viel weiter zu kommen, wenn diese Anstrengung eine Zeitlang anhalten, und gar zu oft wie- derholt werden muß. Sie hat angefangen ab- zusondern; aber sie kann nicht denken. Wie ist ihr zu rathen? -- Die weise Vorsebung hat ihr ein Mittel sehr nahe gelegt, dessen sie sich zu al- len Zeiten bedienen kann. Sie heftet das abgezo- gene Merkmal, entweder durch eine natürliche, oder willkührliche Ideenverbindung an ein sinnli- ches Zeichen, das, so oft sein Eindruk erneuert wird, auch zugleich dieses Merkmal, rein und unvermischt, wieder hervorbringt und beleichtet. So sind, wie bekannt, die aus natürlichen und willkührlichen Zeichen zusammengesetzten Spra- chen der Menschen entstanden, ohne welche sie sich nur wenig vom unvernünftigen Thiere hät- ten unterscheiden können; weil der Mensch, ohne Hülfe der Zeichen, sich kaum um einen Schritt vom Sinnlichen entfernen kann.
So wie die ersten Schritte zur vernünftigen Erkenntnis gethan werden mußten, auf eben die Weise werden die Wissenschaften noch itzt erweitert und mit Erfindungen bereichert, und daher ist zuweilen die Erfindung eines Worts in
den
viel weiter zu kommen, wenn dieſe Anſtrengung eine Zeitlang anhalten, und gar zu oft wie- derholt werden muß. Sie hat angefangen ab- zuſondern; aber ſie kann nicht denken. Wie iſt ihr zu rathen? — Die weiſe Vorſebung hat ihr ein Mittel ſehr nahe gelegt, deſſen ſie ſich zu al- len Zeiten bedienen kann. Sie heftet das abgezo- gene Merkmal, entweder durch eine natuͤrliche, oder willkuͤhrliche Ideenverbindung an ein ſinnli- ches Zeichen, das, ſo oft ſein Eindruk erneuert wird, auch zugleich dieſes Merkmal, rein und unvermiſcht, wieder hervorbringt und beleichtet. So ſind, wie bekannt, die aus natuͤrlichen und willkuͤhrlichen Zeichen zuſammengeſetzten Spra- chen der Menſchen entſtanden, ohne welche ſie ſich nur wenig vom unvernuͤnftigen Thiere haͤt- ten unterſcheiden koͤnnen; weil der Menſch, ohne Huͤlfe der Zeichen, ſich kaum um einen Schritt vom Sinnlichen entfernen kann.
So wie die erſten Schritte zur vernuͤnftigen Erkenntnis gethan werden mußten, auf eben die Weiſe werden die Wiſſenſchaften noch itzt erweitert und mit Erfindungen bereichert, und daher iſt zuweilen die Erfindung eines Worts in
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viel weiter zu kommen, wenn dieſe Anſtrengung
eine Zeitlang anhalten, und gar zu oft wie-
derholt werden muß. Sie hat angefangen ab-
zuſondern; aber ſie kann nicht denken. Wie iſt
ihr zu rathen? — Die weiſe Vorſebung hat ihr
ein Mittel ſehr nahe gelegt, deſſen ſie ſich zu al-
len Zeiten bedienen kann. Sie heftet das abgezo-
gene Merkmal, entweder durch eine natuͤrliche,
oder willkuͤhrliche Ideenverbindung an ein ſinnli-
ches Zeichen, das, ſo oft ſein Eindruk erneuert
wird, auch zugleich dieſes Merkmal, rein und
unvermiſcht, wieder hervorbringt und beleichtet.
So ſind, wie bekannt, die aus natuͤrlichen und
willkuͤhrlichen Zeichen zuſammengeſetzten Spra-
chen der Menſchen entſtanden, ohne welche ſie
ſich nur wenig vom unvernuͤnftigen Thiere haͤt-
ten unterſcheiden koͤnnen; weil der Menſch, ohne
Huͤlfe der Zeichen, ſich kaum um einen Schritt
vom Sinnlichen entfernen kann.
So wie die erſten Schritte zur vernuͤnftigen
Erkenntnis gethan werden mußten, auf eben
die Weiſe werden die Wiſſenſchaften noch itzt
erweitert und mit Erfindungen bereichert, und
daher iſt zuweilen die Erfindung eines Worts in
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Mendelssohn, Moses: Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. Berlin, 1783, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mendelssohn_jerusalem_1783/168>, abgerufen am 16.02.2025.
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