſtehung und Fortpflanzung
aller dieſer Albernheiten ſehr viel hat beytragen
koͤnnen. Insbeſondere laͤßt ſich hieraus eine
Bemerkung erklaͤren, die Hr. Pr. Meiners ir-
gend wo in ſeinen Schriften gemacht hat. Er
will durchgehends bemerkt haben, daß bey den
urſpruͤnglichen Nationen, ſolchen naͤmlich, die
ſich ſelbſt gebildet, und ihre Kultur keiner an-
dern Nation zu verdanken haben, mehr Thier-
dienſt als Menſchendienſt, im Schwange gewe-
ſen, ja lebloſe Dinge weit eher als Menſchen
goͤttlich verehrt und angebetet worden ſeyn.
Ich ſetze die Richtigkeit der Bemerkung voraus,
und laſſe den philoſophiſchen Geſchichtsforſcher
dafuͤr die Gewaͤhr leiſten. Ich will verſuchen
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Wenn die Menſchen die Dinge ſelbſt, oder
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/182>, abgerufen am 16.07.2024.
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